Ernste, schwarzbefrackt-behoste Oberprimaner
zeigten an, dass sich der Tag der „Erfüllung des Schülerdaseins"
genaht hatte. Doktor Koch nahm auch in diesem Jahr als verantwortlicher
Oberschulrat die zweitägige Reifeprüfung ab. Es zeigte sich
wieder einmal, dass der Aberglaube in unserer modernen Welt keinen Platz
mehr hat, denn alle 13 Oberprimaner bestanden ihr Abitur.
In einer Feierstunde wurde den frisch gebackenen Abiturienten ihre Reife
schwarz auf weiß bestätigt. Das Collegium Musicum unter der
Leitung von Herrn P. Tegethoff untermalte mit barocken und vorklassischen
Klängen den „Staatsakt". Unser Abiturient Clemens Kühn
bewies sein meisterhaftes Können als Pianist, als er zur Einweihung
unseres neuen Konzertflügels ein Klavierkonzert von D. von Dittersdorf
zusammen mit dem Orchester darbot.
"Die Brücke", Schülerzeitung der Kardinal-von-Galen-Schule,
Ausgabe 1965/1
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P. Termathe bei der Begrüßungsansprache |
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Titelblatt des Programms zur Abiturfeier |
...Wohin? Sie haben mit dem Entwurf Ihrer Abiturkarte
diese Frage schon selbst beantwortet. Auf dunklem Hintergrund führt
ein Weg bergan. Plötzlich bricht dieser Weg ab; er wird durch einen
dunklen Graben abgeschnitten. Oberhalb dieses Grabens leuchtet eine
weiße Halbkugel. Wie haben Sie nun Ihr Fortgehen selbst interpretiert?
Zunächst einmal geht der Weg weiter; das Abitur ist kein Ende,
sondern ein neuer Anfang. Dann führt der Weg bergauf. Bisher haben
viele Menschen Sie geführt, jetzt müssen Sie allein weitergehen
- und ich darf wohl im Namen aller Lehrer sagen, dass unsere diesjährigen
Abiturienten dazu fähig und bereit sind. Aber oft werden Sie noch
auf Ihrem Lebensweg an einem Graben in Verlegenheit stehen. Aber Sie
wissen ja, dass eine solche Verlegenheit fruchtbar sein kann. Sie zwingt
zum Nachdenken und Fragen, zur Demut und Schlichtheit. In solchen aporetischen
Situationen gilt es also, nicht zu verzagen und zu verzweifeln. Denn
oberhalb des Grabens steht die leuchtende Sonne. Und Sie sollten auch
- und besonders in solchen Stunden - immer daran denken:
Alles Licht kommt von oben, das Licht der Wahrheit und der Erkenntnis.
Aus der Abiturrede von Alfons Borgmann
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Unterprima [Klasse 12] 1964 |
Erinnerungen
[…] 1980 hatten wir uns, fünfzehn Jahre
nach unserem Abitur, erstmals wieder getroffen, sämtlich inzwischen
in eigenen Lebenskreisen beheimatet und in verschiedenen Berufen tätig
- als Studienräte, Hochschullehrer, Richter, Mediziner, Bibliothekare,
Seelsorger und Soziologen. Unmittelbar zu spüren aber war - das
erscheint mir für diesen Rückblick nicht unwichtig - immer
noch die prägende Kraft Hiltrups. […]
Musisches Klima und humanistisches Denken waren die Eckpfeiler. Ich
bin mir nicht sicher, ob wir eigentlich richtig etwas „gelernt“
haben - in dem vordergründigen Sinne einer Wissensvermittlungsanstalt
-, will aber auch nicht sagen, dass Hiltrup gleichsam ein Hort des Schöngeistigen
war - in dem überzogenen Sinne einer Bildungsanstalt. Die Wahrheit
dürfte in der Mitte liegen:
Die humanistische Ausrichtung versagte sich
einem auf pure Zwecke reduzierten Lern- und Lebensideal, verleugnete
aber nicht die konsequente und angestrengte Auseinandersetzung mit Sachen.
„Lernen“, „Denken“, „Fühlen“,
„Reflexion“, „Bildung“, „Handwerk“,
„Kreativität“ waren in einer überaus glücklichen
Balance. Wenn „Hochschulreife“ und „Studierfähigkeit“
bedeuten: die Existenz einer stabilen geistigen Mitte, das Vermögen
zu eigenständigen Arbeiten und die Verfügung über innerlich
verarbeitetes Wissen - dann hat Hiltrup genau dies zu vermitteln gewusst.
Versuch eines Fazits: Die Ausbildung von Herz-Jesu-Missionaren
war das Anliegen Hiltrups. Nur einer von uns ist jedoch Priester geworden;
den Gründen dafür nachzugehen ist hier nicht der Ort. Es spricht
jedoch für das damalige Hiltrup, dass alle, ungeachtet ihrer letztem
Entscheidung, ohne jeden Vorbehalt betreut wurden. Ich selbst habe,
ein halbes Jahr vor dem Abitur, das Internat verlassen und wurde „Externer“
- in der Erkenntnis, nicht Priester werden zu können und darum
die Vergünstigungen des Internates nicht weiter im Anspruch nehmen
zu dürfen. Weder bis zum noch im Abitur erwuchsen mir daraus irgendein
Nachteil oder auch nur ein abschätziger Blick. Ich erwähne
dies private Detail ausdrücklich, weil sich daran eine geistige
Toleranz und ein menschlicher Respekt zeigen, die für Hiltrup charakteristisch
waren und die uns wiederum geformt haben.
[…] Um es sehr persönlich zu formulieren: Ich wäre beruhigt
und froh, wenn heute eine Schule meinen eigenem Kindern das mit auf
den Weg geben könnte, was in uns seinerzeit grundgelegt wurde.
Clemens Kühn in: Reifezeugnis 1952 - Zeugnis der allgemeinen
Hochschulreife 1982, Münster 1982 |
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