Literaturtreff 1998/99


5.5.
1999
Herrn Lublins Laden. Deutsch von Inken Kraft. Fischer 1997
Leipzig nach dem Ersten Weltkrieg - in Herrn Lublins Laden, einem alten Handelshaus in der Altstadt, treffen einander die alteingesessenen jüdischen Kaufleute. Der Ich-Erzähler beaufsichtigt den Laden und seine Gedanken schweifen ab zu Lublins Lebensgeschichte, zu den Nachbarn und deren Geschichten. Zwischendurch treten immer wieder Leute ein und er findet sich plötzlich inmitten von Auseinandersetzungen, erfährt und erlebt kauzige Anekdoten und philosophische Streitgespräche.Diese vielen Erzählungen von Verkupplung, Liebe und Tod, die farbigen Schilderungen voller Charme und Klugheit lassen eine ganz eigene Atmosphäre, die dem Vergessen anheim gegeben war, noch einmal lebendig werden.
Samuel Josef Agnon wurde am 17. Juli 1888 in Buczaz/Galizien als Samuel Josef Czaczkes geboren. Er starb am 17. Februar 1970 in Tel Aviv. Agnon entstammt einer jüdischen Kaufmannsfamilie und wuchs im damals zu Österreich-Ungarn gehörenden Galizien auf.1907 wanderte er als einer der ersten Pioniere nach Palästina aus, kehrte dann nach Europa zurück und lebte 1913-1924 in Berlin und gehörte dort zum Kreis um Martin Buber. 1924 kehrte er nach Jerusalem zurück. Neben seiner Arbeit als Schriftsteller warer in mehreren jüdischen Organisationen tätig. In seinen Werken setzte er sich vornehmlich mit den Menschen, der Tradition und der Kultur Galiziens und Israels auseinander. 1966 erhielt er zusammen mit Nelly Sachs den Nobelpreis für Literatur. www.amazon.de
3.2.
1999
Erklärt Pereira. Deutsch von Karin Fleischanderl. dtv 1997
Der Schauplatz der Handlung ist Lissabon im August 1938, zu einem Zeitpunkt also, da der Faschismus nicht nur in Portugal, sondern auch in Deutschland, Italien und Spanien siegreich war.
Pereira ist ein gebildeter älterer Herr, der die Kulturseite einer Tageszeitung redigiert, ohne sich mit der unangenehmen Realität der Diktatur, in der er lebt, auseinanderzusetzen: lieber verkehrt er mit den Toten, indem er mit dem Photo seiner verstorbenen Frau plaudert und die französischen Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts, die er verehrt, ins Portugiesische übersetzt. Zur Konfrontation mit der Realität kommt er durch den jungen Monteiro Rossi, der über den Tod in der Literatur promoviert hat und ihm anbietet, Nekrologe berühmter Schriftsteller zu schreiben. In Wirklichkeit organisiert er jedoch den antifaschistischen Widerstand, mit dem sich Pereira zwischen Widerstreben und Anteilnahme ebenfalls zu solidarisieren beginnt. [...]
Seine besondere Lebendigkeit gewinnt der Roman aus der Verwendung der gesprochenen Sprache. Pereiras Geschichte wird in einem lockeren und beiläufigen kolloquialen Stil erzählt [...]. Ernst und Ironie, Wichtiges und Unwichtiges gehen darin unversehens ineinander über und fesseln den Leser, indem sie ihm Ausblicke ins Ungewisse geben. [...] Alice Vollenweider, www.amazon.de
Antonio Tabucchi (* 1943 in Vecchiano bei Pisa; † 2012 in Lissabon) war ein italienischer Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Übersetzer.
Tabucchi studierte Geisteswissenschaften in Paris und Pisa. An der Universität Genua wurde er Professor für die portugiesische Sprache und Literatur. Antonio Tabucchi lebte in der Toskana und in Portugal.
Sein Werk Erklärt Pereira (Sostiene Pereira, 1994), das in der Zeit der Salazar-Diktatur spielt, machte ihn bekannt und gilt bis heute als seine wichtigste Arbeit. Es wurde 1995 von Roberto Faenza mit Marcello Mastroianni in der Hauptrolle verfilmt.
