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| Die Bischöfe Berning aus Osnabrück (l.) und Bornewasser aus Trier geleiten Clemens August Graf von Galen am 28. Oktober 1933 vom Bischöflichen Palais zur Bischofsweihe im Dom zu Münster |
„Einige urteilen, er sei wenig geeignet…“
Rom/Münster. „Wenn eure Eminenz die Gnade gehabt haben…, dem Heiligen Vater zu versichern, dass der Heilige Stuhl in meiner armen Person in jeder Stellung, welche mir zugewiesen wird, einen unbedingt ergebenen Diener und gehorsamen Sohn hat und allzeit haben soll, so darf ich Eurer Eminenz versprechen, dass ich mit allen Kräften danach streben werde, diesen Ruhm jedes treuen Katholiken und jedes katholischen Bischofs zu verdienen und bis zum letzten Atemzug zu bewahren.“ Mit diesen, aus heutiger Sicht fast als Programm seines Bischofsamtes zu bezeichnenden Worten wandte sich Clemens August Graf von Galen am 15. September 1933 an Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, um sich für seine Ernennung zum Bischof von Münster zu bedanken.
Das Schriftstück stammt aus den für das Bistum Münster äußerst spannenden Akten des Vatikans, die aufgrund der diesjährigen Teilöffnung des dortigen Geheimarchivs für den Zeitraum bis 1939 nunmehr für die Forschung zugänglich sind.
Kriegsbedingte Aktenverluste
Denn obwohl das Leben und die Schriften des „Löwen von Münster“ insbesondere durch die Studien von Joachim Kuropka und Peter Löffler als gut erforscht gelten, konnte über die Kandidaten, die Hintergründe und den Ablauf der Bischofswahl durch kriegsbedingte Aktenverluste des Bistums lediglich spekuliert werden. Bisher war nur bekannt, dass das Domkapitel nach dem Tod Bischof Johannes Poggenburgs im Januar 1933 wenigstens zweimal zur Bischofswahl schritt und erst nach dem Amtsverzicht des nominierten Berliner Domkapitulars Heinrich Heufers für von Galen optierte.
Auch war es bislang noch strittig, ob der in Dinklage in Oldenburg Geborene von vornherein zu den Favoriten des Bistums gehörte, oder vielmehr - wie der anerkannte Historiker Morsey noch kürzlich schrieb – „in seiner Diözese kaum bekannt“ war und „außer durch seine Gestalt nicht aus dem Kreise seiner Konfratres hervor ragte“.
Letzteres ist durch die Aktenfunde nun zweifelsfrei zu verneinen. Bereits im September 1930 wurde von Galen - von seinem Amtsvorgänger Bischof Poggenburg als „großer Frommer und Religiöser“ tituliert – in Rom als Kandidat für das Bischofsamt in Aachen gehandelt, wo er auf dem dritten Platz der päpstlichen Vorschlagsliste stand.
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| Viele Akten des Bistums zur Bischofswahl Graf von Galens verschwanden kriegsbedingt |
Wunschkandidaten
Auch 1933 gehörte von Galen neben dem Gymnasiallehrer Franz Hautkappe aus Münster und Pfarrer Josef Janssen aus Wesel zu den Wunschkandidaten des münsterschen Domkapitels für den verwaisten Bischofsstuhl. Ferner votierten vier der preußischen Bischöfe, die nach den Richtlinien des Preußenkonkordats ebenfalls Vorschläge nach Rom einzureichen hatten, für den Grafen (Aachen, Ermland, Berlin, Köln).
Häufiger oder genauso oft wie von Galen wurden lediglich der damalige Domprediger und Professor Adolf Donders (Aachen, Berlin, Breslau, Ermland, Hildesheim, Köln, Osnabrück, Paderborn) und der münstersche Subregens Arnold Francken (Aachen, Berlin, Trier, Köln) genannt, während die rund zehn übrigen Kandidaten, zu denen auch der umstrittene Zentrumsprälat Ludwig Kaas zählte, je nur von einem Bischof genannt wurden.
Aufschlussreich ist, dass von Galen nicht als unbedingter Favorit des Nuntius in Berlin, Cesare Orsenigo, bezeichnet werden kann, wie aus nachfolgenden Zeilen des Nuntius vom 24. Februar 1933 an Kardinalstaatssekretär Pacelli beim Weiterleiten der Vorschläge deutlich wird:
„Hervorragende Gedanken“
„Der Pfarrer von Galen, 54 Jahre alt, vom Kapitel als dritter aufgestellt und von vier Bischöfen empfohlen, ist ein sicher sehr frommer, eifriger und dem Heiligen Stuhl ergebener Mensch. Er gehört zu einer adligen und besonders ehrbaren Familie von Westfalen… Einige urteilen, er sei für diesen Posten wenig geeignet, sowohl wegen mancher allzu herrischer (arroganter) Auftretensweise als auch, weil er in seinen – zugegebenermaßen guten – Ideen, ziemlich starrsinnig ist. Letztes Jahr veröffentlichte er eine Broschüre, die ich hier beifüge: hervorragende Gedanken, aber ein zu schulmeisterlicher Ton für einen einfachen Pfarrer.“
Favorit des Nuntius war ganz eindeutig der münstersche Domkapitular und Subregens Arnold Francken. Dieser sei „ein guter Verwalter, ziemlich gebildet, von sehr gesunden Ideen, dem Heiligen Stuhl überaus ergeben und mit viel gesundem Menschenverstand begabt. Auch diese Ernennung würde, wie ich meine, eine Zeit der guten Regierung der Diözese garantieren.“ Überhaupt spielt Francken, im Licht der vatikanischen Akten gesehen, eine äußerst zwielichtige Rolle, da er dem Nuntius mehr als einmal „ohne Auftrag von Seiten des Domkapitels“ interne Informationen aus den Kapitelssitzungen übermittelte und nach vorliegendem Archivmaterial auch vom Kölner Kardinal Schulte für das Bischofsamt protegiert wurde.
