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Kardinal von Galen.
Gemälde von Wilhelm Lautenbach, 1951 |
Mutiger Bischof in schwerer Zeit
Historiker zeichnen ein differenziertes Lebensbild des „Löwen
von Münster“
Münster. Die Seligsprechung des Kardinals von Galen
in Rom liegt schon wieder fünf Monate zurück, noch einmal richtet
sich in diesen Tagen das Interesse auf diese herausragende Persönlichkeit
der jüngeren Kirchengeschichte. Heute vor 60 Jahren starb der „Löwe
von Münster“ an einer verschleppten Blinddarmentzündung. Für
das nach dem Krieg am Boden liegende Münster war der Bischof, zumal bei
seiner triumphalen Rückkehr von der Kardinalserhebung in Rom, eine Hoffnungsfigur
ersten Ranges gewesen. Umso mehr wirkten Stadt und Land gelähmt, als
die Todesnachricht bekannt wurde. Unter großer Teilnahme seiner Diözesanen
wurde von Galen am 28. März 1946 nach einem Pontifikalrequiem in der
Kreuz-Kirche im Dom in Münster beerdigt.
Im Jahr 2005, dem Jahr des 1200-jährigen Bistumsjubiläums und der
Seligsprechung Galens, haben sich interessierte Laien, Historiker und Theologen
wiederum intensiv mit Clemens August Graf von Galen beschäftigt. Mit einem
Mann, der 60 Jahre nach seinem Tode auf viele Menschen immer noch so sperrig
und rätselhaft wirkt wie sein dunkles, bronzenes Denkmal auf dem münsterschen
Domplatz.
Es zeigt sich, dass weder vordergründige und zeithistorisch unkundige Kritik
noch Verklärung zu einem klar konturierten Porträt des Bischofs von
Münster beitragen. Während die einen unter Zuhilfenahme zusammenhangloser
Zitate Galen als autoritären oder gar militärisch gesinnten Nichtdemokraten,
Rechtskatholiken oder Verfechter längst vergangener Frömmigkeitsstile
abwerten, versuchen die anderen in ebenso vordergründiger Apologetik, Galen
als über jede Kritik erhabene Lichtgestalt darzustellen. Beides führt
in die Irre. Ebenso wenig zielführend wirkt zuweilen der hochakademische
Kampf der Eitelkeiten um die Lufthoheit in den Interpretationsspielräumen
der historischen Quellen, aus dem sich das Bistum Münster klugerweise zurückhält.
Letztlich zeigt sich heute in den Vorträgen, Zeitschriftenartikeln und
Diskussionsbeiträgen besonders bei den Professoren Joachim Kuropka (Vechta)
und Hubert Wolf (Münster) doch ein vergleichsweise schlüssiges Bild.
Die Predigten des Sommers 1941 gegen Klostersturm und Euthanasie sind zweifellos
der herausragende und weltweit Aufmerksamkeit erregende Schritt Galens in seinem
religiös-weltanschaulichen Kampf gegen den Nationalsozialismus, der phasenweise
politisch Wirkung zeigte. „Zivilcourage auch bei Gefahr für Leib
und Leben ist eine zentrale, leider sehr seltene christliche Tugend“,
schreibt der Kirchenhistoriker Hubert Wolf.
Was für außenstehende Beobachter bis heute vielleicht wie eine
spektakuläre „Wende“ aussieht, hat seine Wurzeln in Galens
Biografie. Aus zahlreichen Quellen geht hervor, dass Galen es als eine entscheidende
Gewissensfrage ansieht, Unrecht gegen unschuldige Menschen abzuwehren und
dass er schon früh die totalitäre Weltanschauung des Nationalsozialismus
als Anschlag auf die Werte des Christentums entlarvt. Die Akten des Vatikans
bringen ans Licht, dass Clemens August Graf von Galen 1933 bei der Bischofswahl
in Münster zwar nicht der Favorit ist und erst nach der Absage des Berliner
Domkapitulars Heinrich Heufers und des münsterschen Dompropstes Adolf
Donders zum Bischof von Münster gewählt wird. Gleichwohl gilt er
aber auch zuvor schon als episkopabel, wenn auch nicht als herausragender
Theologe, Prediger oder politischer Denker. Die NS-Machthaber fürchten
ihn. Und neue Vatikanakten belegen zudem, dass Papst Pius XI. dem Bischof
von Münster 1936 höchste Anerkennung für seinen mutigen Einsatz
im Dienste der kirchlichen Freiheitsrechte ausspricht. Die Akten stützen
die berechtigte Annahme, dass die Enzyklika „Mit brennender Sorge“
(1937), die entschiedenste Auseinandersetzungsschrift des Vatikans mit dem
Nationalsozialismus, letztlich auf eine Initiative Galens zurückgeht.
