Abiturientia 1963


Dieter Afhüppe, Theo Bäumer, Gerhard Friederich, Ludger Henneken, Jürgen Knepper, Rolf Mayr, Heiner Pösentrup, Udo Reisener, Johannes Schreiber, Klaus Schwöppe, Siegfried Sommer, Meinhard Wittwer

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Erinnerungen


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Redner bei der Abiturfeier: ein Sextaner, der Sprecher der Abiturienten und Herr Lücke
Erinnerungen an die ehemalige „Penne“, es erscheint schwierig; das letzte gemeinsame Zusammenkommen unseres Abiturjahrganges 1963 fand anlässlich der Feierstunde statt, bei der die Reifezeugnisse ausgegeben wurden, ein späteres Treffen der gesamten damaligen Oberprima ist - leider - bisher (noch) nicht zustande gekommen.
Einige Erinnerungen, zum Teil vage, zum Teil nur als Detail, seien jedoch gern angedeutet:
Es begann mit der obligatorischen Aufnahmeprüfung: Diktat, Nacherzählung, Rechenaufgaben, Vorlesen, dann das bange Zittern bis zur Entscheidung. Die Einschulung erfolgte Ostern 1954 in einen Nebenraum der alten Klosterkapelle. Die Sexta a hatte ihren Klassenraum zwischen Gängen, in denen Ausstellungsstücke aus den Missionsgebieten in Vitrinen ausgestellt waren. Die Erinnerungen verblassen: Übersetzen ins Lateinische, „ideologisch“ verbissen geführte Fußballspiele „Ex“ gegen „In“, gemeint waren 14 externe Schüler gegen 23 Schüler des Internats, Rodelpartie am „Monte Ski“, Schwimmen in alten „Klosterbad“, von uns „Zölibad“ genannt. Hämisch bemitleideten wir externen Schüler die Mitschüler des Internats, weil sie in einem „Studiersaal“ von 16 - 19 Uhr ein vorgeschriebenes Silentium ableisten mussten.
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Zeugnisausgabe durch Direktor P. Termathe und Klassenlehrer P. Rittmann
Triumphierendes Aufatmen in der Quinta: Der gestrenge und gefürchtete Deutschlehrer Feldmann gab den Deutschunterricht an den damaligen Direktor Dr. Rademacher ab, der jedoch zumeist erst zum Ende der Stunde erschien, weil er ständig an der Baustelle des Neubaus (jetziger Altbau) sein musste. Bücher wurden auf den Schülerbuchmarkt ge- und verkauft. Ehrgeiz wurde entwickelt, den Übergang in die neue Klasse „kostenneutral“ abzuwickeln. In der Untertertia belegten wir das neue Schulgebäude; harmlose und böswillige Streiche in Physik- und Biologieraum wurden durch den Griechischlehrer Termathe wieder wettgemacht, Griechisch erforderte den gleichen Zeitaufwand an Arbeit wie die übrigen Fächer. Untersekunda: Wieder Wechsel in den Altbau (weißes Gebäude), Wechsel der Lehrer in Latein, Griechisch, Deutsch. Die jungen Assessoren Borgmann und Böcker traten auf den Plan. Die Griechischlektionen von OStD. a. D. Feil arteten zu Grotesken aus. Homer und Xenophon, Herodot. Die Grammatik saß, die Vokabeln waren schier nicht erlernbar.
Obersekunda, ein neuer Assessor in Latein (Lücke); neue Methoden, weniger Grammatik, freieres Übersetzen…
Die Einjährigenfahrt, erster und einziger Ausflug der gesamten Schulzeit: 1 Tag Möhnesee; Übernachtung im Kloster Oeventrop. Abends gab es für jeden Teilnehmer 2 Flaschen Bier; die Nacht war schrecklich, da man vergessen hatte, vorher die gewissen Örtlichkeiten in den versteckten Klostergängen ausfindig zu machen.
Schließlich die Prima: Immer mehr Interne verließen das Internat, „sprangen“ ab, unsere Klasse war auf 18 - 20 Schüler geschrumpft, der kleinste Raum in Neubau reichte.
Lyrik des Sturm und Drang, schließlich Wallenstein und Faust 1, Integral- und Differentialrechnung, Tacitus und Thukydides, 2 Kunststudienfahrten (Westfalen und Rheinland, nicht mehr und nicht weniger) je 4 Tage, Doppelkopp in den Pausen und in ein Sportabitur in einer vorsintflutlichen Turnhalle, die ersehnte Zulassung zum Abitur, schließlich 4 Vormittage schriftliche Klausuren (Deutsch, Mathematik, Latein, Griechisch) und zuletzt das mündliche Abitur.
Geheim waren die Fächer, die Noten, die Vorzensuren, schwarzer Anzug war Pflicht, die Überraschung und Auflösung des Geheimmisses kam in der „Schwitzbude“. Abschließend der ungewohnte Auftritt vor den gesamten Lehrerkollegium, man sollte nun beweisen, welchen Wissens- und Reifegrad 9 Jahre Penne erbracht hatten.
So erinnert man sich an einige unvollständige, flüchtige und unsystematische Impressionen, dahinter stecken Namen, Lehrertypen, Schülerschicksale, Fleiß, aber auch ohnmächtige Auflehnung gegen das, was man heute „Schulstress“ nennt.
Udo Reisener in: Reifezeugnis 1952 - Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife 1982, Münster 1982
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Quinta [Klasse 6] 1955/56 mit P. Dr. Templin

