„Kehrt um“

Gottesdienst zum Aschermittwoch 2008

01 02 03
1. Recht bekommen die Entrechteten, die Blinden können sehn. Friede zieht auf Erden Kreise, die Tage der Trauer vergehn.
2. Trost erfahren die Verzweifelten, die Lahmen wieder gehn. Neu wird das Gesicht der Erde, die Tage der Trauer vergehn.
3. Licht fällt über die Gefangenen, die Toten auferstehn. Steine werden weich und fließen, die Tage der Trauer vergehn.
Text: Th. Laubach, Melodie: Th. Quast
04 05 06

Das Wirken Jesu in Galiläa

Erstes Auftreten in Galiläa
Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

Die Berufung der ersten Jünger
Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sofort rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.

„Kehrt um!“ - oder: Das tägliche Exerzitium der Socke


Im vorhin gehörten Text überliefert der Evangelist Markus den Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu. Wenn man den wesentlichen Inhalt der Episode zusammenstreicht, eindampft, dann kristallisieren sich zwei Aufrufe, zwei Imperative heraus. Kurz und bündig. Der erste Aufruf ist „Kehrt um!“. Das „Glaubt an das Evangelium“ ist nicht minder wichtig, oder dass das „Reich Gottes nahe ist“. „Kehrt um!“ ist der Knackpunkt dieses ersten Aufrufes. Und der zweite ist fast gleich: „Kommt her!“. So ruft er die ersten Freunde zu sich, die ihm als Jünger nachfolgen. Man kann fast alles weglassen. Wichtig sind „Kehrt um! Kommt her!“

Das "Corpus delicti": Die Skisocken des Schulseelsorgers
Jetzt kann man zunächst vermuten, dass das „Kehrt um!“ eigentlich nicht schwer ist. Man kann umkehren, sich umdrehen, weil man die Sportsachen oder die Pausenstulle zu Hause vergessen hat. Oder als Erwachsener auf der Autobahn, wenn man die Ausfahrt verpasst hat. Dann fährt man an der nächsten heraus, wechselt die Spur und fährt zurück und hat eben einen kleinen Umweg gemacht. Alles schon passiert.

Aber das alles wäre für Jesus viel zu einfach. Sich umdrehen. Umkehren. Rein körperlich.

Dies ist eine Ski-Socke. Die  war zwar letzte Woche im Wildschönau im Einsatz. Keine Sorge, die ist frisch gewaschen. Eine Skisocke. Fein gewebt und gestrickt. Man kann sogar die Schuhgröße nachlesen, und es gibt den Hinweis im Strickmuster, ob die Socke für den linken oder rechten Fuß geeignet ist.

Und wenn man diese Socke so betrachtet, dann bekommt das „Kehrt um!“ gleich einen anderen Akzent. (Die Socke einem Schüler zuwerfen - Schüler zieht die Socke auf links, in dem er tief hineingreift und sie umdreht). Und was ist jetzt zu sehen: von innen ist die Socke eher unschön. Etwas össelig, verwobene Nähte, etwas filzig. Ich glaube, dass das mit uns Menschen ebenfalls so ist. Das „Kehrt um!“ will uns Mut machen, dass wir tief in uns hineinschauen, so tief, wie N. N. vorhin in die Socke gegriffen hat, um ihn umzukehren, auf links zu ziehen. Dass wir unser Innen für uns nach außen kehren. Wer bin ich eigentlich wirklich? Was ist meine Persönlichkeit, mein Charakter? Was macht mich wesentlich aus? Es ist wie bei der Asche in diesen Laborgläsern: Vorher war das grünes Gewächs. Jetzt ist es feiner, grauer, elementarer Staub, Kohlenstoff.
Wer bin ich wirklich?

Die Jünger kapieren das sofort. Jakobus, Andreas, Johannes und Simon schauen sich nicht um. Sie lassen die Netze hinter sich liegen, selbst ihren Vater Zebedäus, und folgen Jesus Christus nach. Erst kommt also das „Kehrt um!“ - wenn das einigermaßen gelingt, dann können wir auch Christen sein, Jesus nachfolgen.

Ich lade jeden von euch zu einer kleinen Übung in der Fastenzeit ein. Wir haben 40 Tage Fastenzeit. Und ihr zieht (hoffentlich) 40 mal Morgen für Morgen frische Socken an. Hoffentlich. Ich lade euch ein, jeden Morgen beim Sockenheraussuchen euch diese Frage an dich selbst vor Augen zu führen: Wer bin ich? Und was macht mich wesentlich aus? 40 Tage lang. Dass kann mal besser klappen und mal schlechter. Damit wir Kraft und Segen für dieses tägliche Exerzitium haben, dafür segnen wir gleich gemeinsam die Asche und zeichnen uns das Aschekreuz als Segenszeichen für die kommende Zeit auf die Stirn. Also: Jeden Morgen: Wer bin ich eigentlich? Was ist mein Charakter, meine Persönlichkeit? Beim Sockenumdrehen...
Marius Stelzer