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Eine afrikanische Odyssee

Klaus Brinkbäumer präsentierte das Thema seines neuen Buches

Der Spiegelreporter Klaus Brinkbäumer stellte in Hiltrup sein neues Buch „Der Traum vom Leben“ vor, was er zum Anlass nahm, seiner alten Schule am 29.11.2006 ebenfalls einen Besuch abzustatten, um dort in der gut besetzten Aula OberstufenschülerInnen das Thema der afrikanischen Flüchtlinge etwas näher zu bringen.
Viele sehen abends in den Nachrichten Bilder von entkräfteten Flüchtlingen, die sich auf den Weg von Afrika nach Europa machen mit Booten, die alles andere als vertrauenerweckend sind. Entweder man sieht, wie an europäischen Stränden Opfer geborgen werden, oder wie Behördensprecher der Mittelmeerländer sich dagegen wehren, diese Menschen als Asylanten aufzunehmen. Stattdessen haben sich beispielsweise Mitte September die Regierungen Spaniens und Senegals darauf geeinigt, „diskret“ mit den „Rückführungen“ der auf den Kanarischen Inseln gestrandeten illegalen Einwanderer zu beginnen.
02 Klaus Brinkbäumer nahm mittels eines kurzen Films zu Beginn der Veranstaltung die SchülerInnen mit in die afrikanische Welt, um die Lebensverhältnisse zu illustrieren, aus denen diese Menschen aufbrechen, denn diejenigen, die während eines Auswanderversuchs zurückgeschickt werden, werden nicht aufgeben, stattdessen werden sie es auf anderen Wegen wieder versuchen, in der Hoffnung, diesen Versuch zu überleben und in Europa anzukommen.
Was diese Thematik besonders anschaulich machte, war, dass der Autor diesen Namenlosen mit seinem neuen Buch einen ganz konkreten Namen gibt: John Ampan. Nach einer allgemeinen Einführung, wie er John Ampan kennen gelernt hat und zu dem Thema für sein Buch gekommen ist, was er mit Fotos zu den einzelnen Stationen und kleinen Erlebnissen am Rand versah, nahm er die Schülerinnen mit auf die eindrucksvoll nachgezeichnete Reise des Ghanaers John, der seine Familie vor 14 Jahren zurücklassen musste, weil er nur in der Flucht nach Europa die Chance sah, sie durchzubringen.
03 Klaus Brinkbäumer hat sich gemeinsam mit John Ampan noch einmal auf dessen Fluchtroute begeben, was er dort erlebt, ist Realität. So konnte er beispielsweise den Schülerinnen ein Stück weit das Nichtfunktionieren der gesellschaftlichen Strukturen in Afrika verdeutlichen, wie an Bob Izoua deutlich wurde, den er in Benin City, Nigeria, getroffen hat: Izoua ist erfolgreicher „Immobilienhai“, der acht Frauen und 80 private Autos hat, doch wenn er aus dem Fenster seines Hauses guckt, „sieht er Straßen, auf denen er mit diesen Autos nicht fahren kann, nur Schlaglöcher und Sand, und er sieht Familien, die vor Feuerstellen hocken und Ratten grillen.“ Würde er nur ein Auto verkaufen, könnte er eine ganze Menge bewegen, doch dann hätte dieser Geschäftsmann ein Auto weniger, was natürlich nicht geht.
Doch neben diesen sozialen Missständen wurde auch die Tatsache deutlich, dass ein Einzelner auf diesem Weg überhaupt keine Chance hat, dass er auf die gegenseitige Solidarität lebensnotwendig angewiesen ist.
Dass hier ein Thema präsentiert wurde, das die SchülerInnen ansprach, zeigte sich an einer ganzen Anzahl - auch kritischer - Nachfragen.
Auf die Nachfrage beispielsweise, inwieweit man es denn verantworten könne, sich als gut ausgestatteter Europäer in einem klimatisierten, geländefähigen Fahrzeug an einen Flüchtlingstreck durch die Wüste anzuschließen, sagte Brinkbäumer klar, dass er bei einer solchen Recherche nie seine Sonderrolle als Beobachter ablegen konnte: „In Afrika vergisst du die Farbe der eigenen Haut nie. Sie hebt dich heraus. Sie fällt auf, sie schützt dich manchmal, und manchmal gefährdet sie dich.“
Gleichzeitig verdeutlichte er, dass auch ein gut ausgestatteter Europäer durch falsches Mitleid und milde Gaben nicht in der Lage sei, das grundsätzliche Problem, das hinter diesen Flüchtlingen steht, zu beheben.
Insgesamt wurden die SchülerInnen an diesem Vormittag in einer Doppelstunde mit einem Thema konfrontiert, das sie sichtlich zum Nachdenken angeregt hat.
Dr. Anja Stiglic, KvG-Jahrbuch 2006/07