„Glücksfall für Hiltruper Bürger“


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Gottesdienst in St. Clemens, Hiltrup Aus der Messe “COR JESU“ von P. Manfred Ridil, die die Chorgemeinschaft Johanneum aufführte

Münster-Hiltrup. Stolz auf die geleistete Arbeit, aber auch der sorgenvolle Blick in die Zukunft bestimmten die Feierlichkeiten der Hiltruper Missionare anlässlich des 100jährigen Bestehens. Am Samstag fand in der Aula des Hiltruper Kardinal-von-Galen-Gymnasiums vor 300 geladenen Gästen ein Festakt statt.
100 Jahre Hiltruper Herz-Jesu- Missionare, das sind 100 Jahre Engagement und Arbeit vor Ort sowie in der ganzen Welt. Nicht weit schauen mussten die Gäste, um Früchte der Arbeit vor Ort sehen zu können. Denn das KvG wurde im Jahre 1946 vom Orden gegründet, erst Ende 1974 übernahm das Bistum die Trägerschaft. Auch wenn heute kein Missionar mehr im Lehrerkollegium vertreten ist, so seien die geistigen Bande dennoch allerorten zu spüren, meinte KvG-Schulleiter Paul Thelosen: „Unser Schulleben wäre bedeutend ärmer ohne die Missionare“, zog er in seiner Begrüßung das Fazit.
Auch Bürgermeisterin Marie-Theres Kastner und Bezirksvorsteher Heinz Nolte würdigten die Verdienste der Herz-Jesu-Missionare um Hiltrup. Als „Glücksfall für die Hiltruper Bürger“ bezeichnete Nolte die Gründung des Missionshauses im Jahre 1897 durch Pater Hubert Linckens. Marie-Theres Kastner unterstrich die Bedeutung der Jugendarbeit des Ordens. Nicht nur mit dem KvG, sondern auch mit der praktischen Seelsorge in der St. Clemens-Gemeinde und dem 1975 eingeweihten neuen Missionshaus als Ort der Begegnung für Jung und Alt habe der Orden viel für Hiltrup getan.
Pater Dr. Ulrich Berges schlug in seinem Festvortrag „Von Erblast und Erblust“ deutlich kritische Töne an. Seit Mitte der 60er Jahre sei ein Stillstand bei den Berufungszahlen zu beobachten, so Berges: „Aber nicht der fehlende Nachwuchs ist das Problem, wir sind es“, so Berges weiter. Denn es könne nicht die Kundschaft dafür verantwortlich gemacht werden, wenn man eine Ware nicht mehr loswerde. Gefragt seien keine Durchhalte-, sondern Innehalteparolen. „Es ist Zeit, uns entbehrlich zu machen und Strukturen zu schaffen, die ohne uns überleben.“Als Ursache für die Krise nannte Berges die abnehmende Anziehungskraft des Missionsgedankens, der bis in die jüngste Vergangenheit prägend für den Orden gewesen sei, die allgemeine Kirchenmüdigkeit sowie gesellschaftlich dominierende Werte wie Individualität und Selbstständigkeit: „Werte, die institutionell nicht zu vermitteln sind.“
Begonnen hatte der Festtag mit einem eindrucksvoll gestalteten Festgottesdienst in der St. Clemens-Kirche. In seiner mit Applaus bedachten Predigt definierte Bischof Dr. Reinhard Lettmann heutige Missionsarbeit unter anderem als Aufgabe, „den leiblichen und geistigen Hunger der Menschen sowie den Hunger nach Gerechtigkeit zu stillen.“Musikalisch gestaltet wurden Gottesdienst und Festakt vom Collegium musicum Johanneum Homburg/Saar unter der musikalischen Leitung von Pater Ludger Holtmann.
CLU, Münstersche Zeitung 22. 09. 1997
Programm für die Festwoche
Sa
20.9.
10 Uhr Gottesdienst in St. Clemens, Hiltrup. Zelebrant und Prediger: Bischof Dr. Reinhard Lettmann (Münster) mit Konzelebranten aus aller Welt. Es singt und spielt die Chorgemeinschaft Johanneum, Homburg
Anschließend Festakt in der Aula der Kardinal-von-Galen-Schule. Festansprache: Dr. Ulrich Berges MSC (Münster)
So
21.9.
10 Uhr Gottesdienst in St. Clemens, Hiltrup. Zelebranten: Erzbischof Karl Hesse MSC (Rabaul/Papua-Neuguinea), Bischof Bernardo Kühnel MSC (Caraveli/Peru)
Predigt: Provinzial P. Engelbert Schütte MSC (Münster)
Anschließend im Missionshaus Eröffnung der Ausstellung “100 Jahre Herz-Jesu-Missionare in Hiltrup“ durch P. General Michael Curran MSC (Rom)
Mi
24.9.
20 Uhr Offenes Singen im Missionshaus „Dreißig Jahre Neue Geistliche Lieder“ mit den Patres Manfred Simmich MSC und Norbert Becker MSC
Do
25.9.
20 Uhr Akademischer Abend im Begegnungsraum des Missionshauses Professor Dr. Horst Gründer (Münster): „Die Gründung des Missionshauses Hiltrup aus historischer Sicht“
So
28.9.
10 Uhr Großer Missionstag mit Gottesdienst in St. Clemens, Hiltrup. Zelebrant und Prediger: Bischof Dr. Norbert Strotmann (Peru). Es singt die Schola Clementina Hiltrup
Mittagessen nach Art des „Mumu“ (Papua-Neuguinea) oder „Pachamanca“ (Peru) am Missionshaus; Begegnungen und Gespräche - Kaffee/Kuchen
16 Uhr Dankandacht
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Begrüßung: Schulleiter P. Thelosen





