Bischof Galen (begleitet von P. Anton Riedl MSC) zu Besuch im Hiltruper Schwesternhaus, ca. 1938

Beschlagnahme des Missionshauses 1941

Die Machtübernahme durch Adolf Hitler 1933 trifft die Freien Schulen in Deutschland wie ein Rauhreif in der Frühlingsnacht. Dem Schulträger der Hiltruper Schule wird immer klarer, dass ihm nur eine Galgenfrist geschenkt ist, bis die Apostolische Schule der Gleichschaltung oder dem radikalen Verbot zum Opfer fällt. […] Bis zum 1. 4. 1940 müssen alle Apostolischen Schulen in Deutschland schließen. Am 18. 3. 1940 verlassen die letzten Schüler Hiltrup.

P. Karl Springob MSC: Kardinal-von-Galen-Schule. In: Kardinal-von-Galen-Schule 1946-1986. Festschrift zum 40jährigen Jubiläum, Münster 1986

[…] als am Morgen des 19. Juli 1941 auf zwei Lastwagen etwa 30-40 Gestapobeamte* zu einem Raubzug vor das Hiltruper Missionshaus gefahren kamen. Niemand hatte sie bemerkt, bis sie kurzerhand sämtliche Ausgänge des Klosters und des Geländes besetzten und ins Haus eindrangen, wo sogleich alle Insassen […] von ihrer Arbeit weg zusammengerufen und […] gefangengesetzt wurden. Nur der Superior des Hauses, P. Dr. Josef Kampschulte, der Provinzialverwalter P. Johannes Krampe, der Hausverwalter P. Martin Utsch und der Büro- und Propagandaleiter P. Maximilian Kaiser wurden herausgeholt, um die Gestapo bei der anschließenden Haussuchung zu begleiten.

Jeder der Insassen des Hauses kam nun zum Einzelverhör. Nach Feststellen der Personalien hatte dann jeder ein Schriftstück zu unterzeichnen: „Der Unterzeichnete nimmt zur Kenntnis, daß das Hiltruper Missionshaus aus staatspolitischen Gründen beschlagnahmt ist. Er verpflichtet sich, bis 20 Uhr am 19. 7. 41 Hiltrup und innerhalb von acht Tagen Westfalen und die Rheinprovinz zu verlassen. […]“

Aus der Predigt Bischof Galens vom 20. 7. 41:
„Vor wenigen Stunden bekam ich noch die Trauernachricht, daß gestern, am 19. Juli, zum Abschluß der zweiten Schreckensnacht für unser Münsterland, die Gestapo auch das deutsche Provinzialhaus der Missionare vom heiligsten Herzen Jesu, das euch bekannte große Missionskloster in Hiltrup, beschlagnahmt und enteignet hat. Die noch dort wohnenden Patres und Brüder mußten bis gestern abend 8 Uhr ihr Heim und ihren Besitz verlassen, auch sie sind aus Westfalen und der Rheinprovinz ausgewiesen. Die noch dort wohnenden Patres und Brüder: ich sage das mit besonderer Betonung, denn aus den Reihen der Hiltruper Missionare stehen zur Zeit, wie ich kürzlich erfuhr, 161 Männer als deutsche Soldaten im Felde, teilweise direkt vor dem Feind, 53 Patres sind als deutsche Sanitäter im Dienste der Verwundeten tätig; 42 Theologen und 66 Brüder dienen als Soldaten mit der Waffe dem Vaterland, sind teilweise schon mit dem Eisernen Kreuz, dem Sturmabzeichen und anderen Auszeichnungen geschmückt. [...]
Volksgemeinschaft mit den Männern, die unsere Ordensleute, unsere Brüder und Schwestern ohne Rechtsgrund, ohne Untersuchung, Verteidigungsmöglichkeit und Gerichtsurteil wie Freiwild aus dem Lande hetzen? Nein! Mit ihnen und allen dafür Verantwortlichen ist mir keine Gemeinschaft im Denken und Fühlen möglich. Ich werde sie nicht hassen, ich wünsche von Herzen, daß sie zur Einsicht kommen, daß sie sich bekehren!. […]
Wenn er hinreichend zäh, fest und hart ist, dann hält der Amboß meistens länger als der Hammer […] Wir sind der Amboß, nicht Hammer. Ihr könnt Eure Kinder nicht den Hammerschlägen der Glaubensfeindlichkeit und Kirchenfeindlichkeit entziehen. Aber auch der Amboß formt mit. Laßt das Elternhaus, laßt Eure Elternliebe und -treue, laßt Euer vorbildliches Christentum der starke, zähe, feste und unerschütterliche Amboß sein, der die Wucht der feindlichen Schläge auffängt, die die noch schwache Kraft der jungen Menschen stärkt und festigt in dem heiligen Willen, sich nicht verbiegen zu lassen aus der Richtung zu Gott. Was in dieser Zeit geschmiedet wird, sind fast ohne Ausnahme wir alle.“ (Schmidt-Schwanewilms, Mutige Sturmschar Christi MSC, Mönchengladbach 1947)

Nur einem einzigen Pater war es trotz der Absperrungen gelungen, […] aus dem Missionshaus zu entkommen. Er begab sich sofort zum Bischof von Münster, um ihm von den Vorfällen in Hiltrup zu berichten. So ist es verständlich, daß schon am folgenden Morgen, am Sonntag, dem 20. Juli 41, der Bischof Clemens August Graf von Galen die Kanzel der Überwasserkirche in Münster bestieg und seine berühmt gewordene Predigt hielt, worin er zu der Gewaltaktion der Gestapo grundsätzlich Stellung nahm und mannhaft für die Hiltruper Herz-Jesu-Missionare eintrat. […]

Nach der Vertreibung der Missionare richtete sich im Missionshaus zu Hiltrup der Führer des Arbeitsgaues XV Westfalen-Nord des Reichsarbeitsdienstes ein mitsamt seinem Stabe und der Verwaltung. Erst bei Kriegsende verließen sie beim Herannahen des Feindes fluchtartig das Haus.

Beim Herannahen der Alliierten im Frühjahr 1945 stand das Missionshaus leer. […] Zuerst machte ein farbiges Pionierkommando im Missionshaus Quartier, dann wurde es Sammellager für Zivilpolen. Am 12. 1. 46 räumten diese das Haus. Aber erst am 21. Januar 1946 wurde das Missionshaus von den Engländern amtlich zurückgegeben. Gewissenlose Ausplünderung sowie sinnlose Zerstörungswut zeigten überall ihre traurigen Spuren. […]

Am 8. 2. 46 wurde das Kloster neu benediziert. […] Am 24. 6. 46 konnte mit 19 Schülern die Apostolische Schule wiedereröffnet werden. […] Zum ehrenden Andenken an den mutigen Verteidiger der Klöster erhielt die Schule den Namen „Kardinal-von-Galen-Schule“. Im Missionshause wurde gleichzeitig auch ein Ausweichkrankenhaus der Raphaelsklinik aus Münster mit 150 Betten im Mittel- und Südflügel untergebracht.

P. Josef Rath MSC: Botschaft der Liebe, 1947
*Gestapo = „Geheime Staatspolizei“, Terrororganisation des 3. Reiches