Loslassen ist schwer – Abschied von Pomio


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Auf Einkaufstour mit der Haushälterin Abschiedsfeier Die Frauen verabschieden mich mit einem großem Tanz

Als Ordenspriester, der mit dem Gelübde der Armut vertraut ist, sollte ich gelernt haben, mich von Dingen und Menschen zu trennen. Aber ich muss gestehen: dieses Let-go entpuppte sich mir als ein hartnäckiges Kopfzerbrechen nach 30 Jahren Seelsorge in Pomio – einer Pfarrei mit 6.000 Mitgliedern an der Südküste der Insel New Britain. Ich klebte fest: an meinen Gläubigen, die ich alle genau kenne, jeden mit seiner eigenen Geschichte, jung und alt – an den Gebäuden, die ich errichtet habe und die zu bezahlen mir viel Sorgen bereitete. Es fiel mir schwer, Sachen loszulassen, die Verwandte, Freunde und Wohltäter zum Teil mitfinanziert hatten. Ich hing so fest an den vielen Ehen und Familien, ich gehörte doch zu ihrem Schicksal, ihren Sorgen und Freuden. Ich konnte die Kinder nicht loslassen, diese wunderbaren Muntermacher in meinem Alltag.
Aber die eigene Natur mischt oft mit bei Entscheidungen und hilft nach! Da kommt dann urplötzlich das Aha-Erlebnis. Ich will z.B. rasant ins Boot steigen – da zuckt und knackt es in Knie und Rücken, das Kreuz schmerzt. Ich versuche, das grinsende Gesicht des Kapitäns zu ignorieren. „Relax, Pater“ schmeichelt er, und zieht mich wie einen nassen Kopra-Sack ins Boot. Ich vergesse auch Namen und muss mir Denkzettel schreiben. Ich werde schneller schlapp, lustlos und verschiebe gern anstehende Aufgaben auf später. Da fällt mir ein: ich bin ja schon 72 Jahre! Ich muss kürzer treten. Ich ärgere mich auch schneller, kleine Lappalien regen mich auf, bin schon mal grob, nörgele unnötig an meiner Haushälterin herum, weiß alles besser. Wenn ich es merke, bin ich verwirrt, mache mir Sorgen, spiele den starken Mann.
Doch die Leute wissen längst um meine Krise: Sie begegnen mir wie immer freundlich und respektvoll wie den alten Leuten im Dorf. Die Jugendlichen messen und beurteilen den Grad meines Älterwerdens nach dem Maße, wie ich auf ihre moderne Computermusik reagiere. Sie stellen fest, unser Pater hört unsere Musik auf seinem Handy, also ist er noch nicht so alt.
So kommt der Tag, an dem ich vor meinem Erzbischof das Handtuch werfe. Zögernd akzeptiert er mein Los-Lass-Gesuch. Alles ist leichter gesagt als getan. Doch am folgenden Sonntag reiße ich mich zusammen und teile meinen Leuten meinen Entschluss mit. Er schlägt ein wie eine Bombe – nervöses Knistern und Rumoren in den Bänken, dann Tränen. Und auf dem Kirchplatz aufgeregtes Gedränge. „Pater, du darfst nicht einfach weggehen, du bist doch erst 72, wir haben dich schließlich groß gefüttert, bitte bleib noch.“
Nach drei Wochen eine unvergessliche Abschiedsfeier: Reden, Tänze, Chöre und große Mengen Speisen. Die Frauen haben sich übertroffen: Sie haben zu Hause vorgekocht und das Essen zusammengetragen auf langen Tischreihen. Im Laufe des Festessens überraschen mich die Mütter mit einer besonderen Tanzeinlage. 24 Frauen, alle in den T-Shirts und Jeanshosen der Männer, bieten einen schmissigen Rock`n Roll`. Die Rede des Lehrers, nicht gerade mein Freund, klingt mir bis heute nach: „Pater; ich danke dir persönlich und auch im Namen vieler Familien, dass du unsere Ehen eingesegnet, unser Kinder getauft und zum Kommunion geführt hast. Dank dir auch, dass du unsere Sterbenden für den Himmel vorbereitet hast.“ Dieser
Mann weiß um die Hauptaufgaben des Priesters!
Nun genieße ich meinen Heimaturlaub bei meinen Mitbrüdern in Hiltrup. Auch sie haben losgelassen und nach einem erfüllten Arbeitsleben als Priester und Missionar die Aufgaben in jüngere Hände gelegt. Respekt, Dank und Hochachtung allen meinen Mitbrüdern! Auch die vielen Gräber auf unserem Klosterfriedhof lehren mich, weiterhin treu zu meiner Berufung zu stehen.
Ich wage einen Neuanfang – als Krankenhausseelsorger in Vunapope. Mein Bischof sagt, die Aufgabe sei dringend und mir angemessen. Die Christen in Pomio haben meinen Nachfolger akzeptiert und sorgen gut für ihn, wie ich höre.
Meinhard Wittwer