Angesichts dieser Befunde wirkt die Auseinandersetzung darüber, ob Galen
1933 ursprünglich ein Bischof erster oder dritter Wahl gewesen ist, rein
akademisch. Ganz offensichtlich hat man letztlich den richtigen Mann zur rechten
Zeit gewählt. Dieser Mann ist in seinem Handeln und Denken nur in seinem
eigenen Zeitkontext und der ihm eienen Mentalität zu verstehen. Schon wegen
der Tradition seiner Familie gilt Galen als Zentrumsmann. Bischof Heinrich Poggenburg
holt ihn als Pfarrer von Berlin nach Münster, um mit ihm einen Brückenkopf
gegen den ins deutschnationale Lager abdriftenden westfälischen Adel zu
errichten. Gleichwohl ist Galen kein Vorzeige-Demokrat, zumal er mit „Weimar“
keine einigermaßen funktionierende Demokratie kennen lernt. Eine parlamentarische
Monarchie, gestützt auf christliche Fundamente, vielleicht auch ein katholischer
Ständestaat wären vermutlich nach seinem Geschmack gewesen. Die Loyalität
gegenüber dem Staat entspricht seinem konservativ-christlichen Weltbild.
Nur das Gewissen bildet die höhere und letzte Instanz.
Im Übrigen teilt Clemens August von Galen die Furcht vor dem Bolschewismus
mit vielen seiner Zeitgenossen, die den NS-Staat und Hitler als Bollwerk gegen
den Kommunismus und zunächst noch als das kleinere Übel ansehen. Seine
Haltung dem Krieg gegenüber entspricht dem damaligen Denken, wonach die
bewaffnete Auseinandersetzung auch kirchlich als „ultima ratio“
gerechtfertigt scheint und es noch idealisierte Vorstellungen eines ritterlichen
Soldatentums gibt, das sich freilich nicht mit der Wirklichkeit in Hitlers furchtbarem
Vernichtungskrieg in Einklang bringen lässt. Erst nach dem Ende des Krieges
fragt sich Galen, ob der Krieg überhaupt noch das moralisch vertretbare
Mittel zur Entscheidung von Streitfragen unter Völkern ist. Rätselhaft
bleibt Galens Schweigen zum Holocaust. Schriftliche Quellen liegen nicht vor,
in mündlichen Aussagen bleibt es bei vagen Berichten über beabsichtigte
und dann doch unterlassene öffentliche Unterstützung für die
Juden, da Bischof von Galen angeblich größeres Unheil verhindern
wollte.
Seine Seligsprechung 2005 will die zeitgebundene Begrenztheit Galens nicht überdecken.
Seligsprechungen sind eben nicht eine posthume Ehrung für Übermenschen,
sondern eine Aussage darüber, dass ein Mensch seinen Glauben trotz mancher
Widrigkeiten und Schwächen vorbildlich gelebt hat und entschieden für
christliche und menschliche Grundwerte eingetreten ist.
Johannes Loy, Westfälische Nachrichten 22. 03. 2006
Mut an entscheidender Stelle
Ausstellung im Kardinal-von-Galen-Gymnasium über den Namensgeber der Schule
Münster-Hiltrup. Nicht nur gegen das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten hatte sich der Löwe von Münster mit aller Kraft in seinen weltberühmten Predigten gestellt. Clemens August von Galen war bereits im Juli 1941 auch mit Schärfe gegen den Klostersturm - die Beschlagnahmung der Klöster und die Vertreibung ihrer Bewohner - zu Felde gezogen.
Diese Willkür der Gestapo hatten Ostern 1940 auch die Hiltruper Missionare
am eigenen Leib zu spüren bekommen. Das Gymnasium in Hiltrup wurde geschlossen,
Patres und Schüler wurden vertrieben. Erst vor 60 Jahren wurde die Schule
der Hiltruper Missionare (MSC) als „Kardinal-von-Galen-Schule“
wiedereröffnet. Als erste Schule wurde sie am 24. Juni 1946 nach dem
erst wenige Monate vorher gestorbenen Kardinal benannt.
Zu den Feierlichkeiten des 60. Schulgeburtstages gehört die intensive
Beschäftigung mit dem Namenspatron der Schule. Seit gestern ist in der
Aula der Schule eine Ausstellung über den Lebensweg von Galens zu sehen,
die von Prof. Dr. Joachim Kuropka und Dr. Maria-Anna Zumholz von der Hochschule
Vechta zusammengestellt wurde. Zu den ersten Gästen zählte Udo Hühn,
evangelischer Religionslehrer am KvG, mit einem Kurs aus der Jahrgangsstufe
12. Zugleich wies Schulleiter Paul Thelosen darauf hin, dass die Ausstellung
auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich ist. Geöffnet
ist mittwochs und freitags von 16 bis 18 Uhr.
