Verliebt ins Wort (WN Münster)

23.01.2016 Sind sie so eine Art neuer „Club der toten Dichter“? Im gleichnamigen Film mit Robin Williams entdecken Schüler die Welt der Literatur. Sie wollen Poesie nachvollziehen und in sich selbst entdecken. Aber „tote Dichter“? Nein. Ihre Vorbilder sind gegenwärtig und lebendig: Eine Schülergruppe am Kardinal-von-Galen-Gymnasium schreibt Poetry-Slam und trifft sich mit bekannten deutschen Rappern.
„Wir sind kreative Köpfe und haben Spaß an Musik und Worten“, erzählt die Oberstufenschülerin Chiara Oldach. Sie koordiniert die Gruppe. Gegründet wurde sie vom Deutschlehrer Julian Sure – er hat sein Referendariat in Hiltrup absolviert, unterrichtet aber mittlerweile in Ostbevern. Vor etwa einem Jahr hat er das Experiment gemacht: Was passiert, wenn er Schülern vor Texte aus modernen „Dichterschlachten“ (den so genannten Poetry-Slams) setzt? „Das war eine neue Erfahrung“, sagt Chiara Oldach. Das „klassische Besteck“ der Gedichtanalyse auf moderne Texte anwenden war ein Augenöffner, er fiel auf fruchtbaren Boden. „Ich habe jetzt an meinem ersten Poetry-Slam teilgenommen – mit eigenen Reimtexten“, berichtet Chiara Oldach.
Worte, reflektieren über Sprache, das habe immer schon etwas mit ihnen gemacht, sagt deren Klassenkameradin und beste Freundin Sarah Plute. „Ich spraye Graffiti, das ist noch einmal eine ganz andere Herangehensweise an Worte.“ Auf einer Holzwand am Skaterpark beim Hiltruper Bahnhof dürfen sich Straßenkünstler austoben, hier hatte sie mal ein Logo für die Schülergruppe entworfen: „Ist mittlerweile übersprayt“.
Der Skaters Palace gibt den Schüler Rückendeckung, die Konzerthalle unterstützt die Rap-AG mit Freikarten. Vor knapp einem Jahr konnten sie so den deutschen Rapper Curse im Backstage-Bereich hinter der Bühne treffen. Der 13-jährige Pascal Dominik ist ein großer Fan: „Mein erstes Smartphone war gebraucht, hatte nicht einmal W-Lan, aber ich hatte ohne Ende Songs von Curse drauf gepackt.“ Fast eine dreiviertel Stunde haben sie zu acht den Rapper ausgefragt. Wie war das in seiner Jugend? Wie ist er zum Buddhismus gekommen? Später, bei seinem Konzert in Münster, durfte der Schüler Tom Oldach sogar auf die Bühne, für eine Zugabe.
Das Telefon von Deutschlehrer Sure vibriert. „Ein Anruf aus Berlin?“, wundert er sich. Es ist das Management der nächsten Band, mit der sie sich treffen wollen. Vielleicht klappt es ja.
WN-Artikel von Markus Lütkemeyer