Fukushima - ein Jahr danach. Unterwegs in die Zukunft

10. Interdiszplinärer Studientag am KvG 2012

Fukushima im Fokus


Münster-Hiltrup. Die Katastrophe von Fukushima liegt rund ein Jahr zurück. Sie zeigte in besonderer Härte, wie unberechenbar Natur und Technik zuschlagen können. Erst ein Erdbeben, dann ein Tsunami und eine daraus resultierende Kernschmelze trafen die japanische Stadt. Eine Debatte um Atomkraft wurde durch diesen Vorfall entzündet. 200 Schüler des Kardinal-von-Galen Gymnasiums nahmen diese zum Anlass, um einen genauen Blick auf die Vorkommnisse in Fukushima zu werfen, mögliche Hintergründe zu beleuchten und über Atomkraft zu debattieren.
Schüler, Eltern und Lehrer hatten den Studientag „Fukushima – ein Jahr danach, Unterwegs in die Zukunft“ vor bereitet. Geleitet wurde das Vorbereitungsteam von den KvG-Lehrern Hildegard Rickert und Udo Hühn.
Der 10. Studientag des KvG war wie immer interdisziplinär ausgerichtet. Entsprechend weit gefächert war auch das Feld der geladenen Experten. Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft leiteten Arbeitsgruppen zu ihren jeweiligen Fachgebieten.
Begonnen wurde der Tag mit einem Impuls, der von den Schülern Maike Niemann und Volker Betz gemeinsam mit Matthias Hagemann, Lehrer am KvG, erarbeitet worden war. Thema war das Buch „Die Wolke“. Der Jugendroman, welcher kurze Zeit nach dem Unglück von Tschernobyl erschien, erzählt die Geschichte der 14-jährigen Janna-Berta, die durch einen Reaktorunfall zu einem Strahlenopfer wird. Gelesene Passagen aus dem Buch wurden mit Bildern aus dem gleichnamigem Film unterlegt. Der Impuls machte deutlich, wie gravierend die Auswirkungen eines Reaktorunfalls sein können.
Die medizinischen Folgen eines Reaktorunfalls zeigte Dr. Thomas Hülshoff, Arzt und Sozialmediziner an der Katholischen Hochschule NRW, auf. Er informierte über die Strahlenbelastung und die Gesundheitsgefährdung nach den Unfällen in Tschernobyl und Fukushima. Bis heute sind 94 Prozent aller Arbeiter, die sich dem Atomkraftwerk Tschernobyl direkt nach der Katastrophe näherten, verstorben oder leiden an schweren Erkrankungen.
Nach dem Referat teilten sich die Schüler in Arbeitsgruppen auf. Ein Arbeitskreis rekonstruierte die Vorgänge in Fukushima unter einem technischen Aspekt und lernte, wie ein Atomkraftwerk funktioniert. Komplett anders erging es den Teilnehmern der Gruppe zwei. Sie setzten sich mit ethischen Aspekten auseinander, indem sie die Nothilfe nach einer atomaren Katastrophe genauer beleuchteten. Wie sich die Katastrophe von Fukushima auf die Umwelt auswirkt, erfuhren die Schüler anhand der Tee-Ernte 2011 in Japan.
Ein Untertitel des Studientages war „Unterwegs in die Zukunft“. Dass die Gemeinde Nottuln hier ziemlich gut unterwegs ist, berichtete der Bürgermeister der Kommune, Peter Amadeus Schneider. Die Gemeinde hat einen Fotovoltaikpark in Verbindung mit Energieleittechnik errichtet.
Mechthild Theilmeier-Wahner führte durch die abschließende Podiumsdiskussion. In einer sehr engagierten und teils emotional geführten Diskussion tauschten sich Schüler und Experten aus. Das Thema „Sicherheit“ bewegte viele Schüler. Es wurde auch durch die beiden traurigen Beispiele Fukushima und Tschernobyl klar, dass Atomkraftwerke weiterhin ein nur schwer kalkulierbares Risiko darstellen. Der Atomausstieg entfachte bei allen Beteiligten großes Interesse und die Debatte über eine Finanzierung führte zur Freude der Schüler zu einem Streitgespräch unter den Experten.
Weiter wurde auch über regenerative Energie und die Chancen in der Zukunft debattiert. Wie kann man Energie sparen? In dieser Frage waren sich dann ausnahmsweise alles Beteiligten einig, und Peter Amadeus Schneider brachte es auf den Punkt: „Es fängt bei jedem selbst an.“
Philip Niemann, Westfälische Nachrichten 01.03.2012

