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Westfälische Nachrichten, Juni 1946 |
Wiedereröffnung der Schule als
„Kardinal-von-Galen-Schule“ 1946
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Nach dem Festakt zur Wiedereröffnung: Dompropst Echelmeyer (vorn M.), Regierungspräsident Hackethal (r. daneben), Schulleiter P. Dr. Rademacher (hinten, 2. v. l.) und weitere Honoratioren (s. auch Zeitungsartikel) |
Seit dem 1. 4. 1945 wurde das im wesentlichen von Bomben verschonte Kloster, in dem seit 1941 die Gauleitung des Reichsarbeitsdienstes ihren Sitz gehabt hatte, von Militär und ehemaligen polnischen Fremdarbeitern bewohnt. Erst dann konnten Patres und Brüder wenigstens in den Nordflügel der Gebäude zurückkehren. Schon zu Anfang November 1945 wurden auf einer Tagung der Leiter von Ordensschulen im Schwesternhaus in Hiltrup Pläne zur Wiedereröffnung der
Schule besprochen. Nach einem Aufruf der Missionare zu Weihnachten 1945 bewarb sich Anfang Januar 1946 der erste Schüler für das Internat. Noch Mitte Januar wurde P. Dr. Heinrich Rademacher, der als Leiter der Schule vorgesehen war, vom Provinzial des Ordens beauftragt, den Antrag auf Neueröffnung der Schule vorzubereiten. Am 30. 1. 1946 lag er dem Schulkollegium als zuständiger Schulbehörde vor mit der Bitte, „die ungerechte Schließung (der Schule)
rückgängig zu machen und die Genehmigung zu ihrer Eröffnung für den Beginn des neuen Schuljahres, Ostern 1946, zu erteilen“. Ziel der Ausbildung sollte nach wie vor nur die Heranbildung für den Ordensnachwuchs sein. Dafür war ein achtklassiges Gymnasium geplant, das Ostern mit 30 Jungen beginnen und schließlich 200 Schüler im Internat haben sollte. […]
Als Alternative blieb nur die bisherige Lösung, d. h. eine Nachwuchsschule ohne Abitur oder […] die Eröffnung einer privaten, staatlich anerkannten Schule mit Abiturberechtigung, aber auch für externe Schüler aus Hiltrup und Umgebung. Die Genehmigung eines solchen Antrages und die finanzielle Förderung der Schule könnten, so damals das Schulkollegium, garantiert werden. Damit stand der Provinzialrat des Ordens in Hiltrup vor einer schwierigen Entscheidung, zumal die Zeit drängte. Er entschied sich schließlich für die zweite Lösung. […]
Am 13. Juni war der Hiltruper Antrag von der Militärregierung genehmigt worden. […] Am 19. Juni 1946 wurde für 30 Schüler die damals noch notwendige Aufnahmeprüfung für den Besuch des Gymnasiums durchgeführt: Alle bis auf einen bestanden. Als Lehrer waren zunächst zugelassen: P. Dr. Heinrich Rademacher (Kath. Rel., Deutsch, Englisch, als Direktor); P. Dr. Josef Dephoff (Deutsch, Geschichte, Religion und Geographie); P. Dr. Wilhelm Templin (Latein, Griechisch, Geschichte); P. Johannes Löbbert (Latein, Griechisch, Französisch, Religion). Alle mußten vor Unterrichtsbeginn im Oberpräsidium eine Erklärung unterschreiben, daß sie nichts lehren würden, was zur Verherrlichung des Militarismus oder zur Verbreitung der Lehren des Nationalsozialismus oder zur Begünstigung einer Politik der Unterschiede aufgrund von Rasse oder Religion, zur Störung der Vereinten Nationen oder zur Vorbereitung eines Krieges dienen könnte, und daß Sport keinesfalls einer militärischen Ertüchtigung dienen dürfe.
Am 17. Juni wurde P. Dr. Rademacher auch offiziell zum Direktor bestellt. […]
Von 1935 - 1937 war er schon als Lehrer an der Hiltruper Schule tätig gewesen.
Auch die anderen jetzt wieder als Lehrer zugelassenen Patres waren schon vor
1940 in Hiltrup gewesen und brachten trotz des scharfen Einschnittes ein Stück
Kontinuität in die Geschichte der Schule mit, das unter den damaligen Verhältnissen
nicht gering zu veranschlagen ist: P. Templin hatte seit 1922, P. Dephoff seit
1931, P. Löbbert seit 1932 an der Hiltruper Missionsschule unterrichtet.
