Dialog mit dem Islam

2. Interdisziplinärer Studientag am KvG 2002

Acht Experten aus verschiedenen Bereichen diskutierten in der KvG-Aula mit Moderator Thomas Sternberg (M.) und den Schülern der Oberstufe über den Islam. Foto: abo

Islam ist nicht gleich Terror

KvG-Studientag zum „Dialog mit dem Islam“ / Podiumsdiskussion mit Experten

Münster-Hiltrup. Rund 3,2 Millionen Menschen mit islamischem Glauben leben in Deutschland, in Münster sind es rund 6000. Spätestens mit den Ereignissen vom 11. September 2001 ist der Islam als Religion stark in den Fokus gerückt. Das Kardinal-von-Galen-Gymnasium entschied sich daher, den Studientag für die Oberstufe im Sinne eines „Dialogs mit dem Islam“ zu gestalten.
Der Tag begann mit einer Informationsphase am Morgen. Danach erarbeiteten sich elf Gruppen spezielle Themen wie „Jugendliche Muslime in Deutschland“, „Islam und Coca-Cola“ oder die „Rolle der Frau im Islam“. Dritter Teil des Studientages war eine Podiumsdiskussion, zu der das Gymnasium acht Experten eingeladen hatte. Moderator Prof. Dr. Thomas Steinberg, Leiter der Akademie Franz-Hitze-Haus in Münster, freute sich über die große und kompetente Runde, die über 90 Minuten ein differenziertes Bild des Islams zeichnete und auf Fragen der Schüler einging.
Zur Einführung wies der Islam-Experte Professor Adel Khoury von der Universität Münster darauf hin, dass vom Islam als „einheitliche Religion“ - ähnlich wie beim Christentum - kaum die Rede sein könne: „Von Marokko bis Indonesien ist der Islam in sehr verschiedenen Kulturkreisen zu Hause“, sagte Khoury. Somit dürfe der Islam nicht pauschal verurteilt werden. Der im Libanon geborene Theologe stellte klar: „Terroristen, die im Namen des Islams handeln, sind mit ihrer Deutung eine Minderheit.“ Die Einschätzung konnteHans-Martin Zimmermann, Leitender Kriminaldirektor der Polizei-Führungsakademie m Hiltrup, mit Zahlen belegen. Auf etwa ein Prozent schätzte er den Anteil der Extremisten unter den in Deutschland lebenden Muslimen. Mit den Pfarrern Klaus Wirth und Rainer Irmgedruth sowie Rafet Öztürk vom Ausländerbeirat der Stadt Münster saßen drei Referenten auf dem Podium, die sich im islamisch-christlichen Arbeitskreis Münster konkret um den Dialog zwischen den Menschen bemühen. „Dialog heißt dabei für mich ein Miteinander im Alltag“, sagte Klaus Wirth, Pfarrer der Gemeinde St. Bernhard in Angelmodde. Schwierigkeiten machten diejenigen Christen oder Muslime, die „in vulgärer oder „künstlich-edler“ Art ihre Religion verträten. Trotzdem: „Es gibt auf beiden Seiten die ehrliche Bereitschatft für ein friedliches Miteinander.“
Die Schüler zeigten besonderes Interesse am Thema „Frauen im Islam“. Am Podium war man sich einig, dass im Koran einige Vorschriften zu finden sind, die aus westlicher Sicht nur schwer zu verstehen sind. Wenn es an zwei Stellen heißt, der Mann sei der Frau höher gestellt, so höre sich das altbacken an. „Aber auch in der Bibel finden sich solche Stellen“, rief Nazih Musharbash, Schulleiter aus Bad Iburg und in Jordanien geborener Christ, in Erinnerung. Und was das Kopftuch und den Schleier angeht, merkte Pfarrer Irmgedruth an, dass auch sie der westlichen Kultur nicht vollkommen fremd seien. Beim „schönsten Tag des Lebens“, an dem Hochzeitstag, tragen viele Frauen einen Schleier.
abo, Westfälische Nachrichten 03. 07. 2002
Viele Fragen hatten die Oberstufenschüler des Hiltruper Kardinal-von-Galen-Gymnasiums an die Expertenrunde auf dem Podium. Die Diskussion bildete den Abschluss des interdisziplinären Studientages zum Thema „Dialog mit dem Islam“. MZ-Foto: Loroch

