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P. Jules Chevalier gründet den Orden 1854 und richtet in Chezal Benoît/Frankreich 1866 die erste Ordensschule ein |
P. Hubert Linckens eröffnet 1897 in Hiltrup das erste deutsche Ordenshaus der Herz-Jesu-Missionare |
Hiltruper Missionare
Ein Blick in die Geschichte
Der Gründer unserer Ordensgemeinschaft ist Jules Chevalier (1824 - 1907). Er kam mit 30 Jahren als Kaplan in die Kleinstadt Issoudun bei Bourges in Mittelfrankreich. Die katholische Kirche hatte in dieser Region damals keine große Bedeutung mehr. Der christliche Glaube war zunehmend geschwunden.
Hoffnungslosigkeit und Gleichgültigkeit machten sich breit.
Am Anfang stand für Chevalier die Herausforderung, in einer mehr und mehr entchristlichten Welt hilfreiche Antworten auf die Zeichen und Nöte der Zeit zu finden. Er sah in dem damals weit verbreiteten Bild vom “Herzen Jesu” eine Möglichkeit, den Menschen von der einzigartigen Liebe Gottes zu erzählen. Mit einigen gleichgesinnten Priestern begann er sein Werk Die Gruppe lebte in einem Wohnhaus; ihre Kapelle war eine alte Scheune. Die Anfänge waren äußerst schwierig. Nach 25 Jahren zählte die Gemeinschaft erst 67 Mitglieder. Sie nannten sich „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ und pflegten eine besondere Verehrung der Gottesmutter Maria als „Unsere Liebe Frau vom Heiligsten Herzen Jesu“.
1880 verbot eine kirchenfeindliche Gesetzgebung alle kirchlichen Gemeinschaften in Frankreich. Damit verloren auch wir Herz-Jesu-Missionare unsere Daseinsberechtigung.
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Festschrift zur 50-Jahr-Feier der ersten Schulgründung des Ordens
1917 |
Missionsabschiedsfeier in der Klosterkapelle Hiltrup 1932 |
Die Gemeinschaft bekam aber damals von Papst Leo XIII. den Auftrag zur Missionsarbeit
in der Südsee (Papua-Neuguinea) und setzte neben den Anfängen in Italien
und den USA auf neue Niederlassungen in Holland, Spanien, England und Irland,
später auch in Australien und Belgien.
1888 wurde mit dem Missionshaus in Salzburg-Liefering ein erstes deutschsprachiges Haus offiziell errichtet. Hier liegen die Anfänge für die beiden „deutschen“ Provinzen unserer Gemeinschaft, die heute bestehen: die süddeutsch-österreichische mit dem Stammhaus Liefering und die norddeutsche mit dem Sitz in Münster-Hiltrup (seit 1897).
Geschichte der norddeutschen Provinz
Schwieriger Anfang
Die Entwicklung der Ordensgemeinschaft hängt wesentlich von der Politik ab.
So wurden die ersten französischen Ordensmitglieder durch die kirchenfeindliche
Politik der Dritten Republik aus Frankreich vertrieben. Sie suchten neue Aufgabenfelder
in der Südseemission, im niederländischen Tilburg (1881) und im belgischen
Antwerpen (1886). Dort kamen auch immer mehr deutsche Schüler mit dem Orden
in Verbindung und schlossen sich ihm durch die Gelübde an. Aber alle Bemühungen
um eine Niederlassung in Deutschland waren zunächst fruchtlos.
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Missionsausstellung in der Halle Münsterland 1956 |
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Nach jahrelangen Versuchen konnte 1888 in Salzburg-Liefering das erste Ordenshaus
auf deutschsprachigem Boden eröffnet werden. 1896 gab die Regierung in Berlin
die Erlaubnis zum Bau eines Missionshauses. Die Ortswahl fiel auf Hiltrup bei
Münster, weil das katholische Münsterland die besten Voraussetzungen
bot für geistliche Berufe. Der Münstersche Bischof Hermann Dingelstad
war sehr aufgeschlossen. So konnte endlich mit dem Bau begonnen werden. Am 1.
