Mit Michael Sandkamp (r.) diskutierten auf dem Podium (von links) Hans Langela, Johannes Schneider und Carola Möllemann-Appelhoff über die Folgen der Pisa-Studie.

Schneider: Bildung strengt an

Podiumsdiskussion im Kardinal-von-Galen-Gymnasium

Hiltrup. Laut Pisa-Studie stimmt was nicht mit dem deutschen Schulsystem, oder? Dessen Probleme wurden am Mittwochabend bei einer Podiumsdiskussion in der Aula des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums (KvG) diskutiert. Unter der Fragestellung „Bildung für morgen in der Schüle von heute?“ sprachen Eltern, Lehrer und Politiker auf Einladung der Schulpflegschaft über die Ergebnisse und Konsequenzen dieser Studie.

Änderungen
Manfred Kehr (Grüne) und Marie-Theres Kastner (CDU) entdeckten auch Ubereinstimmungen.
Fotos: gro, WN 22. 02. 02
Das schlechte Abschneiden deutscher Schüler bei der Pisa-Studie sei keineswegs überraschend gewesen, erklärte die CDU-Landtagsabgeordnete Marie-Theres Kastner. Schon seit längerer Zeit denke man über grundlegende Änderungen im Schulsystem nach. Kastner führte hier insbesondere die stärkere Betonung von Ganztagsschulen (selbst im Grnndschulbereich) an - nicht als Verpflichtung, sondern als Angebot. „Die Schule als Lebensraum für Kinder“ forderte SPD-Ratsherr Hans Langela. Die Lehranstalt könne und solle aber nicht sämtliche Funktionen des Elternhauses übernehmen. Für eine erfolgreiche und fundierte Ausbildung brauche man vielmehr beides: familiäre Erziehung und qualifizierte schulische Betreuung. Kein notwendiger Zusammenhang bestehe zwischen der Länge der Schulzeit und der Höhe des Wissensstands, stellte FDP-Ratsfrau Carola Möllemann-Appelhoff fest. In fast allen der besser abschneidenden Pisa-Länder werde der Schulabschluss früher gemacht als in Deutschland. Die von der FDP bereits häufig geforderte Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre sei daher ohne „Substanzverlust“ möglich.

Kooperationen
Ratsherr Manfred Kehr (Bündnis 90/Die Grünen) hob als langfristiges Ziel die Neukonzipierung der Lehreraus- und -fortbildung ins Blickfeld. Gleichzeitig sollte man ressortübergreifende Kooperationen, beispielsweise mit der Jugendhilfe, mit Kindergärten oder Büchereien, fördern. Wegkommen müsse man von der Fehleinschätzung „kleine Kinder - kleine Budgets“ und gerade den Grundschulen mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. „Bildung ist ein schweißtreibende Geschäft“, sie sei immer auch mit Anstrengung verbunden, betonte Johannes Schneider als Vertreter des Bischöflichen Generalvikariats. Ansatzpunkt sei deshalb eine positive Grundmotivation zum Lernen und nicht allein eine immer bessere, teurere und kompliziertere technische Ausstattung, die nachher sowieso keiner nutzen könne. Die mehr als zweistündige intensive Diskussion, in die sich die knapp 70 Zuhörer rege einbrachten, machte deutlich, wie sehr um Erklärungen und Lösungsansätze gerungen wird. Moderator Michael Sandkamp zitierte übrigens eine Äußerung skandinavischer Schüler zur Schule, die vielleicht auch mal in Deutschland zu hören sein wird: „Wenn du nicht hingehst, verpasst du was vom Leben!“.
Stefanie Loroch, Münstersche Zeitung 22. 02. 2002
Ralf Leifhelm (l.) vom polizeilichen Staatsschutz und Willy Rüping vom Kommissariat Vorbeugung des Landkreises Coesfeld informierten am Donnerstagabend im Kardinal-von-Galen-Gymnasium zum Thema „Rechtsextremismus“. Foto: Schreiter

Szene-Einstieg oft emotional

Ralf Leifhelm und Willy Rüping referierten über Rechtsradikalismus

Hiltrup. Auf dem Bildschirm ist ein Springerstiefel - in der rechten Szene auch „killer boot“ genannt - zu sehen. Dazu ertönt die Stimme eines jugendlichen Rechtsextremisten, der kühl erläutert, wie sich ein Tritt mit dem Schuhwerk in eine bestimmte Körpergegend anfühlt: Der Kopf wie ein gekochtes Ei; der Bauch wie ein wassergefüllter Luftballon.
Auch mit diesem Symbol gegen die rechte Szene und ihre Gewalt machten die Referenten das Publikum vertraut.
Foto: Schreiter
Der preisgekürte Kurzfilm aus Schweden, der eindrucksvoll die Gefährlichkeit der Waffe „Springerstiefel“ und die rechtsextremistische Brutalität dokumentiert, war ein Bestandteil des Vortrages “Rechtsextremismus“ am Donnerstagabend im Kardinal-von-Galen-Gymnasium. Ralf Leifhelm vom polizeilichen Staatsschutz und Willy Rüping vom Kommissariat Vorbeugung des Landkreises Coesfeld berichteten über die Gewaltbereitschaft, die Waffen, die Musik („Einstiegsdroge“) und die Feindbilder der rechten Szene. Zudem gaben sie Hinweise, wie man mit Zivilcourage gegen rechtsextremistische Gewalt vorgehen kann.
Hintergrund der Veranstaltung: Im Rahmen des Projektes G.I.R.A.F.F.E. (Gegen Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus, Faschismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus) unterrichtet Leifhelm seit Anfang der Woche in den 9. und 10. Klassen des Hiltruper Kardinal-von-Galen-Gymnasiums. Eltern sollten nun die Möglichkeit haben, den Unterrichtsstoff kennenzulernen und sich einen Überblick über Recntsextremismus zu verschaffen. „Nachdem im August 2000 ein Afrikaner von Skinheads durch die Innenstadt von Münster gejagt wurde, entschieden wir uns dafür, das Projekt in dieser Region zu veranstalten“, erklärte Leifhelm. In Hiltrup wolle man nun den Anfang machen, da auch dort „rechtslastige Ereignisse“ bekannt wurden.
Der Einstieg in die Szene sei oft emotional und nicht politisch motiviert. Anerkennung in einer Clique, Zugehörigkeit und Macht seien dabei ausschlaggebende Faktoren. Die Mitglieder des „neuzeitlichen Rechtsextremismus“ seien zwischen 13 und 30 Jahren alt. Der Anteil der Frauen, die in puncto Gewaltbereitschaft den Männern nicht unterlegen seien, belaufe sich auf sieben bis zehn Prozent - Tendenz steigend. Typische Waffen seien nicht mehr der sperrige Baseballschläger, sondern Schlagringe, Butterfly-Messer, Teleskop-Totschläger und die mit Stahlkappen ausgestatteten Springerstiefel. „In den Schulklassen erfahren wir oft, dass eine Waffe ein beruhigendes Gefühl vermittelt“, so Rüping. Doch vielen Schülern sei nicht bekannt, dass bereits das Mitführen eines beidseitig geschliffenen Messers strafbar ist.
„So einfach der Einstieg in die Szene ist, so schwierig ist der Ausstieg“, betonte Rüping. Mordkampagnen und Hasstiraden würden den Ausstieg begleiten. So habe eine Studie des Tagesspiegels aufgezeigt, dass in den letzten zehn Jahren drei potentielle Aussteiger durch rechte Gewalt ums Leben kamen.
TOR, Münstersche Zeitung 19. 01. 2002