Auch P. Heinrich Thomas (Mathematik, Physik, Biologie und Religion) und P. Antonius
Riedl (Mathematik, Physik, Chemie), für die bei der Schulbehörde Genehmigungsanträge
und Entnazifizierungsfragebogen nachgereicht wurden, waren schon seit 1920 an
der Schule tätig gewesen.
Schon vor der offiziellen Genehmigung waren die Vorbereitungen für den
Beginn so weit wie möglich vorangetrieben worden. So konnten die ersten
21 Schüler für das Internat bereits am 21. Juni 1946 anreisen. Das
war nicht selbstverständlich, mußte doch der weitaus größere
Teil der Hiltruper Gebäude der ausgebombten Raphaelsklinik zur Verfügung
gestellt werden. Sie nahm gut zwei Drittel des Klosters und vor allem die alte
Internatsküche für sich in Anspruch. […] Die Vorbereitungen
für die Eröffnung 1946 betrafen aber auch die Namensgebung der Schule.
Schon am 14. Juni konnte Provinzial P. Hepers vor dem Provinzialrat berichten,
der Bruder des Kardinals, Graf Franz von Galen, der selbst in einem KZ gelitten
hatte, habe mit Schreiben vom 9.5. zugestimmt, der neuen Schule den Namen des
Kardinals zu geben: In der Antwort auf die Einladung zur für den 24. Juni
festgesetzten Eröffnung der Schule, an der er nicht teilnehmen konnte,
fügte Franz von Galen hinzu: „Der wiedererstehenden Apostolischen
Schule gelten unsere besten Wünsche. Mögen aus ihr zahlreiche Männer
hervorgehen, die als wahre Apostel und Streiter Christi - wie der Kardinal Clemens
August - alles, selbst das Leben einsetzen für die Sache Christi, unseres
Königs und Herren!“ […]
Männer der ersten Stunde |
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Alte Schulbänke gab es noch in den 50er Jahren:
Unterricht bei P. Springob im alten Missionshaus |
P. Bernhard Bessen mit „seinem“ Chor
auf einem der ersten Ausflüge |
Lebensnaher Physikunterricht bei P. Dr. Kirscht
anlässlich der Sonnenfinsternis 1954 |
Musikunterricht bei P. Wilhelm Tegethoff,
Ende der 50er Jahre |
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P. Johannes Löbbert
unterrichtete Latein,
Griechisch und Französisch |
Sport- und Kunstlehrer
Herbert Deutsch, einer der wenigen "Weltlichen" am KvG |
P. Gerhard Termathe,
der P. Rademacher 1959
als Schulleiter nachfolgte |
P. Dr. Heinrich Rademacher,
der erste Schulleiter des KvG,
bei einer Abiturfeier |
P. Anton Riedl,
der schon seit 1920 am Hiltruper
Gymnasium unterrichtet hatte |
P. Josef Winter,
der erste
Internatsleiter |
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Erdkundeunterricht
bei
P. Dr. Josef Dephoff |
Herr Feil, pensionierter Oberstudiendirektor,
half in Zeiten des Lehrermangels über
mehrere Jahre im Unterricht aus |
P. Wilhelm Templin
und seine spezielle Leidenschaft,
die Bienenzucht |
Studienrat Karl Zwirner (2.v.l.)
bei einer Feier zur
"Mittleren Reife" |
Die Feier, zu der zahlreiche Glückwünsche, u. a. auch durch den
Regierungspräsidenten, den Landrat und Oberkreisdirektor des Kreises
Münster eingingen, wurde durch den Chorgesang der 39 Sextaner eingerahmt,
für die am 25. Juni 1946 der Schulalltag begann. Gleichzeitig wurde für
zwölf Schüler ein Sonderkurs eingerichtet. Er sollte den für
die Sexta überalterten Schülern Gelegenheit bieten, die durch die
Kriegswirren verlorengegangenen Schuljahre aufzuholen. Bereits nach den Sommerferien
1946 stieg die Zahl der Schüler auf 67, davon 36 Externe. Immerhin war
es möglich, stundenplanmäßigen Unterricht ohne Wechselschichten,
unter denen damals die meisten Schulen sehr litten, auch für die Sonderkurse,
zu erteilen. Dank des in der Kapelle des Klosters während des Krieges
aufbewahrten und so erhaltenen Schulbuchbestandes, vor allem im sprachlichen
und naturwissenschaftlichen Bereich, war die Situation sogar günstiger
als an anderen Gymnasien, zumal da nun allmählich auch wieder neue Schulbücher
genehmigt wurden und bei anhaltender Papierknappheit sogar erscheinen konnten.
