Bruder Theodor Koening weiß, dass die Stasi auf ihn 16 Spitzel angesetzt hatte. Foto: kus

Missionshaus war eine „geschlossene Einrichtung“

Wie Bruder Koening ins Blickfeld der Spitzel aus der DDR geriet

Wie kein Zweiter vermag Bruder Theodor Koening über ein noch recht junges Kapitel der deutschen Geschichte zu berichten, das viele leidvolle Schicksale hervorgebracht hat. Mit unzähligen Briefen und Paketsendungen hatte er ab 1974 Kontakt zu vielen hundert DDR-Bürgern gehalten, die unter der Diktatur litten, und unterstützte deren Familien materiell wie ideell. Auch die Übersiedlung vieler Ausreisewilliger konnte er durch sein Herantreten an den Petitionsausschuss des Bundestages beschleunigen. Bei all seinen Bemühungen geriet Koening schnell selbst in das Fadenkreuz der DDR-Staatssicherheit. Über seine Hilfssendungen und die abenteuerlichen Methoden der Stasi berichtet Koening regelmäßig bei Vorträgen vor Schulklassen und interessierten Gruppen. Am Mittwochabend war er auf Einladung des Kirchlichen Bildungswerkes zu Gast im Pfarrheim St. Sebastian.

Eine Reihe von Zufällen hatte Bruder Koening an sein Engagement für die Bürger der DDR herangeführt. Eigentlich wollte er nur der Bitte einiger Briefmarkensammler nach Marken aus Ostdeutschland nachkommen, als er seinen ersten Brief in die DDR schickte. 1978 besuchte er dann Erika, seine erste Briefbekanntschaft im Osten, und war von den dortigen Gegebenheiten erschüttert: „Wenn man mit Zweien zusammen war, sprachen sie offen über die Mängel. Sobald ein Dritter hinzu kam, war Schluss.“ Mit dem Eindruck, dass den Menschen der DDR Unrecht getan wird, kehrte er zurück nach Hiltrup und begann über die Zeitschrift „Hilferufe von drüben“ Kontakte zu knüpfen. Mit den Jahren nahm die Zahl der Paketsendungen so rasant zu, dass Stasi-Mitarbeiter in ihren Akten die Vermutung niederschrieben, hinter den Sendungen stehe nicht eine einzelne Person, sondern eine ganze Organisation.

„Auf mich waren 16 Informelle Mitarbeiter angesetzt. Davon waren fünf bei uns im Haus“, weiß Koening ebenfalls aus den 8625 Seiten starken Akten, die er 1995 einsah. Wie absurd die Interpretationen der Stasi waren, verdeutlichte Koening mit Zitaten. „Koening lebt in einer geschlossenen Einrichtung“ wird das Missionshaus am Klosterwald dort beschrieben. Die Identifizierung Koenings und die Anfertigung von Fotos falle auch wegen der Bewachung durch die benachbarte Polizeiführungsakademie schwer. Sogar Erika und deren Mutter Maria hatten bei Besuchen in Hiltrup den Auftrag bekommen, Bruder Koening auszuspionieren. Zeichnungen des Missionshauses sowie Schilderungen des Tagesablaufs der Ordensgemeinschaft und des anspruchslosen Lebens von Bruder Koening ohne Zigaretten- und mit nur gelegentlichem Alkoholkonsum fertigten seine Besucher nach ihrer Rückkehr in die DDR an.

Noch Stunden hätte Bruder Koening den 20 Zuhörern weiter berichten können. Als er seinen freien Vortrag nach zwei Stunden mehr abbrach als abschloss, war nur eine Frage offen geblieben. Wie geht Bruder Koening mit den Stasi-Spitzeln heute um? „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“, antwortete er mit einer Passage aus dem Vaterunser.

Markus Schönherr, Westfälische Nachrichten 06. 02. 2004