September 1897 wurde die Ordensprovinz kanonisch errichtet, am 13. Dezember 1897
wurde das Missionshaus an der Hammer Straße feierlich eingeweiht. 8 Patres,
14 Brüder und 22 Studenten zogen von Antwerpen in das neue Haus. Erster Superior
(Oberer) wurde Pater Hubert Linckens. Er war Holländer, hatte in Antwerpen
unterrichtet und wurde mit dem Bau des Hiltruper Hauses beauftragt. Mit Ausdauer
und Geschick bewältigte er die schwierige Aufgabe! Seit dieser Zeit heißen
die Herz-Jesu-Missionare im westfälischen Raum Hiltruper Missionare.
Das Entgegenkommen der preußischen Regierung hatte auch eigensüchtige
Motive: Die deutschen Missionare sollten in die neuen Kolonialgebiete in der Südsee
gehen und dort die französischen Mitbrüder ablösen. So geschah
es auch, und seitdem missioniert die norddeutsche Provinz im heutigen Papua-Neuguinea.
Als die Missionare Schwestern anforderten, wurde die Einreise französischer
Schwestern nicht erlaubt. Darum gründete Pater Linckens 1900 die “Missionsschwestern
vom Hlst. Herzen Jesu (Hiltrup)” Sie arbeiten in vielen Ländern der
Welt mit den Herz-Jesu-Missionaren zusammen.
In kurzer Zeit kamen viele Schüler und Kandidaten, die in die Ordensgemeinschaft eintreten wollten. So wurde 1902 in Oeventrop bei Arnsberg eine eigene Ordenshochschule eröffnet. Aus ihr gingen – unterbrochen durch die Kriegszeit – in 70 Jahren über 500 Priester hervor!
1914 übernahm die Provinz das Jugendheim Johannesburg in Surwold bei Papenburg von der Diözese Osnabrück und entwickelte es im Laufe der Zeit zu einer mustergültigen Erziehungseinrichtung. 2003 gab der Orden die Trägerschaft ab.
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Entwicklung der Schulen in der norddeutschen Ordensprovinz bis 1986. Nach
einer Grafik aus: P. Karl Springob MSC, Kardinal-von-Galen-Schule. In:
Kardinal-von-Galen-Schule 1946-1986, Münster 1986 |
Blütezeit
Beim Silbernen Jubiläum 1922 hatte die deutsche Provinz 12 Niederlassungen,
einige auch in den USA, wo sich eine eigenständige Provinz entwickelte.
Als nach dem Ersten Weltkrieg, in dem 46 Ordensmitglieder fielen, Deutschland das ehem. Kolonialgebiet verlor und keine deutschen Missionare mehr einreisen konnten, verlegte sich die Provinz von der „Heidenmission“ auf die „Volksmission“ in Deutschland. Zu diesem Zweck wurden in Hamm und Oberhausen Niederlassungen gegründet. Viele Mitbrüder haben Jahrzehnte in diesem schwierigen Seelsorgsbereich gewirkt und viele Gemeinden durch die Volksmission erneuert.
1925 war die Zahl der Mitglieder so gewachsen, dass aus einer Provinz zwei wurden:
die norddeutsche mit Sitz in Hiltrup und die süddeutsch-österreichische
mit Sitz in Salzburg. Später wurde das Provinzialat nach Münster verlegt.
1927 übernahmen wir ein Missionsgebiet in China. Wegen der politisch chaotischen Verhältnisse, großer Entfernungen, mangelnder Ausrüstung usw.
hatten die Missionare es dort besonders schwer. Aber sie hielten als Seelsorger (gute Hirten) zu ihren Gemeinden und setzten sich mit aller Kraft ein. Mit der
kommunistischen Machtergreifung kam eine schwere Leidenszeit mit Verhaftungen und Ausweisungen. Mancher ist daran zerbrochen! 1951 kamen die letzten Chinamissionare
zurück.
