Seelsorge in den peruanischen Anden organisieren

Seit einem Jahr wirkt der münstersche Priester Franz Anstett als Generalvikar in Caraveli/Peru

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Pfarrer Clemens Röer (Mitte) und Paul Thelosen bewundern die Kaninchen einer Schwesterngemeinschaft. Frömmigkeit und Andacht prägen das kirchliche Leben in den Gemeinden am Rand der Anden. Beim Besuch einer Schulklasse greift Franz Anstett zur Gitarre.
Der Generalvikar baut mit Unterstützung von Pfarrgemeinden und Verbänden aus dem Bistum Münster Projekte zur Gesundheit und Bildung aus.
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Lebensbedingungen in den peruanischen Anden

Vor gut einem Jahr bat der peruanische Bischof der Prälatur Caraveli, Juan Carlos Vera Plasencia vom Orden der Hiltruper Missionare, seinen ehemaligen Lehrer Franz Anstett [KvG-Abitur 1972], ihm bei seiner neuen Aufgabe als Generalvikar zur Seite zu stehen. Anstett, bis zum Frühjahr 2006 Diözesanpräses der Katholischen Frauengemeinschaft und Pfarrer der Gemeinde St. Agatha in Münster, sagte zu und wurde von Bischof Reinhard Lettmann für seine neue Aufgabe zunächst für fünf Jahre freigestellt.
Franz Anstett kennt sich in Peru gut aus. Schon vor seiner Priesterweihe 1988 hatte der heute 54-Jährige als Lehrer in Caraveli gearbeitet. Später, ab dem Jahr 2000, wirkte er für drei Jahre als Gemeindepfarrer in dieser Stadt.
In Münster versprachen viele Freunde und Kollegen, ihn in Peru zu besuchen. Die ersten, die anreisten, waren sein ehemaliger „Chef“ Pfarrer Clemens Röer, bei dem Anstett von 1988 bis 1993 in der Stadtlohner Pfarrei St. Otger als Kaplan tätig war, und die beiden Schulleiter Friedhelm Schweins von der St.-Anna-Realschule in Stadtlohn und Paul Thelosen vom Kardinal-von-Galen-Gymnasium in Münster-Hiltrup.
Die Prälatur Caraveli liegt 700 Kilometer südlich von Lima. Sie wurde vor 50 Jahren gegründet. Caraveli, ein Ort mit etwa 4000 Einwohnern und im Vorgebirge der Anden auf 2000 Metern gelegen, wurde Bischofssitz. Die Prälatur hat etwa die Größe Belgiens und erstreckt sich von der Küste bis ins Hochland der Anden. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung lebt in den Dörfern der „Sierra“ in einer Höhe zwischen 2500 und 3500 Metern. Die Menschen arbeiten zumeist als Kleinbauern, als Bergarbeiter in den Minen oder als Fischer an der Küste.
Seit der Gründung der Prälatur wirken Priester vom Orden der Hiltruper Missionare im Bereich Caraveli. Friedrich Kaiser aus Dülmen war der erste Bischof vor Ort. 1961 gründete er zusammen mit der Hiltruper Schwester Willibrordis den Orden der Peruanischen Seelsorgeschwestern, der bis heute ein großes Mutter- und Exerzitienhaus in Caraveli unterhält.
Die Schwestern arbeiten in kleinen Gruppen in entlegenen Missionsstationen, in denen es keine Priester gibt. Über ihre Arbeit in der Seelsorge hinaus wirken sie als Ärztinnen, Krankenschwestern oder Lehrerinnen. Inzwischen betreuen sie mehr als 350000 Menschen in verschiedenen Ländern Lateinamerikas. Nachfolger von Bischof Friedrich Kaiser wurde der aus Ascheberg-Herbern stammende Bernhard Kühnel, der heute, 80-jährig, noch die Pfarrei Chala am Pazifik betreut. Mit Bischof Juan Carlos trat vor einem Jahr zum ersten Mal ein Peruaner an die Spitze der Prälatur.
In Caraveli wohnt Generalvikar Anstett in Nähe des Klosters der Peruanischen Seelsorgeschwestern in einer kleinen Wohnung, die im Areal des vor 20 Jahren aufgelösten Priesterseminars liegt. Sein Büro hat er im ersten Stock des Gemeindezentrums der Pfarrei, das nur wenige Straßen weiter neben der nach dem Erdbeben von 2001 neu erbauten Kathedrale an der Plaza de Armas liegt.
„Die Arbeit eines Generalvikars in Caraveli ist nur sehr bedingt mit der seines Amtskollegen in Münster zu vergleichen. Zu unterschiedlich sind die Bedingungen und Strukturen“, sagte Pfarrer Röer nach dem mehrwöchigen Besuch in Caraveli. So arbeiten in der Prälatur Caraveli nur elf Priester in den weit auseinander liegenden Dörfern und Städten.
„Wo keine Priester sind, wirken meist kleine Schwesterngemeinschaften“, sagt Paul Thelosen. Aufgabe des Generalvikars sei es, die spirituellen und sozialen Bedürfnisse der Menschen in seiner Prälatur zu kennen und mit den Priestern und Schwestern vor Ort nach Lösungen für die vielen Probleme zu suchen.
Das ist leichter gesagt als getan. Die Wege zu den Dörfern in der „Sierra“ sind mühsam. „Schon wenige Meter abseits der geteerten Transamericana im Küstenbereich verwandelt sich die Straße in eine Schotterpiste. Viel mehr als 30 Stundenkilometer schafft kein Fahrzeug“, sagt Friedhelm Schweins. Entsprechend geduldig warteten daher die Menschen in Ocana zwei Stunden, bis „Padre Franz“ mit seinen deutschen Gästen kommt.
Das ganze Dorf ist auf den Beinen, als der grüne Pickup auf die Plaza einbiegt. Die Schüler haben Spruchbänder zum Empfang gestaltet. Im Büro des Bürgermeisters werden mehrere Ansprachen für den Besuch aus Deutschland gehalten. Friedhelm Schweins überreicht eine Spende seiner Schule für die Einrichtung und den Unterhalt eines Speiseraums für die Kinder, die einen Schulweg von mehreren Fußstunden haben und auf ein Essen in der Schule angewiesen sind. Die großzügige Spende ist das Ergebnis eines Sponsorenlaufs, den die Schülerinnen und Schüler der St.-Anna-Schule in Stadtlohn veranstaltet hatten.
Anschließend besucht Anstett die drei im Ort tätigen mexikanischen Ordensschwestern und überlegt mit ihnen, wie die Arbeit im seelsorgerischen und sozialen Bereich in den nächsten Monaten gestaltet werden kann. Auch die Sorge um Verbesserung der finanziellen Ressourcen der Gemeinden gehört zu seinen Aufgaben.
In anderen Dörfern wird der Generalvikar ebenso herzlich empfangen. Oft hilft, wo Kommune und Staat versagen, die Kirche, so wie in Incuyo, einem Ort auf mehr als 3000 Metern Höhe. Mit Unterstützung der Pfarrgemeinde im niederrheinischen Alpen und von Gruppen der Katholischen Frauengemeinschaften im Bistum Münster ist es dort gelungen, ein medizinisches Zentrum mit einer Apotheke einzurichten. „Die Bewohner der umliegenden Dörfer gehen weite Wege, um sich in Incuyo behandeln zu lassen. Es tut gut zu sehen, dass mit den Hilfen aus dem Bistum Münster viel erreicht werden kann“, sagt Pfarrer Röer.
job, Kirche und Leben 02. 09. 2007
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Generalvikar Anstett vor der Bistumskarte