Kreatives Schreiben am 10. Interdisziplinären Studientag - ein Nachtrag

„Solange ich lebe, werde ich warnen“ – dieses Lebensmotto hat sich die Jugendbuch-Autorin Gudrun Pausewang vorgenommen und beispielsweise in ihrem Anti-Atomkraft-Roman „Die Wolke“ umgesetzt. Am diesjährigen Interdisziplinären Studientag zum Thema „Fukushima – Ein Jahr danach“ hat sich eine Gruppe von Schülerinnen und Schüler auf kreative Art und Weise in einer Schreibwerkstatt mit dem Thema auseinandergesetzt. Hier zwei beeindruckende Texte von Daniel Hülsmann (Q1) und Hannah Krömer (Q1), die nachdenklich stimmen…
Eine Kurzgeschichte
„Die Radioaktivität könnte unbemerkt in Knochenmark und Muskel eindringen“, sagten die Reporter im Fernsehen. Immer wieder sah ich die Explosion des Kraftwerks. Das graue Betonmonster, wie es von einem Moment zum anderen zu einer grauen Staubwolke wurde. Die Leute, die schon gestorben sind bei der Explosion, sind schon unfassbar viele Leben, die einfach zunichte gemacht wurden, doch was ist mit den Leuten, die nur in der Nähe waren? Ich dachte darüber nach, wie diese Leute weitermachen sollten, wie soll man als Familienvater damit leben, dass man unter Umständen schon in zehn Jahren tot sein könnte, die eigene Tochter gerade mal zwei Jahre alt, vielleicht sogar ein weiteres Kind im Anmarsch. Mir schauderte es bei dem Gedanken und ich bekam Gänsehaut und fing an zu schwitzen. Ich legte mich zu meiner Tochter und hörte, wie sie leise atmete. Diese Situation zu meistern kann man doch nicht einfach verlangen. Mit dem Wissen zu leben, dass man seine Kinder früh im Stich lassen könnte, die Frau viel zu lange alleinerziehend lässt. Ich streichelte meiner Tochter über die Wange und ging zurück zum Fernseher. Langsam ließ ich meine Gedanken Revue passieren. Es fiel mir schwer das alles einzuordnen und einzuschätzen, was die richtige Reaktion wäre, doch war ich mir sicher, dass ich Schwierigkeiten haben würde mit so einer Last zu leben. In die Augen der eigenen Kinder zu schauen und ihnen nicht sagen zu können, es werde bestimmt alles gut. Woher sollte man denn wissen, dass es nicht in einem war und verseuchte, dass die Radioaktivität die Muskeln nicht determiniert hatte und einen bald qualvoll sterben ließ und wenn schon nicht der Vater sterben würde, dann vielleicht die Kinder oder die Frau, oder beide.
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, bemerkte meine zitternden Hände und mein klitschnasses T-Shirt. Ich stand auf, doch meine Beine waren so wackelig, dass ich kaum stehen konnte. Schwindel erpackte mich, als ich mich ansah.
Schemenhaft erblickte ich die Betten, bestimmt fünfzig allein in diesem Raum, viele Menschen, die die Haare verloren hatten, viele die ihr Leben schon gelassen hatten. Ich wollte raus, frische Luft schnappen, doch wusste ich, dass die nicht frisch war, sondern verseucht.
Stattdessen stolperte ich die Treppe hinauf, stellte mich auf das Dach, schaute ein letztes Mal in Richtung des Atomkraftwerks, das mein Leben verändert hatte und erlöste mich mit dem Sprung in die Tiefe.
Daniel Hülsmann (Q1)
Innerer Monolog aus der Perspektive von Janna-Berta, der 14-jährigen Protagonistin des Jugendromans „Die Wolke“ (Gudrun Pausewang)
Und so sterbe ich leise und unbemerkt. Verschwinde, wie geschmackloser Rauch, wie der Morgentau.
Mit vergifteten Tränen in den Augen sehe ich die Welt zu einem grauen Aschefeld mit leeren Hüllen und toten Schmetterlingen werden.
Von der Süße des Lebens bleibt ein bitterer Geschmack auf meiner Zunge.
Ich habe alles verloren und die Zeit heilt nicht alle Wunden.
Hört auf zu sagen: „Ich weiß, wie du dich fühlst.“ Wie könntet ihr?
Warum fangen wir Kriege gegen uns selbst an, wenn wir doch wissen, dass einzig und allein der Tod Gewinner ist?
Wie verrückt unserer Vorapokalypse doch ist, die wir zu verhindern versuchen und gleichzeitig vorantreiben.
Aber was habe ich getan, um so gestraft zu werden?
Ich bin allein. Allein mit meinem Schmerz, einsam in meiner Einsamkeit.
Ich weiß nicht, wie ich weitermachen soll, wo ich anfangen soll, in einem neuen Leben, das mein Altes hätte sein sollen.
Denn ich sterbe. Sterbe leise und unbemerkt.
Verschwinde, wie geschmackloser Rauch, wie der Morgentau.
Hannah Krömer (Q1)