Zum Literaturgespräch trafen sich rund 20 Hiltruper in der Bücherei des KvG-Gymnasiums. Foto: kus

Literaturtreff 2000/01


Liebeserklärung an die Musik

Literaturgespräch mit Multimedia-Einsatz

Münster-Hiltrup. Die rund 20 Teilnehmer des Literaturgesprächs, die am Mittwochabend in der Schülerbücherei des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums zusammentrafen, waren sich einig: Der besprochene Roman „Das Wüten der ganzen Welt“ von Maarten 't Hart ist ein äußerst lesens- und empfehlenswertes Buch. Die Geschichte, die der 1944 geborene Autor darin erzählt, wirkt auf den ersten Blick wie ein Krimi, entpuppt sich beim genauen Hinschauen aber als sehr vielschichtig. Man könnte das 411 Seiten starke Werk auch als einen Entwicklungsroman mit satirischen Zügen oder einfach als Liebeserklärung an die Musik beschreiben.
Ein zwölfjähriger Junge wird Zeuge eines Mordes. Dieses Ereignis prägt sein ganzes Leben. Der Angst, von dem Mörder aufgespürt und selbst umgebracht zu werden, kann er nur durch die Kraft der Musik entfliehen.
Besonders der Erzählstil des holländischen Schriftstellers fand bei den Teilnehmern großen Anklang. Immer wieder fänden sich im Text Hinweise auf spätere Geschehnisse. Dieses System der Vorausdeutungen sei frühestens beim zweiten Lesen zu durchschauen.
Sehr aufschlussreich war ein Fernsehporträt von Maarten 't Hart, das den Literaturfans als Videoaufzeichnung vorgeführt wurde. Viele Elemente des Romans finden sich auch im Leben des Schriftstellers wieder. So teilt Maarten 't Hart mit der Hauptfigur seines Buches die Liebe zur Musik. Seine gemächliche, aber fesselnde Erzählweise resultiert offensichtlich aus seiner unspektakulären Art der Lebensführung. So besitzt er kein Auto und bewältigt alle Wege mit dem Fahrrad. Seine Bücher verfasst er nicht am Computer, sondern ausnahmslos handschriftlich.
Von den zahlreichen im Buch angesprochenen Musikstücken gab Gesprächsleiter Fritz Vorspel einige Hörproben. Von der zum Buch erschienenen CD waren unter anderem Stücke von Bach und Mozart zu hören.
Markus Schönherr, Westfälische Nachrichten 01. 12. 2000
20.6.
2001
Eine persönliche Erfahrung. Suhrkamp 1991
Mit der Geburt seines ersten Sohnes verändert sich für den Lehrer Bird schlagartig das Leben: Das Baby leidet an einer Gehirnhernie, und der junge Vater sieht sich mit der Frage konfrontiert, ob lebenserhaltende Maßnahmen eingeleitet werden sollen. Wer soll diese Entscheidung über Leben und Tod fällen? 'Eine persönliche Erfahrung' erzählt das Schicksal von Kenzaburo Oes Sohn, über dessen Leben der Autor zu entscheiden hatte. Heute ist Oes Sohn ein erfolgreicher Komponist und Musiker.
Kenzaburo Oe, geboren 1935 auf der Insel Shikoku, Romanistik-Studium an der Tokyo University. Abschluß mit einer Arbeit über Sartre, schrieb Essays, Geschichten und Romane. Mit 23 Jahren erhielt Oe den renommierten Akutagawa-Preis, es folgten zahlreiche weitere Auszeichungen - darunter 1994 der Nobelpreis für Literatur. Oe lebt in Tokio. www.amazon.de
21.2.
2001
Die schöne Frau Seidenman. Deutsch von Klaus Staemmler. Diogenes 1997
Die Handlung spielt im Warschau des Jahres 1943, also unter der deutschen Besatzung, greift aber sowohl zurück bis vor 1914 als auch voraus bis nach 1968. In kunstvoller Komposition verflicht Szczypiorski das Schicksal zahlreicher, jedoch gut unterscheidbarer Personen zu einem Gesamtbild der Zeit. Der Titel des Romans verweist auf eine der Hauptfiguren, die Witwe des Röntgenologen Seidenman, die an die Gestapo ausgeliefert, dann aber von „Menschen guten Willens“ gerettet wird.
