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Dr. Folkert Klaaßen (r.), Verantwortlicher für Programmentwicklung und Profilbildung am Kardinal-von-Galen-Gymnasium, begrüßte Dr. Walter Beerwerth zu einem Vortrag über das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. MZ-Foto: SJT |
Wenn der „Filter im Kopf“ fehlt
Dr. Walter Beerwerth sprach im KvG über das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
Hiltrup.„Beim Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) handelt es sich keinesfalls um eine Phantasiekrankheit, sondern um eine ernste, vererbte neuropsychologische Störung“,
erklärte Dr. Walter Beerwerth von der ADS-Selbsthilfegruppe Münster am Mittwochabend interessierten Eltern und Lehrern im Hiltruper Kardinal-von-Galen-Gymnasium (KvG).
Auf Einladung von Dr. Folkert Klaaßen, dem Verantwortlichen für Schulprogrammentwicklung und Profilbildung am KvG, war Dr. Beerwerth an die Schule gekommen, um Eltern und Lehrern die Probleme von
ADS-Patienten und deren Therapierung näher zu bringen. „Die Schüler, die an dieser Störung leiden, haben es natürlich sehr schwer, in der Schule mitzuhalten und im Klassenverband
Kontakt zu finden“, so Dr. Klaaßen. Daher halte er es für außerordentlich wichtig, über ADS zu informieren, um besser auf die Schülerinnen und Schüler eingehen zu
können.
Straftaten im Internet
Am Dienstag, 16.03. sprach auf Einladung der Schulpflegschaft Kriminalkommissar Christoph Kunstlewe vom Kommissariat Vorbeugung des Polizeipräsidiums Münster zum Thema “Straftaten im
Internet“. Vor Eltern und Lehrern stellte er dar, dass der Surfer im Internet keineswegs anonym ist, sondern jede Einwahl jederzeit zurückverfolgt werden kann. Für Kinder und Jugendliche,
so Herr Kunstlewe, gäbe es zahlreiche Möglichkeiten, im Internet sowohl Täter als auch Opfer zu werden. Täter: z. B. durch das Verschicken beleidigender E-Mails, widerrechtliche Einwahl
in kostenpflichtige Webseiten und Anfertigen von Raubkopien. Opfer: z. B. durch Speicherung von Passwörtern, TAN, Öffnung unbekannter Mailanhänge, Computerbetrug und Dialer. Herr Kunstlewe,
der seine Ausführungen durch direkte Einwahl im Internet während des Vortrages belegte, gab auch praktische Tipps zur Vorbeugung. So verwies er auf Adressen wie www.allwhois.de (Hilfe bei
Beleidigung, Nötigung, Erpressung), www. bsi.de (Hilfe bei Viren, Datenzerstörung). Auch warnte er vor bei Schülern so beliebten Seiten wie www.hausaufgaben.de, da direkt nach der Einwahl
hohe Kosten für den Benutzer entstehen. Zwar, so der Referent, helfe Filtersoftware. Sie ersetze jedoch das wichtige Gespräch mit Kindern und Jugendlichen beim Umgang mit dem Internet nicht. [...]
Phänomen Amok
Die 2. Sitzung der Schulpflegschaft fand am 27. 01. 04 statt. Zum Thema “Gewalt-Ursachen, Hintergründe und Interventionsmöglichkeiten am Beispiel des Phänomens Amok“ referierte
Herr Udo Weiss, Lt. Polizeidirektor und Mitglied unserer Schulpflegschaft. Gemäß dem Protokoll von Frau Loroch verwies Herr Weiss darauf, dass Amokläufe, wie sie auch in den letzten Jahren
an deutschen Schulen vorkamen, niemals aus dem Nichts entstehen, sondern sich über einen längeren Zeitraum ankündigen. Aus der Analyse vieler Fälle kristallisiert sich ein
charakteristisches Ablaufschema heraus. Ein spezifisches traumatisches Ereignis führt zu einem sozialen Rückzug verbunden mit aggressivem Phantasie- und Realitätsverlust. Vor der
explosionsartigen Realisierung der Gewalttat wurde immer eine “Grübelphase“ festgestellt. Als Ursache für einen Amoklauf zählen verschiedene Faktoren: u. a. Psychose,
Persönlichkeitsstörungen, eine ambivalente bzw. distanzierte Bindung in der frühen Kindheit. Als verstärkende Bedingungen gelten problemloser Zugang zu Waffen und extensiver Konsum
von Gewaltdarstellungen in den Medien. [...]
