Das alte Missionshaus war ideal konzipiert für das damalige ungegliederte patriarchalische Einheitssystem. Das Gruppensystem und vor allem die verdoppelte Schülerzahl für ein neunjähriges Gymnasium fordert zwingend eine andere Raumaufteilung und zweckmäßigere Nutzung des Bauvolumens. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Der Gedanke, die zu hohen Stockwerke zu halbieren ohne Verletzung der Außenfront, taucht auf, wird diskutiert und als zu teuer verworfen. (Der jetztige [1986] aufwendige Umbau zum Studienheim mag an diese Lösung erinnern.) Eine zweite Überlegung geht dahin, den Südflügel bis zur „chinesischen Mauer“ auszudehnen und so neue Schul- und Internatsräume zu schaffen. Der Hausarchitekt Wucherpfennig - Sohn des Missionshauserbauers - legt erste Baupläne vor. Nach reiflicher Überlegung werden sie als ungeeignet verworfen, vor allem weil die Vermischung und Kombination von Schul- und Internatsräumen dem pädagogischen Neuansatz widersprechen.
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Internatsatmosphäre „unterm Dach“ ca. 1965 | Unterricht „unterm Dach“ bei Herrn Dr. Poethen |
Als dritte Lösung bietet sich die Aufteilung der Schlafsäle mit Ausbau des sanierungsbedürftigen Dachstuhls an. Ein annehmbarer Vorschlag! Aber wie so oft, der Teufel sitzt im Detail. Der Bauherr und die Präfekten legen Wert auf ein breites Fensterband im Dachstuhl mit viel Licht und Luft. Der Architekt plädiert für kleine, dem gotischen Stil angepasste Dachfenster. Um die Stilwidrigkeiten zu mildern und Platz zu schaffen für den Fensterausbau, sollen die gotischen Giebel mit ihrem Zierat abgetragen werden. Dieser Vorschlag bereitet dem Architekten fast einen physischen Schmerz. Er beschwört uns, ihm die Bilderstürmerei nicht zuzumuten. Ich erinnere mich an seinen Ausspruch bei einem Lokaltermin auf dem Schulhof vor dem Südflügel: „Mein Vater wird sich im Grabe umdrehen, das Missionshaus wird aussehen wie ein gerupftes Huhn!“. Die pragmatische Pädagogik siegt, die Neogotik unterliegt. Mein persönliches Empfinden heute [1986] nach 30 Jahren: Eine kulturelle Sternstunde war diese rein pädagogische Entscheidung nicht. Ein Trost, der Turm, der damals ebenfalls „wackelte“, ragt noch - hoffentlich für lange Zeit - als neogotisches Wahrzeichen in den Hiltruper Himmel. Der Innenausbau kann bei den steigenden Schülerzahlen nicht allen Idealvorstellungen gerecht werden. Aber es ist immerhin möglich, fünf Internatsgruppen, voneinander getrennt, mit eigenem Tagesrhythmus zu installieren.