Mehrheit lehnt Gewalt ab

KvG-Studientag zum Thema „Dialog mit dem Islam“

HILTRUP. Die Ereignisse des 11. September 2001 haben überall ihre Spuren hinterlassen. Die Anstrengungen, sich mit dem islamischen Glauben, seinen Grundlagen und Hintergründen auseinanderzusetzen, nehmen zu. Am Hiltruper Kardinal-von-Galen-Gymnasium fand am Dienstag ein interdisziplinärer Studientag zum Thema „Dialog mit dem Islam“ statt.
Nach einer Einführung durch Pfarrer Rainer Irmgedruth aus Mettingen erarbeiteten die Oberstufenschüler in Kleingruppen Fragestellungen, die einen tieferen Einblick in das Verhältnis von Christen und Muslimen zueinander, die Rolle der Frau im Islam oder die Schari'a, die islamische Rechtsordnung, zuließen. Auch Terrorismus und Fundamentalismus im Namen Allahs waren ein Thema, das bei der Podiumsdiskussion mit acht Experten aus den Bereichen Religion, Verwaltung und den Medien kritisch hinterfragt wurde.
„Die Bilder von jubelnden Arabern, die nach dem Anschlag in New York um die Welt gingen“, war sich Vedat Acikgöz, freier Journalist beim WDR, sicher, „zeigen nur die Reaktionen einer kleinen Minderheit.“ Schlimm wäre es, so Hans-Martin Zimmermann, leitender Kriminaldirektor der Polizei-Führungsakademie, nach diesen Ereignissen eine grundlegende Angst zu entwickeln und hinter jedem Muslimen einen gewaltbereiten Extremisten zu vermuten. Von den 3,2 Millionen Menschen islamischen Glaubens in Deutschland stufe die Polizei lediglich etwa 100 als sogenannte „Schläfer“ ein. „Der Islam ist eine friedliche Religion“, betonte Prof. Dr. Adel Khoury, emeritierter Professor der Katholischen Fakultät der Universität Münster, „die große Mehrheit der Gelehrten lehnt diese Form der Gewalt entschieden ab.“
Auf Unverständnis stieß bei den Schülern auch die Rolle der Frau, die von einer Gleichberechtigung, wie wir sie kennen, weit entfernt scheint. Warum müssen diese ihre „Reize“ verdecken, die Männer aber nicht? Wie ist das Züchtigungsrecht der Männer mit den Menschenrechten vereinbar? Laut Koran, erklärte Prof. Dr. Khoury, sind Männer und Frauen im religiösen Bereich gleichgestellt, nur im rechtlichen habe der Mann ihr gegenüber eine Art Vollmacht. Diese basiere allerdings auf dem Gedanken, dass jener für Frau und Kind zu sorgen und einzustehen habe. Mittlerweile sei bei einigen Gelehrten ein Umdenken in Gang gesetzt worden: Verdient eine Frauen selbst Geld für die Familie, sollen ihr auch die gleichen Rechte zustehen wie dem Mann. Pfarrer Klaus Wirth aus Münster hob hervor: „Auch die Katholische Kirche hat die Aufklärungsgeschichte noch nicht lange hinter sich. Wir sollten uns lieber selber an die Nase fassen, bevor wir andere verurteilen.“
Prof. Dr. Thomas Sternberg, Leiter der Akademie Franz Hitze Haus, moderierte die Diskussion, an der sich auch Dr. Candan Basoglu, Ärztin der Uni-Klinik Münster, Nazih Musharbash, Schulleiter aus Bad Iburg, und Rafet Öztürk, Sprecher des christlich-islamischen Arbeitskreises des Ausländerbeirates, beteiligten.
Stefanie Loroch, Münstersche Zeitung 03. 07. 2002