Dorothee Haversath
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„Bei ADS-Patienten fehlt eine Art ,Filter im Kopf', so dass Wichtiges von Unwichtigem nicht unterschieden werden kann, und alle äußeren Einflüsse
auf den Patienten einstürzen“, erklärte Dr. Beerwerth. Insgesamt litten etwa 6 bis 8 Prozent der Bevölkerung in Deutschland unter dieser Störung, so Dr. Beerwerth weiter.
Ein großes Problem sei zudem jedoch auch, dass viele Lehrer und auch Ärzte die Störung nicht richtig erkennen und eine völlig falsche Diagnose stellten. Daher wolle er darüber informieren,
wie man ADS-Patienten helfen könne, so Dr. Beerwerth. Durch eine gründliche Analyse mit anschließender Verhaltenstherapie und entsprechender Medikation sei es mittlerweile nicht mehr unmöglich,
ADS-Patienten zu helfen. „Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Patienten durch die Medikation keinesfalls ruhig gestellt werden, sondern dass vielmehr der ,Filter im Kopf' wieder hergestellt wird, wodurch
die Personen im Kopf wach werden und besser mit ihrer Umwelt zurechtkommen“, erklärte Dr. Beerwerth, der als Mediziner im Gesundheitshaus Münster tätig ist.
SJT, Münstersche Zeitung, 26. März 2004
Churchill und Einstein litten auch unter ADS
Elterninformation am KvG
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Dr. Walter Beerwerth sprach über ADS-Störungen.
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Münster-Hiltrup. Jeder Zehnte ist davon betroffen und
lernt unter erschwerten Bedingungen. Die Rede ist von der “Aufmerksamkeitsdefizitstörung“
ADS oder “Aufmerksamkeitsdefizitstörung gekoppelt mit Hyperaktivität“
ADHS. Am Mittwochabend informierte im KvG-Lehrerzimmer Dr. Walter Beerwerth,
Mitglied der Selbsthilfegruppe ADS/ADHS in Münster über die Problematik.
„Wenn nicht früh genug gegengesteuert wird, kann Schule zum Leidensweg
werden“, erklärte Beerwerth. „Es geht um die Unfähigkeit,
viele Informationen und Emotionen im Kopf zu sortieren und zu dämpfen.“
Ungeachtet dessen waren herausragende Größen wie Churchill, Einstein,
Edison und Hermann Hesse ADS'ler. „Lesen Sie den Steppenwolf von Hermaun
Hesse und Sie haben eine Vorstellung davon, was im Kopf eines ADS'lers abgeht“,
empfahl der Referent.
Heute weiß man, dass es sich bei ADS um eine ererbte neurophysiologische
Fehlsteuerung handelt. Dies bewirkt eine fehlende Feinsteuerung von Emotionen,
Reaktionen, körperlicher Aktivität und Aufinerksarnkeit. Häufige
Begleitdefekte sind Lese-Rechtschreibschwäche, zentrale Hörschwäche,
Winkelfehlsichtigkeit, Rechenschwäche, mangelnde räumliche Orientierung,
unzureichende Feinmotorik, Rechts-Linksschwäche und fehlendes Zeitverständnis.
Häufige emotionale Fehlreaktionen sind Angste, traurige Verstimmung,
Aggression bis zur Kriminalität und Suchtverhalten.
Was tun, wenn denn klar ist, dass ein Kind ADS hat? Sport könne viel
bewirken, insbesondere Sportarten wie Judo und Rudern, weil hier alles überschaubar
sei, rät Beerwerth. Des Weiteren empfahl der Referent immer dann, wenn
Probleme im Sozialverhalten erkennbar werden, mit Medikamenten einzugreifen
und so den Dopaminhaushalt im Gehirn zu regulieren. „Dadurch, dass wir
ADS'ler durch unser Bildungssystem mit großen Klassen rauskicken, fehlen
uns die Spitzenkräfte in der Wirtschaft“, bedauerte Beerwerth.
Er empfahl außerdem, nicht mit dem Kind zu diskutieren, Gefühlsschwankungen
hinzunehmen und nicht alles auf sich zu beziehen, und Organisation mit Hilfe
von Uhr und Kalender zu üben. Hinzu kommt die Empfehlung, Lerntechniken
einzuüben und insbesondere keine Prägungsphasen des sozialen Lernens
zu verpassen, frei nach dem Motto: Was Hänschen nicht lernt...
wie, Westfälische Nachrichten 26. 03. 2004