Dennoch war der Betrieb einer Schule denkbar schwierig: z.B. wurde im Winter
1946/47 zum ersten Mal am 28. Oktober geheizt - und damals hatten die Schüler
noch keine Jacken mit Teddyfutter! […]
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Schulchronik-Eintrag vom 28. 10. 1946 |
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Schulchronik-Eintrag vom 12. 04. 1948 |
Aus den wenigen noch erhaltenen Akten ist nur schwer ablesbar, was damals
den Schulalltag bestimmte bis hin zu Schulspeisung und Fahrproblemen der externen
Schüler, welches die Höhepunkte eines Schuljahres waren, vom Verhältnis
zwischen Lehrern und Schülern oder von der Atmosphäre der Schule
oder gar der Eigenart einer Klasse ganz zu schweigen. Akten geben nur dürre
Fakten, den äußeren Rahmen, der nur ganz von ferne ahnen läßt,
unter welchen Bedingungen Schule damals stattfand, gelehrt und gelernt wurde:
Noch 1950 mußte der Unterricht am 10. Dezember wegen Kohlenmangels eingestellt
werden. Bis Ende Januar 1951 hatten die unteren Klassen nur jeden 2. Tag Schule.
Erst im Winter 1951/52 gelang es zum ersten Mal, dank einer klug durchgeführten
Brennstoffbeschaffung, den Unterricht ohne Unterbrechung durch den ganzen
Winter zu erteilen. […]
Wie viele Schüler aus Hiltrup damals schon die Schule besuchten, steht
nicht fest. Sehr viele waren es sicher nicht, denn einmal mußten nach
wie vor diejenigen, die ein neusprachliches oder naturwissenschaftliches Gymnasium
besuchen wollten, nach Münster fahren, zum anderen mußte sich auch
in Hiltrup erst herumsprechen, daß die Schule nun nicht mehr reine Nachwuchsschule
für den Orden, eben „Paterschule“ war. Das betraf nur das
Internat. […]
Die Sexten im Schuljahr 1946/47 hatten neun Stunden Latein, fünf Stunden
Deutsch- und Geschichtserzählungen - das Fach Geschichte wurde erst später
wieder zugelassen -, zwei Stunden Religion, drei Mathematik, zwei Biologie,
zwei Zeichnen, zwei Erdkunde, zwei Musik und zwei Sport. Im Schnitt wurde
täglich fünf Stunden Unterricht erteilt, jedoch nur vormittags.
[…]
In den voranliegenden Jahren waren immer wieder Engpässe in der Besetzung
einzelner Fächer aufgetreten. So musste nach Einführung neuer Stundentafeln
im Mai 1950 der Biologieunterricht ausfallen, weil das Schulkollegium keinen
entsprechend ausgebildeten Lehrer zuweisen konnte, und bei den Patres niemand
mit entsprechender Ausbildung vorhanden war. In anderen Fächern konnte
leichter Abhilfe geschaffen werden: so vor allem in Latein und Griechisch,
wo in den Jahren 1950-51 Patres mit langjähriger Unterrichtserfahrung,
aber ohne Staatsprüfung, einspringen konnten. Das Schulkollegium rügte
pflichtgemäß, wußte jedoch keine Abhilfe zu schaffen. Auch
das Fach Englisch war 1951 schwer zu besetzen […] Damals übernahm
Direktor Rademacher einen Teil dieses Unterrichtes. Eine Folge war auch, daß
die beiden Untertertien zeitweise wieder zusammengelegt werden mußten
(1951). […]
Dr. Wolfgang Knackstedt: Die Geschichte der Kardinal-von-Galen-Schule von 1946 bis 1986. In: Kardinal-von-Galen-Schule 1946-1986, Münster 1986