Festvortrag von P. Dr. Ulrich Berges
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Programm für den Festakt am 21. 9. 97,
kalligraphiert von P. Manfred Simmich

„Von Erblast und Erblust“


[...] Die Chance der neuen Freiheit, die wohl erst dann als Gefahr der neuen Einsamkeit erfahren werden wird, wenn auch die letzten großen Werke nicht mehr auf unserem Schultern ruhen, besteht darin, unverkrampfter, tiefer, bewusster zu leben und zu glauben. Das größte Abenteuer, das größte Adventure (man beachte Advent!), nämlich das, was auf uns zukommt, liegt ja gar nicht in fernen Landen, sondern in uns selbst. Für diese Entdeckung frei und bereit zu werden, darin liegt nicht zuletzt die Chance dieses Jubiläums und auch unsere Erblust! Was Not tut, sind nicht Durchhalte-, sondern Innehalte-Parolen; die Schritte maßvoll und gewogen zu wählen, mehr und des öfteren stehenzubleiben als denn zu laufen. Weniger ist auch hier mehr!
So will ich mich daran, wohl schon recht spät, halten und mit einem paganen Wort (fast) enden, das wirkliche Finale muss natürlich, wie könnte es anders sein, ein biblisches, ja ein alttestamentliches sein. So sagt Seneca, römischer Zeitgenosse Jesu von Nazareth: „Ducunt volentem fata, nolentem trahunt“ - frei übersetzt: „Den Willigen führt das Schicksal, den Störrischen schleift es mit“.
Lassen wir uns fragen: Sind wir in den letzten 100 Jahren willig geführt oder mehr unwillig mitgeschleift worden? Ich denke, beides war der Fall, vielleicht in den ersten Jahrzehnten mehr Führung, dann mehr Geschoben und Gezogen. Damit hat Seneca aber für uns noch nicht ausgedient, sondern er bringt uns auf eine nicht uninteressante Spur. Denn man höre und merke, in keiner der biblischen Schriften, selbst nicht in den stark hellenistisch geprägten, gibt es so etwas wie Fatum, Schicksal oder Losgeschick: keine griechische Tyche, keine römische Fortuna, kein neuzeitliches „Faites vos jeux“.
Für den Glaubenden, für den auf Jahwe, den Gott Israels Vertrauenden, für den auf Christus Hoffenden und im heiligen Geist Lebenden gibt es keine Losbestimmung, sondern nur göttlichen Willen. […]
Das Gottesreich ist nicht geplant, noch zu planen, es ist Saat und Wachstum; einige Türme, die unsere Provinz und vielleicht ein jeder von uns plante, haben nicht gehalten und sind gefallen. Aber die Provinz hat 100 Jahre lang den guten Samen gesät. Dass nicht alles so wuchs und wächst, wie wir es wünschten und planten, ist nicht tragisch, sondern dem Überraschenden der Basileia, des Gottesreiches, angemessen: Siehe, ich schaffe Neues, erkennt ihr es nicht? Wo immer wir Neues, Überraschendes, das von Herzen kommt und zu den Herzen geht, sehen, sollten wir es dankbar begrüßen und, soweit wir es können, unterstützen. Vielleicht wird die Geschichte des Gründers mit seiner umgebauten Scheune ja noch einmal wahr - wenn nicht hier, vielleicht dann woanders; wie hieß es doch noch: ... ubique terrarum! So gilt Ihnen und uns allen ein aufrichtiges „ad multos annos“!
Aus dem Festvortrag von P. Dr. Ulrich Berges
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Der “Große Missionstag“,
mit dem die Festwoche am 28. 9. abschloss,
ermöglichte viele Begegnungen und Gespräche
  Ökumenischer Gottesdienst, gestaltet von Schulseelsorger P. Norbert Becker,
am 8. 10. in St. Clemens. Auch viele Ehemalige des KvG nahmen teil.
Foto: Johannes Sturm