1938 fuhren die ersten „Hiltruper“ nach Peru, wo sie zunächst
in Lima Gemeindearbeit und Religionsunterricht übernahmen. Später gingen
sie in die Anden und bauten eine Niederlassung in Huaraz auf. Diese wurde nach
einer Naturkatastrophe 1970 aufgegeben und der Schwerpunkt der Arbeit in die Prälatur
Caravelí verlagert, eine Andenregion im Süden, die der Gemeinschaft
1961 übertragen wurde. Diese leitet heute Bischof Bernardo Kühnel, und
einige Patres leiten Gemeinden. Zur Ausbildung des Ordensnachwuchses wurde in
Lima ein ordenseigenes Priesterseminar gebaut. In einer Vorstufe werden die Kandidaten
in Trujillo ausgebildet.
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Hundertjahrfeier der ersten Schulgründung des Ordens 1967 im Refektorium
des alten Missionshauses. Vorn links P. Johannes Coenenberg, gegenüber
Margot Schön; beide haben langjährig am KvG Musik unterrichtet. |
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Neues Kloster in Hiltrup um 1980 |
Kriegszeit
Die Naziherrschaft war für alle Orden eine schwere Zeit: 1935 wollte man
in den sog. Devisenprozessen den Spendenfluss in die Missionen unterbinden. Einige
Patres und Schwestern wurden sogar verhaftet.
Die Theologiestudenten, Patres und Brüder wurden Soldaten und dienten meist als Sanitäter. Den Hiltruper Monatsheften wurde kein Papier mehr bewilligt, und sie mußten ihr Erscheinen einstellen. Und das schlimmste Verbrechen: Die Gemeinschaften wurden im sog. Klostersturm aus ihren Häusern verjagt und diese von den Nazis für ihre Zwecke mißbraucht. Über 80 Mitglieder kamen durch den Krieg um. Die Patres, die nicht eingezogen wurden, arbeiteten im Krieg und nach dem Krieg in der norddeutschen Diaspora.
Wiederaufbau
Nach dem Krieg begann 1946 bereits die Kardinal-von-Galen-Schule, wie sie nun hieß, in Hiltrup mit dem Unterricht, und über 200 Jungen wohnten im angeschlossenen Internat. 1952 fand die Schule mit dem ersten Abitur die staatliche Anerkennung. Jedes Jahr gingen Abiturienten ins Noviziat nach Vussem in der Eifel, dann ins Philosophische Seminar nach Kleve und zur Theologie nach Oeventrop. Ebenso erfreulich war die Zahl der jungen Männer, die als Ordensbrüder die Gelübde ablegten und in Heimat und Mission als tüchtige Handwerker großartige Arbeit leisteten. So bauten sie die von den Japanern total zerstörte Mission in Neuguinea wieder auf.
Umbruch
1963 wurde in Homburg/Saar ein neues Internat eröffnet, das Hiltruper einige
Jahre später geschlossen. Aus dem Saarland und der Pfalz kamen viele Schüler
zu uns, und so entschlossen sich die Oberen auch für ein Gymnasium als Privatschule.
Das Kardinal-von-Galen-Gymnasium wurde 1975 vom Bistum Münster übernommen.
So verlagerte sich die pädagogische Arbeit vom Münsterland ins Saarland.
Viele Mitbrüder studierten verschiedene Fächer für den Unterricht
am Gymnasium und wirkten als Erzieher im Internat. Das Gymnasium Johanneum erlangte
schnell einen sehr guten Ruf und ist heute in vieler Hinsicht vorbildlich. 1100
Schüler und Schülerinnen besuchen es heute. Das Internat wurde in den
neunziger Jahren geschlossen und in ein Biomedizinisches Zentrum umgewidmet. Durch
den Austritt mancher Mitbrüder, Tod und ausbleibenden Nachwuchs musste die
Ordensprovinz die meisten Niederlassungen aufgeben und verkaufen. Das alte Missionshaus
in Hiltrup wird verkauft, 1975 das neue eingeweiht. Ebenso nach 70 Jahren das
alte Missionspriesterseminar in Oeventrop. Zwei Jahre später wird ein neues
Haus als Alterssitz für die Dozenten eingeweiht.