„Kardinal von Galen hat an entscheidender Stelle Mut bewiesen und seine
Stimme erhoben“, würdigte Hildegard Rickert, ebenfalls Religionslehrerin
am KvG, die Bedeutung des Namenspatrons der Kirche. „Diese Stimme wurde
in der ganzen Welt gehört, und sie klingt bis heute nach“, ergänzte
sie.
Bereits vor der Seligsprechung des „Löwen von Münster“
hatte sich das KvG im Oktober 2005 intensiv mit Kardinal von Galen befasst.
Dazu hatte die Schule eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde eingeladen,
bei der ein differenziertes und durchaus kontroverses Bild über von Galen
gezeichnet wurde. Die später als „kleiner Historikerstreit“
bezeichnete Debatte über die Bedeutung des münsterischen Bischofs
zeichnete sich bereits bei diesem Studientag ab.
Hildegard Rickert und Udo Hühn skizzieren von Galens Werdegang mit folgenden
Worten: „Ein adeliger Bischof, zunächst befangen in einer abgeschotteten
Welt mit festgelegten Handlungsmustern, entwickelte sich zum kritischen Beobachter
seiner Zeit und wurde frei, sich aus eingefahrenen Bahnen zu lösen.“
So sei von Galen zu einem „mutigen Prediger“ geworden, „dessen
Stimme weit über Westfalen und Deutschland hinaus in der Welt zu hören
war und gehört wurde“.
Michael Grottendieck, Westfälische Nachrichten 17. 08. 2006
Ein mutiger Prediger
60 Jahre Kardinal-von-Galen-Gymnasium: Ausstellung über Namensgeber eröffnet
HILTRUP. Vor ihm hatten selbst die Nazis Angst: Anlässlich des 60-jährigen
Bestehens des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums eröffnete die Institution
gestern eine Ausstellung über ihren Namensgeber.
Mindestens ebenso umfangreich wie das Vermächtnis, das Kardinal Graf
von Galen hinterließ, sind auch die Informationen in der Aula der Schule
über das Leben und Wirken des „Löwen von Münster“
von seiner Kindheit bis zum Tod. 84 Stellwände legen beredt Zeugnis ab
von dem Mut des Mannes, der den Nationalsozialisten furchtlos die Stirn bot.
Initiiert wurde die Ausstellung, die gestern gemeinsam mit dem Leiter des
KvG, Paul Thelosen, eröffnet wurde, von den Religionslehrern Hildegard
Rickert und Udo Hühn. „Die 84 Tafeln wurden eigentlich von Prof.
Dr. Joachim Kuropka und Dr. Maria-Anna Zumholz von der Hochschule in Vechta
zusammengestellt“, betonte Hühn. Anhand von Zeitungsausschnitten,
historischen Testen und zahlreichen Bildern werden damit, so der Religionspädagoge,
die wichtigsten Stationen des Kardinals nachgezeichnet.
Prof. Kuropka und Dr. Zumholz seien bereits im vergangenen Jahr im KvG vor
der Seligsprechung des Kardinals im Oktober 2005 zu Besuch gewesen, um über
die kontroversen Diskussionen über die Person des Grafen von Galen zu
referieren. Dabei wurde ein differenziertes Bild entworfen, das eindrucksvoll
die Entwicklung vom adeligen Bischof, gefangen in einer abgeschotteten Welt
mit festen Handlungsmustern, hin zum kritischen Beobachter seiner Zeit nachzeichne.
Der Kardinal habe es geschafft, sich von eingefahrenen Bahnen zu lösen,
um dann zum mutigen Prediger zu werden, dessen Stimme in der ganzen Welt gehört
wurde. Das Thema sei 2005 von der Schülerschaft erstmals in Arbeitsgemeinschaften
aufbereitet worden.
Nun beschäftige sich der Kurs Evangelische Religion der Jahrgangsstufe
12 in einzelnen Gruppen mit dem Leben des Namenspatrons des Gymnasiums. Als
Ergebnis sollen schließlich Referate vorgetragen werden. Diese Ausstellung,
so Hühn, sei vor allem auch mit Blick auf den 60. Geburtstag des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums
eröffnet worden. Nach den Herbstferien fährt die gesamte Schule
außer den Fünftklässlern anlässlich des runden Geburtstags
für eine Woche nach Rom.
Die Ausstellung über Clemens August Kardinal Graf von Galen ist auch
der Öffentlichkeit zugänglich und kann bis zum 20. September mittwochs
und freitags jeweils zwischen 16 und 18 Uhr in der Aula des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums
besichtigt werden.
Wolfram Linke, Münstersche Zeitung 17. 08. 2006