Wie sehen Städte der Zukunft aus?
KvG-Schüler entwickeln im Rahmen eines Kunst-Erdkunde-Projektes Visionen
Münster-Hiltrup. Reihenhaussiedlungen, die aus Computerschrott entstehen, gespenstisch wirkende Hochhausfassaden und technisierte Großstadtästhetik - bloß Horrorvision oder realistische Zukunftsperspektive? Wird die Stadt der Zukunft wirklich so aussehen? Mit dieser Frage beschäftigten sich 31 Schüler der 9b des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums im Rahmen eines fächerübergreifenden Projektes.
Unter Leitung von Kunstlehrer Michael Rickert sollten die Schüler in Eigenregie „Cyber City“ entstehen lassen: In der anfänglichen Forschungsphase im Erdkundeunterricht wurden ihnen Einblicke in die Stadtplanung gewährt. Dabei standen Funktionalität, Systematik und Aufbau von Städten im Vordergrund. „Damit unsere Modelle möglichst realitätsnah gestaltet werden konnten, mussten wir erst den Maßstab ausrechnen“, erklärt eine Schülerinnen.
Das passende Baumaterial für „Cyber City“ war schnell gefunden: Alte Computer-Hardware, die aus schrottreifen Geräten entnommen wurde, diente den Schülern als Modelliermasse ihrer Zukunftsvisionen. Um an diesen eher ungewöhnlichen Baustoff zu gelangen, mussten die Innenleben von rund 150 Computern herhalten. „So kamen auch wir Mädchen mal dazu, einen Computer von innen zu sehen“, merkte eine Schülerin schmunzelnd an.
Auf insgesamt sechs Holztafeln errichteten die Gruppen dann in rund 600 Arbeitsstunden ihre Städte von morgen. Dabei wurden auch Details wie Stromleitungen beachtet.
Den letzten Schliff bekamen die Miniaturgroßstädte dann in Form einer knalligen Farblackierung, die von der BASF in Bielefeld vorgenommen wurde.
Einen würdigen Ausstellungsort für die Städte der Zukunft und die dazugehörigen Pläne stellt von nun an einer der Computerräume des Gymnasiums dar. „Hier werdet ihr dann mit euren Werken verewigt“, freute sich Rickert.
kri, Westfälische Nachrichten 15. 12. 2006
Cyber City - Stadt der Zukunft
Fächerübergreifendes Projekt (Kunst-Erdkunde) der Klasse 8b
Wie sieht das Leben in Städten von morgen aus? Was heißt dann „Wohnen“, „Arbeiten“, „Versorgen“? Was bietet sich dem Betrachter aus der Vogelperspektive für ein Stadtbild?
Diese und mehr Fragen stellen sich zur Zeit Schülerinnen und Schüler der achten Klasse des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums, Münster-Hiltrup. Anfänglich erforschten sie zunächst im Erdkunde-Unterricht, wie Städte aufgebaut sind, wie sie funktionieren, welche Systematik in ihnen zu finden ist. Zentralität als bestimmendes Merkmal der Stadt wurde untersucht.
Mit diesem Wissen begannen die Schülerinnen und Schüler ihre besondere Form der „Stadtplanung“. Denn jetzt kam die Kunst ins Spiel: Sicherlich gibt es viele wissenschaftliche Foren, auf denen die Stadt der Zukunft bzw. deren Planung diskutiert wird. Hier aber sollte die schöpferische Fantasie der Jugendlichen die Gestaltung selbst in die Hand nehmen: Es galt, „Cyber City“ entstehen zu lassen! Was bot sich als Baumaterial dazu besser an als das, was die IT-Welten der Gegenwart erst zum Leben bringt, nämlich Computer-Hardware? Dieser ungewöhnliche Baustoff, der nach dem Verfall seiner Halbwertszeit gemeinhin als „Computer-Schrott“ bezeichnet wird, verbringt sein Leben in der Regel unsichtbar in kleinen grauen Stahlblechkisten, die sich eigentlich nur dem Freak oder dem Techniker sichtbar machen. Einzig seine Funktion ist wichtig, dessen Schönheit blüht im Verborgenen.
Seine Ästhetik erschließt sich dann, wenn der Betrachter seine „Brille“ wechselt, seine Wahrnehmung, seine Perspektive ändert. Sind es zuvor die Silizium-Kerne der Chips und deren Leistungsfähigkeit, die sein Interesse erregen, sind es dann die sehr unterschiedlichen Topografien der Platinen, die eine sehr eigenständige, reizvolle Welt im Kleinen entstehen lassen. Es ist die Fantasie des Betrachters, der hier sein Sehvergnügen entwickelt, wenn er die Funktion der Technik vergisst.
Und so sehen es die Jugendlichen: Aus PCI-Slots werden Lagerhallen, aus dem CPU-Sockel wird ein Sport-Stadion, Reihenhaus-Siedlungen entwickeln sich aus den gelöteten Widerständen der Platinen u.s.w.. Spielfilme, in denen die Kamera auf den Hollywood-Hills montiert das unendlich scheinende Häusermeer von Los Angeles zeigt, vermitteln in etwa das, was den Schülerinnen und Schülern während ihrer Arbeit vorschwebt.
Auf sechs 2,25 Quadratmeter großen Holztafeln montieren sie nun ihre Vorstellungen über die Stadt der Zukunft. Die so entstehenden Reliefs entwickeln in ihrer Formvielfalt eine außergewöhnliche Struktur mit einer bizarren Ästhetik, da hier der Ordnungswille der Erschaffer dem Betrachter hilft zu verstehen.
Allerdings fehlt diesen Reliefs etwas sehr Wichtiges: der Faktor für die Vereinheitlichung, die Farbe. Alle Platinen und Elektronik-Bauteile verfügen über eine eigene, willkürliche Farbigkeit, die kontraproduktiv zum Vereinheitlichungswillen der Baumeister des Reliefs stehen: Hier die Ordnung im Relief-Gefüge des Stadtbildes, dort die chaotische Farbstruktur der Teilelemente.
Der Wunsch nach einer Vereinheitlichung der Farbfläche, so notwendig dieser im funktionalen Zusammenhang erscheint, ermöglicht aber weitere ästhetische Möglichkeiten: Wenn denn - wie unser dringlicher Wunsch ja ist - besagte Platten in einer einheitlichen Farbe lackiert würden, käme allein schon dieser großen monochromen Farbfläche eine höchst ansprechende Wirkung zu, die den Wert der Farbe durch das einfallende Licht steigert, da sich im Relief auf den unterschiedlichen Höhen und Tiefen die unterschiedlichsten Reflexe und Schatten bilden.
Sechs Gruppen von Schülerinnen und Schülern erarbeiten jeweils unterschiedliche Modelle. So unterschiedlich sie im Ansatz sein mögen, so unterschiedlich auch das gestaltete Relief beim Betrachten wirkt, so ähnlich sind aber doch die Bauhöhen, so gleich sind doch die Bauteile in ihrer Struktur. An dieser Stelle hilft zunächst gedanklich, in der Umsetzung dann ästhetisch die Farbordnung: die primären und sekundären Farben. In diesen Farben lackiert haben dann die Vorstellungen der Jugendlichen von ihrer Stadt der Zukunft plötzlich Namen:
CYBER CITY BLUE, CYBER CITY RED, CYBER CITY YELLOW, CYBER CITY ORANGE, CYBER CITY VIOLET. [...]
Michael Rickert, 28. 04. 2006