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| Professor Joachim Kuropka aus Vechta (r.) präsentierte mit einigen Autoren in der Diözesanbibliothek Münster sein neues Buch über Kardinal von Galen. Zu den Autoren zählen (v.l.) Helmut Lensing, Michael Hirschfeld, Rudolf Willenborg und Maria Anna Zumholz. |
„Streitfall Galen“
Münster. Die Seligsprechung Kardinal Clemens August von Galens am 9. Oktober 2005 hat in der Öffentlichkeit und unter Historikern zu einer kontroversen Diskussion über das Wirken des Kardinals in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur geführt. Forschungsergebnisse zum „Streitfall Galen“ hat der Vechtaer Historiker Joachim Kuropka nun in einem Handbuch zusammengefasst. 17 Beiträge von zwölf Autoren sowie 34 zumeist erstmals veröffentlichte Dokumente aus der Hand Galens enthält das von Kuropka selbst herausgegebene Buch mit dem Titel „Streitfall Galen“, das am Donnerstag (22. 03. 2007) zusammen mit einer kleinen Galen-Ausstellung in der Diözesanbibliothek Münster präsentiert wurde.
Die Beiträge beziehen sich zum Teil auf die öffentlichen Kontroversen vor und nach der Seligsprechung, die, wie Kuropka meint, „teilweise die Grenzen der Polemik überschritten haben“. So seien Zitate Galens etwa zur Weimarer Demokratie oder zum Russlandfeldzug 1941 aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die vorgelegten Studien hätten viele Lücken in der Forschung geschlossen, so dass einige „Vermutungen“, „Legenden“ und „Verdächtigungen“ keinen Bestand mehr hätten. „Der 'Streitfall' war möglich geworden, weil die Forschung auf eine Reihe von Fragen bislang keine ausreichenden Antworten gegeben hat und diese Lücken zum Teil durch vor- und außerwissenschaftlichen Annahmen gefüllt werden“, sagt Kuropka.
Er selbst schreibt einen Beitrag über die Haltung von Bischof Graf von Galen zu den Juden. Durch einen Beleg weist der Historiker erstmals nach, dass in den Kirchen des Bistums Münster im Herbst 1938 für die Juden gebetet wurde. Der Rabbiner Steinthal hatte dies bereits berichtet, was jedoch von einigen Historikern bezweifelt worden ist. Darüber hinaus beschreibt Kuropka mehrere Fälle von bislang nicht bekannten praktischen Hilfestellungen Galens für die Juden.
Über die Haltung Galens zum Krieg schreibt Autorin Maria Anna Zumholz, dass der Bischof in einer Predigt in Telgte den Krieg als ein „sinnloses Zerstörungswerk des von Gott abgefallenen Menschen“ charakterisiert habe. Domkapitular Martin Hülskamp, der den Seligsprechungsprozess Kardinal von Galens maßgeblich begleitete, sagte bei der Präsentation des Buches, dass Galen ein Figur der Zeitgeschichte sei, an der es ein bleibendes wissenschaftliches Interesse gebe. Mit der Öffnung der Archive ergäben sich neue Quellen, die die Forschung aufgreifen müsse.
Text und Foto: Johannes Bernard, www.bistum-muenster.de, 22. 03. 2007
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| Auch Sendenhorst erhob Kardinal von Galen zum Ehrenbürger. Die Urkunde zeigt es. |
Kardinal hält die Forscher weiter in Atem
Neues Buch „Streitfall Galen“ vorgestellt
Münster. Man könnte meinen, mit der Seligsprechung des Kardinals von Galen im Oktober 2005 sei der Fall abgeschlossen. Doch das Gegenteil ist der Fall. „Die Seligsprechung sollte ja keine Monumentalisierung oder gar Mumifizierung darstellen, sondern den Auftakt für eine segensreiche Zukunft, nicht nur für den Seligen, sondern auch für uns“, unterstreicht Domkapitular Martin Hülskamp, der die Seligsprechung damals als Vizepostulator maßgeblich vorantrieb. Verehrer, Zeitzeugen und natürlich auch Wissenschaftler beschäftigen sich weiter mit Leben und Wirken des Kardinals, und deshalb gibt es jetzt ein weiteres diskursives Buch mit dem beziehungsreichen Titel „Streitfall Galen“, das einer der führenden Galen-Forscher, Prof. Dr. Joachim Kuropka (Vechta), im münsterschen Verlag Aschendorff herausgebracht hat.
Gestern wurde der gewichtige und schön gestaltete Band vorgestellt, und zwar an einem beziehungsreichen Tag. Gestern vor 61 Jahren nämlich starb Kardinal von Galen, kurz nach seiner triumphalen Rückkehr von der Kardinalserhebung in Rom. Keine Frage, Kuropka und seine Mitstreiter wollen einiges geraderücken und richtigstellen, was im Zuge der Diskussion um die Seligsprechung 2005 behauptet oder ohne hinreichende historische Grundlage in ein falsches Licht gerückt wurde. So ordnet Kuropka in einem der lesenswerten Beiträge Galen noch einmal in seinen zeithistorischen Kontext ein. Dr. Paul-Heinz Dünnebacke beschreibt kenntnisreich die Jahre Galens als Pfarrer an St. Lamberti in Münster von 1929 bis 1933. Kuropka unterstreicht in einem weiteren Aufsatz, dass Galen, obwohl nicht usprünglich an erster Stelle nominiert, durchaus „erste Wahl“ als Bischof von Münster war. Jürgen Kampmann untersucht erstmals die Reaktion leitender Ämter der Evangelischen Kirche auf die berühmten Galenschen Predigten. Er kommt zu dem Schluss, dass es eine „erschreckende Nicht-Beziehung“ zu Galen gab. Zudem ging offenbar unter den Protestanten die Angst um, dass eine Verbreitung der Predigten zu Konflikten mit der Gestapo führen könnte. Im übrigen kann Joachim Kuropka erstmals einen Beleg von Seiten des NS-Regimes dafür vorlegen, dass im Herbst 1938 in den Kirchen des Bistums Münster für die Juden gebetet wurde. Das Buch mit über 15 Beiträgen und zahlreichen Dokumenten setzt Maßstäbe für die aktuelle Galenforschung. In der Diözesanbibliothek in Münster, wo das Buch gestern präsentiert wurde, ist bis Ende April eine Ausstellung mit Dokumenten und Utensilien aus dem Besitz von Galens zu sehen.
Johannes Loy, Westfälische Nachrichten 23. 03. 2007
• Joachim Kuropka: Streitfall Galen. Studien und Dokumente. Aschendorff Verlag Münster, 541 Seiten, 29.80 Euro.
[Die Titelseite ist, wie auf dem ersten Foto gut zu erkennen ist, nach einem in unserer Schule aushängenden Wandbild gestaltet, das vor einigen Jahren von einem Kunst-Kurs geschaffen wurde.]