„Religion soll friedenstiftend sein“ – Besuch von Sharon Fehr im evangelischen Religionsunterricht der Jahrgangsstufe 8

04.02.2020 Ausgesprochen interessante Einblicke in die jüdische Religion und Lebensweise gab am vergangenen Donnerstag, den 30.01. Sharon Fehr, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster, den 30 evangelischen Schülerinnen und Schülern aus der Jahrgangstufe 8.

Nachdem sich der Religionskurs in den vergangenen Wochen in theoretischer Form mit verschiedenen Themenbereichen des Judentums und antisemitischen Tendenzen in der heutigen Gesellschaft beschäftigt hatte, war es ein besonderer Höhepunkt, einen Vertreter des Judentums bei uns am KvG begrüßen zu dürfen. Dass sich Sharon Fehr persönlich die Zeit nahm, den Schülerinnen und Schülern zu begegnen und ihre Fragen ausdauernd und auf Augenhöhe zu beantworten, empfanden alle als besondere Wertschätzung.

Sharon Fehr stellte sich dem Kurs zunächst persönlich vor und erläuterte beispielsweise, dass er Dipl. Sozialarbeit und Dipl. Heilpädagogik studierte und im Alter von 26 Jahren für einige nach Jahre nach Israel ging, um in einem religiösen Kibbutz zu arbeiten. Danach sei er nach Jerusalem umgezogen, um Torah und Hebräisch an einer jüdischen Hochschule zu studierten. Nach einem längeren Aufenthalt in Israel kam er 1986 nach Deutschland zurück und ist seit 1994 geschäftsführender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Münster mit aktuell 612 Mitgliedern. Seit 17 Jahren ist er außerdem im Landesverband der jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen tätig.

Die von Herrn Fehr mitgebrachten rituellen Gegenstände, wie etwa die Tefillin (Gebetsriemen), die Menora (siebenarmiger Leuchter) oder der Tallit (Gebetsmantel), durften die Jugendlichen in die Hand und genau unter die Lupe nehmen. Herr Fehr erklärte Besonderheiten einzelner ritueller Gegenstände im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern. Beispielsweise auf die Frage eines Schülers, warum sich orthodoxe Juden die Tefillin beim Gebet sowohl um den Kopf als auch um die Hand wickeln, erläuterte Sharon Fehr, dass das Denken auch das eigene Handeln prägen solle. Das kleine rote Licht über dem Schrank mit den Thorarollen, so erklärte Herr Fehr, erinnere an die Feuerstelle im Tempel und symbolisiere die Anwesenheit G“ttes, während das Licht des siebenarmigen Leuchters, auch Menora genannt, das Licht symbolisiere, das von G“tt geschaffen wurde, um Leben zu spenden und Erleuchtung zu bringen. In diesem Licht soll Israel wandeln und selber zu einem „Licht unter den Völkern“ werden. Mit dem zionistischen Kongress 1897 wurde die Menora zum offiziellen Emblem (Wappen) des Staates Israel.

Im letzten Teil des Besuchs durften die Schülerinnen und Schüler ihre zuvor im Unterricht gesammelten Fragen an Herr Fehr stellen. Wir erfuhren beispielsweise, dass das Sabbat-Gebot für ihn das schönste jüdische Gebot sei, einfach weil er dann frei und keine Termine habe und Zeit sei, ein Buch zu lesen o.ä. Außerdem gebe es deshalb ein Fitness-Studio im Keller der Jüdischen Gemeinde, um Jugendliche und junge Erwachsene zum Sport einzuladen und dann mit Beginn des Shabbatabend gemeinsam in den Gottesdienst zu gehen. Die Fragen zur aktuellen politischen Lage in Deutschland und zum aufkeimenden Antisemitismus beantwortete Sharon Fehr sehr eindrucksvoll und für die Jugendlichen sehr bewegend: Er zeigte zwei Fotos, auf denen handschriftliche Anfeindungen auf seine Person zu lesen sind. Diese antisemitischen und rechtsradikalen Anfeindungen seien in den letzten Jahren bei ihm in der Synagoge eingegangen, so Sharon Fehr. Ergänzend zitierte er Bundespräsident Steinmeier beim Holocaust-Gedenken in Yad Vashem: „Ich wünschte, ich könnte heute sagen, dass wir Deutschen ein für immer aus der Geschichte gelernt haben. Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten.“ Für Fehr bringen diese Worte Steinmeiers die aktuelle Situation in Deutschland auf den Punkt.

Er selbst freue sich jedoch, dass es in Münster kaum erkennbare Judenfeindlichkeit gebe und er beispielsweise nur selten Probleme beim Tragen der Kippa in der Öffentlichkeit habe, so Sharon Fehr. Auf die abschließende Frage, wie das Judentum zu anderen Religionen stehe, antwortete Herr Fehr eindeutig: „Religion soll friedenstiftend sein.“