50 Jahre Prälatur Caraveli


Für die Stadt Caraveli war es ein großes Ereignis, Bischöfe aus ganz Peru, besonders auch den Vorsitzenden der peruanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Cabrejo, zu Gast zu haben. Aus allen Regionen der Prälatur waren Delegationen angekommen, und so hatten wir fast 600 Gäste, die Übernachtung und Essen brauchten, zu betreuen. Das alles zu organisieren, war für unsere 800 km von der Hauptstadt Lima entfernte kleine Bischofsstadt schon eine logistische Leistung. Das Programm begann am Vorabend des 21. November mit einer Prozession der Kirchenpatrone der umliegenden Dörfer Caraveli´s. Es schloss sich ein kulturelles Programm an mit Tänzen und Liedern der verschiedenen Regionen unserer Prälatur. Am Gründungstag der Prälatur stand der Festgottesdienst im Mittelpunkt, den Bischof Juan Carlos, der Bischof von Caraveli, leitete.
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Weihe des Bistums an die Mutter Gottes
Die Kathedrale von Caraveli konnte so viele Gäste gar nicht aufnehmen. Und doch waren wir verbunden in der Freude vor Gott, dem wir für 50 Jahre Prälatur Caraveli dankten. Das Fest schloss mit einem Mittagessen in der überdachten Sporthalle.
Wie haben wir das Jubiläum vorbereitet? Anfang des Jahres 2007 begannen wir unser Jubiläum zu planen. Der zentrale Tag sollte der Gründungstag der Prälatur sein, der 21. November. Aber wir wollten nicht nur zu einem Festtag in die Stadt Caraveli einladen, sondern den Jubiläumsgedanken in möglichst viele unserer weit verstreuten Dörfer tragen.
Um allen eine Idee zu geben, was es heisst, zur Prälatur zu gehören, haben wir als zentrales Symbol des Jubiläums eine auch von Kindern leicht lesbare Landkarte erarbeitet, die wir mit einigen Arbeitsmaterialien in den Schulen und Dörfern einsetzen konnten. So sahen alle, dass die Prälatur aus vier politischen Provinzen besteht und 22 Pfarreien hat mit mehr als 450 Dörfern. Der erste Bischof war Friedrich Kaiser aus Dülmen. Der zweite Bischof war Bernhard Kuehnel, ein Schlesier, dessen Familie in Herbern wohnt und der mit seinen 80 Jahren immer noch in der Prälatur als Pfarrer arbeitet. Der jetzige Bischof ist ein Peruaner: Juan Carlos Vera Plasencia. Alle drei Bischöfe sind Herz-Jesu-Missionare.
Das Leitwort des Jubiläums heisst: Somos Iglesia joven – wir sind eine junge Kirche. Sowohl der jetzige Bischof als auch die peruanischen Diözesanpriester und ein Großteil unserer Bevölkerung sind junge Menschen. Man spürt Kraft und Begeisterung. Und das lebendige Herz der Kirche: den auferstandenen Christus!
Wir sind aber auch eine Ortskirche, die noch nicht auf eigenen Beinen steht, die personelle und finanzielle Unterstützung von außen braucht. So soll dieses Jubiläum auch ein Anlass sein, allen Dank zu sagen, die der Prälatur in den vergangenen Jahren geholfen haben und sie auch weiterhin unterstützen.
PS. Im Festgottesdienst schlug Erzbischof Cabrejo vor, den Seligsprechungsprozess für Bischof Friedrich Kaiser offiziell zu eröffnen. Dieser Vorschlag wurde mit großem Beifall von den Gläubigen und den Schwestern, die F. Kaiser gegründet hat, aufgenommen.
Franz Anstett, Hiltruper Monatshefte Februar 2008