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Teilnehmer des Stationengangs in der Überwasserkirche.
Vorn v.r.: Franz-Josef Lütke Schelhowe, Alfons Gerwing, Elmar Witthaut; dahinter v.r.: Mariele Cordes, Arnold Niemann

Auf den Spuren Kardinal von Galens

Projektbericht über einen „Stationengang“ in Münster

Anläßlich des Schuljubiläums und des 50. Todestages Kardinal von Galens entstand die Idee, Schülern, Eltern und einer interessierten Öffentlichkeit Leben und Wirken des Kardinals in der Zeit des Nationalsozialismus näherzubringen. „Näherbringen“ meint eine intensive, aber auch kritische Auseinandersetzung mit dem „Löwen von Münster“, zu dem vielen Schülern bei einer ersten Umfrage nur einfiel, daß er „irgendwas“ mit dem Widerstand gegen Hitler zu tun hatte. Es entwickelte sich die Idee eines Geschichtsrundgangs auf den Spuren des Kardinals in Münster.

Vorbereitet wurde dieser Stationengang von einigen Schülern und Schülerinnen der Leistungskurse Geschichte 12 und 13 unter der Leitung der LK-Lehrerinnen Mechtild Theilmeier-Wahner und Barbara Wiegmann. Seit Dezember vergangenen Jahres gingen die Schüler auf Materialsuche, stellten Texte zusammen und erdachten vielfältige Präsentationsformen. Das Ergebnis ihrer Projektarbeit stellten sie am 21. März einer Gruppe historisch interessierter Mitschüler, Eltern und Lehrer vor.

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Station 2: Lambertikirche. Fiktives Interview zwischen einem Reporter (Verena Riegel) und dem „Kardinal“ (Eva-Maria Silies)
Als erstes gaben Oliver Cyrus und Johannes Niesmann im Rathaus einen Überblick über die Zeit des Nationalsozialismus in Münster und Deutschland. Mit Hilfe von Dias und Musik stimmten sie die Besucher auf den Stationengang ein. Eine Leitfrage durchzog ihre Ausführungen: „Und was sagten die Kirchen zu Mord, Vertreibung und Euthanasie?“ Nach dieser Einführung ging es zur Lambertikirche, wo von Galen 1929-1933 als Pfarrer tätig gewesen war. Hier hatte er auch zwei seiner berühmten Predigten im Sommer 1941 gehalten. In einem fiktiven Interview eines Reporters (Verena Riegel) mit von Galen (Eva-Maria Silies) wurde deutlich, was den damaligen Bischof von Münster dazu bewegte, gegen die Euthanasie vorzugehen. Mit Zitaten aus der Predigt vom 3. August 1941 erinnerten die Schülerinnen an die - so von Galen - „heiligen Gewissensverpflichtungen, von denen sich niemand befreien kann, die wir erfüllen müssen, koste es uns selbst das Leben“. Mit diesen Worten begründete der Kardinal seine Kritik am NS-Staat, dem er 1933 den Treueid hatte leisten müssen.

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Station 5: Szenische Darstellung vor der Statue Kardinal von Galens am Domplatz
(Ulrich Richter, Daniel Gollmann, Martin Richter)
Bei der 3. Station, gegenüber dem ehemaligen jüdischen Kaufhaus Feiwes, heute Leffers, stellten Anne Schemann und Stefanie Mamsch auch kritische Fragen an von Galen: „Warum haben Sie nach der Reichspogromnacht nicht auch die Judenverfolgung in der Öffentlichkeit angeprangert?“ lautete die Kernfrage. In der fiktiven Antwort erinnerten die Schülerinnen daran, daß von Galen laut Zeitzeugenberichten von einem öffentlichen Protest abgesehen hatte, da die Vertreter der jüdischen Gemeinde in Münster noch schärfere Vergeltungsmaßnahmen fürchteten.

Auf der 4. Station in der Überwasserkirche berichtete Rüdiger Pohl über die Beschlagnahmung und Enteignung des Klosters der Hiltruper Missionare am 19. Juli 1941. Einen Tag später hatte von Galen in seiner Predigt deutliche Worte gegen den „Klostersturm“ gefunden. Auszüge aus dieser Predigt wurden von Eva-Maria Silies rezitiert.

Vor dem Denkmal des Kardinals am Domplatz stellten anschließend Daniel Gollmann, Steffen Teller sowie Ulrich und Markus Richter ein Gespräch zwischen Einheimischen und Touristen dar. In dieser kleinen Szene ging es um die Einstellung der Münsteraner zu „ihrem Kardinal“, erinnert wurde auch an die aufsehenerregende zeitgenössische Wirkung der Predigten. Steffen Teller referierte über die generelle Haltung der Kirchen zum Nationalsozialismus. Mit Blick auf die überdimensionale Statue des Kardinals fragte Ulrich Richter, ob von Galen denn tatsächlich „Widerstand“ geleistet habe. Diese Frage ist in der historischen Forschung umstritten. Eindeutig ist, daß der Bischof von Münster vehement gegen die Vernichtung sog. „unwerten Lebens“ gekämpft hat; fraglich ist, ob er den generellen Umsturz des NS-Regimes gewollt hat.

Zum Abschluß fanden sich alle Teilehmer des Stationengangs in der Marienkapelle des Doms ein (das Grabmal des Kardinals im Dom war leider „blockiert.“ Ulrich Richter und Oliver Cyrus trugen eine Improvisation mit Saxophon und E-Gitarre vor. Andere Projektteilnehmer brachten resümierend zum Ausdruck, welche Bedeutung Kardinal von Galen für unsere Gegenwart haben kann.

Insgesamt waren die Organisatoren zufrieden mit der Veranstaltung und der Resonanz der Teilnehmer. Wurde der Stationengang auch von einigen technischen Pannen und Nieselregen beeinträchtigt, so hat die stufenübergreifende Projektarbeit doch allen Beteiligten - Schülern wie Lehrerinnen - Spaß gemacht! Ein Teil des Programms, das fiktive Interview sowie eine Rezitation aus der Predigt vom 3. August 1941, kam zusätzlich einen Tag später beim offiziellen Festakt der Stadt Münster zum 50. Todestag von Galens zur Aufführung - für die Schüler eine schöne Bestätigung ihrer engagierten Arbeit!

Barbara Wiegmann in: Kardinal-von-Galen-Schule 1946-1996. Münster 1996