Der Erfolgsroman des 1924 geborenen Polen Andrzej Szczypiorski wurde 1988 als erstes Buch in der ersten Sendung des „Literarischen Quartetts“ vorgestellt und eroberte schnell die Bestsellerlisten.
Andrzej Szczypiorski (* 3. Februar 1924 in Warschau; † 16. Mai 2000 ebenda) war ein polnischer Schriftsteller, der nicht nur durch sein literarisches, sondern auch durch sein politisches Engagement Bedeutung erlangte.
Szczypiorskis Werk erklärt sich aus seinem Lebensweg: Aufgewachsen in einer vom Bildungsbürgertum geprägten Familie, erlebte er als 15-Jähriger, wie Deutsche seine Heimat besetzten. Während dieser Zeit studierte er an der Untergrunduniversität, die sein Vater Adam, ein sozialistischer Historiker und Mathematiker, mitorganisierte. 1944 nahm Andrzej Szczypiorski am Warschauer Aufstand teil, wurde gefangengenommen und im KZ Sachsenhausen interniert.
Nach dem Krieg arbeitete er zunächst als Journalist, 1955 begann er seine literarische Tätigkeit. Unter dem Pseudonym Maurice S. Andrews schrieb er einige Kriminalromane. Ab 1977 veröffentlichte er zunehmend in Oppositionszeitungen, was nach Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981 zu seiner zeitweiligen Internierung führte.
Nach der politischen Wende in Polen 1989 bekleidete er als Vertreter der Unia Demokratyczna bis 1991 das Amt eines Senators in der zweiten Kammer des polnischen Parlaments. 1989 wurde ihm der Nelly-Sachs-Preis und 1995 der Andreas-Gryphius-Preis verliehen. [...] 1995 erhielt er für seine Bemühungen um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland. www.wikipedia.de
29.11.
2000
Das Wüten der ganzen Welt. Deutsch von Marianne Holberg. Piper 1999
Der Roman "Das Wüten der ganzen Welt", dessen Titel einer Zeile aus der Bach-Kantate 80 (Eine feste Burg ist unser Gott) entlehnt ist, spielt in der südholländischen Provinz der Nachkriegszeit. In seinem autobiografisch geprägten Werk, in dem eine düstere Atmosphäre ständigen Bedrohtseins vorherrscht, verbindet t’Hart eine spannende Kriminalgeschichte mit Elementen des Bildungs- und Erziehungsromans.
Als Sohn eines Lumpenhändlers wächst Alexander Goudevyl in einer Kleinstadt auf. Der Junge lebt mit den alten Geschichten vom Krieg und der ständigen Ermahnung, das Geld zusammenzuhalten. Von seinen Schulkameraden nur gehänselt und verprügelt und vom Dorfpolizisten missbraucht, sucht Alexander Zuflucht in der Musik: Seine Passion ist das Klavierspiel, vor allem liebt er die Musik von Johann Sebastian Bach. - Das einschneidendste Erlebnis seiner Kindheit ist der Mord an dem Ortspolizisten Vroombout [...] Die Spuren führen zurück zu einem Kriegsverbrechen im Jahr 1940: Bei der Flucht nach England wird ein holländisches Fischerboot mit sieben Juden an Bord von einem deutschen U-Boot versenkt. In einem Beiboot können jedoch die sieben Passagiere und der Fischer Vroombout – der spätere Ortspolizist – entkommen. Als Alexander Jahre später Klavierstunden nimmt und sich mit den Söhnen seiner Lehrerin anfreundet, ahnt er, dass hier eine Verbindung zu dem Verbrechen liegen könnte [...]
In zahlreiche Sprachen übersetzt, wurde das Werk ein großer Kritiker- und Publikumserfolg. Der niederländische Buchhandel ehrte den Roman 1994 mit dem Gouden strop, dem Preis für das spannendste Buch. D. M., www.amazon.de
Maarten 't Hart (* 25. November 1944 in Maassluis) ist ein niederländischer Schriftsteller.
[...] Er wuchs in einer von strengem Calvinismus geprägten Umgebung auf und hegte bereits als Kind ein Interesse für Bücher. Er studierte von 1962 bis 1968 an der Universität Leiden Biologie mit dem Schwerpunkt Verhaltensforschung und arbeitete von 1970 bis 1987 an derselben Universität als Dozent für Verhaltensbiologie.[...]