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Bischof Reinhard Lettmann zu Besuch im Hiltruper Kloster 1986 |
1997 feiert die Provinz in Hiltrup das große Jubiläum. 100 Jahre Deutsche
Provinz und Haus Hiltrup. Bei aller Freude über das Erreichte beherrscht
doch die Sorge um die Zukunft uns alle. Wie fast alle Ordensgemeinschaften sind
wir überaltert und haben keinen Nachwuchs. Darum ist heute eine neue Spiritualität
des Alters und Alterns nötig, die sich der engen Grenzen bewußt ist,
aber auch in einem hoffenden Vertrauen neue Wege sieht. Vielleicht sind die Gestalten
der Bibel neu zu entdecken,die oft in ähnlicher Lager waren und schier unerträglich
lange auf die Erfüllung der Verheißung warten mussten: Von Abraham
bis Simeon. Ihm legt der Evangelist die tröstenden Worte in den Mund: „Meine
Augen haben das Heil gesehen.“
P. Kees Koppers MSC (deutsche Übersetzung: Schwester Bartholomäa MSC) in: www.hiltruper-missionare.de
[Anmerkung: MSC = Missionarii Sacratissimi Cordis, Missionare vom heiligsten Herzen (Jesu)]
Unsere Gemeinschaft heute
Weltweit leben und arbeiten in unserer Gemeinschaft 2067 Brüder und Patres in 52 Ländern. Der Missionsgedanke hat sich erfreulicherweise gewandelt. Nicht wir bringen den „Heiden“ das Christentum und die Kultur, sondern wir sind gemeinsam auf dem Weg und haben über die Jahre viel voneinander gelernt. Herz-Jesu-Missionare aus Deutschland und Österreich leben und arbeiten in Papua-Neuguinea, in Brasilien, Peru, im Kongo und seit 1995 auch in der Slowakei.
Ein grundsätzlicher Anstoß Jules Chevaliers für seine Mitbrüder war der Auftrag, stets die Zeichen und Nöte der Zeit zu erkennen und dem
entsprechend zu handeln. So arbeiten heute Herz-Jesu-Missionare in den unterschiedlichsten Aufgabenfeldern: in der Pfarr- und Wallfahrtsseelsorge, an Hochschulen, Schulen und in Werkstätten, in der Internatserziehung und Berufsausbildung, in der Bildungsarbeit, in Beratung und Begleitung von Menschen in Krisensituationen, in Krankenhäusern und Kliniken, und bei uns in Steinerskirchen auch im biologischen Landbau des Klostergutes.
Wenn es irgendwie möglich ist, leben wir in kleinen Gemeinschaften, deren Tagesablauf durch gemeinsame Mahl- und Gebetszeiten ein wenig geordnet wird. In vielen Bereichen unserer eigenen Werke (Schule, Erziehung, Bildungsarbeit,...) wäre kaum eine qualifizierte Arbeit denkbar, wenn nicht Frauen und Männer in unserem Geist und aus christlicher Überzeugung die Verantwortung mit tragen würden.
Auch heute ist es unser Anliegen, die Liebe Gottes (von der wir überzeugt sind!) für die Menschen unserer Zeit durchsichtig zu machen und zu übersetzen. Sei es, daß wir einander im Glauben stärken, oder daß wir anderen beim Suchen helfen. Als Ordensleute sind wir in der je eigenen Arbeit ein Teil der Gesamtkirche, und dieser Verantwortung sind wir uns bewußt. Das heißt: wir werden versuchen, engagiert und kreativ in zeitgemäßer Form Kirche
zu gestalten.