Die Erinnerungswelt der Figuren und die existenzielle Suche, die sie bewegt, spielen eine prominente Rolle in Antonio Tabucchis Werk. In seinen Büchern wird die Beziehung zwischen Fiktion und Realität sowie (wenn auch nicht immer direkt) zwischen dem Leser und dem Schriftsteller in Frage gestellt. Antonio Tabucchi war ein engagierter Intellektueller, der oft im europäischen und internationalen Kontext Stellung bezog und sich für die Menschenrechte einsetzte. Er sah seine Aufgabe darin, seine Leser zum Zweifeln, also zum Nachdenken zu bringen. www.wikipedia.de
11.11.
1998
Briefe der Liebe. Deutsch von Albrecht Lempp. Fischer 1995
" 'Krystyna Chylinska ist nicht dein wirklicher Name', sagtest Du wie beiläufig und ohne auf meine Antwort zu warten. Dabei weiß ich nicht, ob das eine Frage oder eine Feststellung war. In ein paar Minuten gehe ich von hier fort. Die Briefe, die ich Dir während all der Jahre geschrieben habe, lasse ich hier", schreibt Krystyna Chylinska, die eigentlich Elzbieta Elsner heißt, in ihrem letzten von sieben Briefen, mit dem der Roman beginnt. Sie hatte sich ihr Glück erschlichen, sich unter falschem Namen ein neues Leben aufgebaut. In ihren Briefen an Andrzej, die sie ihm nie zu lesen gibt, legt sie Rechenschaft darüber ab. Als Sechzehnjährige war sie ihrem Vater freiwillig ins Ghetto von Warschau gefolgt, wo sie als Prostituierte arbeitete, um sie beide durchzubringen. Nach der Flucht aus dem Ghetto nimmt sie eine neue Identität an. Doch immer lebt sie in der Angst, jemand könne sie wiedererkennen und ihre Existenz zerstören. Schließlich holt die Vergangenheit sie ein: "Krystyna Chylinska ist nicht dein wirklicher Name..." www.amazon.de
Maria Nurowska, geb. 1944 in dem Dorf Okolek, studierte Polonistik und Slawistik an der Warschauer Universität und debütierte 1974 in der Kulturzeitschrift "Literatura".
Nurowskas Bücher sind mit der faszinierenden Biographie der Autorin eng verbunden. Sie ist die Enkelin eines Aristokraten - des Schlossherrn von Homel - und die Tochter eines Legionärs und einer Soldatin der "Heimatarmee", die während des Zweiten Weltkriegs im Untergrund gegen die deutsche Besatzung kämpfte; eine außergewöhnliche Frau, die nach dem Krieg zu einer glühenden Kommunistin wurde. Auch die Heldinnen von Maria Nurowska sind außergewöhnliche Frauen. Die Autorin beschreibt sie als leidenschaftliche Liebende, deren Partner - verstrickt in die große Politik und enttäuscht vom Gang der Geschichte - nicht fähig sind, mit diesen Frauen Schritt zu halten. www.culture.pl
12.8.
1998
Nenn die Nacht nicht Nacht. Deutsch von Ruth Achlama. Suhrkamp 1997
Der israelische Schriftsteller Amos Oz erzählt die Geschichte einer kleinen städtischen Gemeinschaft mit ihren bizarren Charakteren und schildert gleichzeitig die komplexe Beziehung zwischen Mann und Frau.
Tel Kedar, eine glanzlose israelische Provinzstadt in der Negev-Wüste zwischen Mai und September 1989. Hier soll ein Entziehungsheim für jugendliche Drogensüchtige gebaut werden. Verantwortlich für das Projekt ist die Lehrerin Noa, die sich durch diese Aufgabe größere innere Selbständigkeit gegenüber ihrem Lebensgefährten Theo erhofft. Nicht gerechnet hat sie allerdings mit dem Widerstand der Bewohner von Tel Kedar, die ihre Stadt nicht zum "nationalen Abfalleimer" verkommen sehen wollen.
01Amos Oz, geboren 1939 in Jerusalem, studierte Literaturwissenschaften und Philosophie an der hebräischen Universität in Jerusalem. Er gehört zu den großen israelischen Schriftstellern der Gegenwart und unterrichtet hebräische Literatur an der Ben-Gurion-Universität in Beersheva. Seit 1986 lebt er mit seiner Familie in Arad in der Negev-Wüste. www.amazon.de