Ein Wahlmarathon
In Rom fand die Person Franckens allerdings keinen Befürworter – wie auch von Galen zunächst keinen fand, obwohl sich Pacelli bereits Anfang Februar 1933(!) aus dem Innsbrucker Jesuitenkolleg Informationen über den ehemals dort Studierenden einholte, die sehr positiv ausfielen. Hiernach wurde von Galen als „musterhafter Konviktor“ bezeichnet, der nicht nur talentiert, sondern auch tieffromm, bescheiden sowie „durch und durch ein kirchlich gesinnter Priester“ und „an Gestalt ein Hüne“ sei.
Vielleicht war es das schroffe Urteil des Nuntius über den „herrischen Pfarrer“, welches Kardinal Pacelli und Papst Pius XI. letztlich am 9. März 1933 dazu bewogen hat, den Trierer Weihbischof Antonius Mönch (im Vorfeld einzig von Trier vorgeschlagen), Adolf Donders und den Berliner Domkapitular Heinrich Heufers als für das Bischofsamt würdige Priester zu benennen.
Wie Rom auf den aus dem Bistum Münster stammenden Heufers kam, kann auch weiterhin nur vermutet werden, zumal Heufers von keinem preußischen Bischof vorgeschlagen wurde. Vielleicht erinnerte sich Pacelli durch seine Zeit als Nuntius in Berlin an ihn und forderte deshalb auch für Heufers von den Innsbrucker Jesuiten Informationen an, in denen er als „ruhiger, solider, frommer Charakter mit sehr guter spekulativer Begabung“ beschrieben wurde, der in seinen Eigenschaften von Galen „überrage“.
Letztlich erhielt das Domkapitel in Münster somit eine Dreierliste, die keinen der eigenen und im Falle von Heufers zudem einen einzig von Rom ins Rennen geschickten Kandidaten aufwies. Am 21. März wurde schließlich „in freier, geheimer Abstimmung“ Heufers zum neuen Bischof von Münster gewählt, für den am 2. Mai die „zustimmende Erklärung der hohen Preußischen Regierung“ einging.
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| Clemens August Graf von Galen auf einer seiner zahlreichen Pastoralreisen durch das Bistum Münster |
Gewissenhafte Prüfung
Während Mitte Mai bereits die ersten deutschen Tageszeitungen über den „neuen Bischof von Münster“ berichteten, konnte Heufers jedoch nach „gewissenhafter Prüfung und Überlegung… wegen meiner angegriffenen Gesundheit und der damit verbundenen starken Minderung meiner Arbeitsfähigkeit die Annahme der Wahl nicht verantworten“.
Deshalb kam das Domkapitel Anfang Juni 1933 nochmals zusammen, um auf Anweisung des Vatikans aus den übrigen beiden Kandidaten, sprich Mönch und Donders, den künftigen Bischof zu wählen. Diesmal lief alles auf die Nominierung von Donders hinaus, der sich aber – wie bereits 1928/29, als er Bischof von Hildesheim werden sollte und wohl auch bei der wenige Wochen zuvor stattgefunden Wahl – weigerte, das Amt zu übernehmen. In Rom flehte er sozusagen darum, von seiner Person Abstand zu nehmen und einen weiteren Kandidaten für die Wahl zu benennen: „Wenn wir heute es sehen, wie behindert die H. H. Bischöfe von Köln und Berlin durch Mangel fester Gesundheit sind, so ist es eine Gewissenssache, für die Zukunft der Diözese mit 1600 Priestern einen rüstigen, starken Bischof zu erhalten. Ich will auf meinem Platze demselben dann mit aller Treue zum Heil der Kirche zur Seite sein.“
Einstimming
Schließlich lenkte der Papst Anfang Juli ein und „geruhte, das Bittgesuch des besagten Kapitels einwilligend anzunehmen“, indem „er befahl…, der vorherigen Liste Rev. D. Clemens von Galen… hinzuzufügen“. Am 18. Juli 1933, also einige Tage früher als bislang vermutet, wählte das Domkapitel „den Pfarrer Grafen Clemens von Galen… einstimmig zum Bischof von Münster“ und meldete das Wahlergebnis zur Bestätigung an die Preußische Regierung.
Doch damit war der münstersche Wahlmarathon noch nicht beendet. Er verzögerte sich bis Ende August, da zunächst „die örtliche Leitung der Nationalsozialistischen Partei gegen seine Bestätigung Schwierigkeiten“ erhob, was nicht sonderlich verwundert, zumal Pfarrer von Galen in den ersten Julitagen scharf bei der Polizei und beim Regierungspräsidium gegen die versuchte Auflösung des Jungmännerverbandes protestierte.
Am 4. September akzeptierte von Galen in der Berliner Nuntiatur die Wahl zum Bischof, die am 11./12. September öffentlich bekannt wurde. Die feierliche Konsekration und Inthronisation fand vor 70 Jahren, am 28. Oktober 1933, im Dom zu Münster statt.
Text: Thomas Flammer in: Kirche und Leben, 22. 10. 2003 / Fotos: Archiv Kirche und Leben. Zitiert nach: www.bistum-muenster.de