1971 debütierte er als Schriftsteller [...] mit dem Roman Stenen voor een ransuil. 1975 erhielt er den Multatuli-Literaturpreis für seinen ersten Erzählungsband und erzielte 1978 mit dem Buch über seine Jugenderinnerungen Een vlucht regenwulpen (dt. „Ein Schwarm Regenbrachvögel“), das 1981 verfilmt wurde, seinen ersten großen Erfolg.
Der Autor steht in der Tradition der realistischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Ihn interessieren weniger die Strukturfeinheiten des modernen Romans als die genaue und atmosphärisch dichte Beschreibung der ihm vertrauten Landschaft und der Menschen seiner Heimat. Viel von seinem Werk enthält autobiographische Elemente, seine Bücher sind überwiegend aus der Ich-Perspektive geschrieben. Beliebte und oft wiederkehrende Themen sind der Calvinismus (obwohl 't Hart überzeugter Atheist ist), die klassische Musik (vor allem Johann Sebastian Bach), die unglückliche Liebe und die Natur.
Maarten 't Hart gehört zu den beliebtesten Autoren der Niederlande. Seine Bücher wurden in viele Sprachen, u. a. ins Deutsche, Englische und Schwedische übersetzt. Er ist seit 1967 mit Anneke van den Muyzenberg verheiratet und lebt als Autor und Kolumnist auf dem „Teylingerhof“ im südholländischen Warmond bei Leiden. www.wikipedia.de
30.8.
2000
Die Glut. Piper 1999
Jahrzehntelang war das umfangreiche schriftstellerische Werk des Ungarn Sándor Márai (geb. 1900) in seiner Heimat verboten. Sein Roman Die Glut, der im Jahre 1942 erschien, [...] ruft den exzellenten Literaten wieder ins Gedächtnis zurück.
Nach einundvierzig Jahren erwartet der zurückgezogen lebende General den Besuch seines Jugendfreundes Konrád. Henrik und Konrád waren, trotz ihrer unterschiedlichen sozialen Herkunft, in der Schule und beim Militär unzertrennlich. Auch später, als Henrik die schöne Krisztina zur Frau nimmt, scheint ihre Freundschaft harmonisch. Bis zu dem Tag, als die beiden Männer zur Jagd gehen und Henrik spürt, wie sein Freund auf ihn anlegt und zielt. Mit diesem Ereignis ändert sich das Leben der drei. Wußte Krisztina von dem geplanten Anschlag? Hatte sie vielleicht sogar ein heimliches Verhältnis mit Konrád? Sie spricht bis zu ihrem Tod kein Wort mehr mit Henrik. Jetzt, nach einundvierzig Jahren, hat er immer noch Fragen, auf deren Beantwortung er geduldig wartet.
Mit messerscharfen Beobachtungen und wunderbar klugen Sätzen, die man sich alle anstreichen möchte, analysiert Márai menschliche Leidenschaft in seinem Kammerspiel des untergehenden k.u.k.-Reiches. [...] Manuela Haselberger, www.amazon.de
Sándor Márai wurde 1900 in Kaschau (Kosice, heute Slowakei) als Sohn eines Juristen geboren. Als 1919 die Donaumonarchie zerfiel, übersiedelte er nach Deutschland und studierte Journalistik. Er begann in der "Frankfurter Zeitung" zu publizieren, arbeitete später als Korrespondent in Paris und als Reisejournalist, ehe er mit seiner Frau Ilona 1928 in sein Heimatland Ungarn zurückkehrte. In den dreißiger Jahren publizierte er regelmäßig in Zeitungen und Zeitschriften und schrieb zahlreiche Gesellschaftsromane. 1942 wurde er in die Ungarische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Während der deutschen Besetzung Ungarns 1944 und 45 versteckte sich Marai mit seiner jüdischen Frau auf dem Land. 1948 emigrierte die Familie: Marais Werke waren im kommunistischen Ungarn zwar nicht verboten worden, doch wurden sie von der Kritik vernichtend beurteilt. Erfolg blieb für ihn unerreichbar. Nach einigen Jahren in der Schweiz, Italien und Kanada wanderten die Marais 1957 nach San Diego, Kalifornien aus. Als 1986 seine Frau an Krebs starb, und sein Sohn kurz darauf ebenfalls starb, nahm sich Sandor Marai 1989 das Leben. Die Renaissance seiner Werke in Ungarn und Deutschland erlebte er nicht mehr. www.perlentaucher.de