Festtag der katholischen Schulen im Bistum Münster

Billerbeck, 13. September 2001

Schweigeminute

Das Stadion ist gefüllt mit 50.000 Zuschauern. Die Hymnen sind verklungen, die Spieler stehen bereit auf dem Rasen ... doch der Schiedsrichter pfeift das Spiel noch nicht an. In einer Schweigeminute wird an die Opfer der Flugzeugkatastrophe erinnert. Alle schweigen, weil es in dieser Situation keine Worte gibt für das, was sich ereignet hat. Alle 50.000 schweigen ... jeder schweigt anders als der andere ...: Einer verdrängt den Gedanken an das Schlimme, -einer ist innerlich berührt und dankbar für die Stille, - einer hat die Nachrichten nur oberflächlich mitbekommen und weiß nicht genau, worum es geht, -einer betet ohne Worte, dass ihm so etwas nicht passieren möge, - einer fasst die Hand seiner Freundin und drückt sie, - einer denkt an seine Oma, die vor einem halben Jahr gestorben ist... einer murmelt halbleise zu seinem Nachbarn hin... dass man doch nichts machen kann.
Eine einzige Schweigeminute kann die Poren der Seele öffnen für das, was man nur zwischen den Zeilen lesen und ohne den Dauerlärm des Alltags hören kann. Wir brauchen Schweigeminuten - nicht nur im Fußballstadion nach einer Flugzeugkatastrophe. Ohne das Schweigen bleibt zu viel vom Geheimnis des Lebens zugeschüttet, unzugänglich und stumm. Zum Glück gibt es die kostbaren Schweigeminuten - manchmal sind sie bewusst geplant, manchmal sind sie aufbewahrt und zugänglich in einer Kirche oder einem anderen Raum der Stille, manchmal ereignen sie sich mitten im Lärm des Lebens.
Gott sei Dank!
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Schülerinnen und Schüler auf dem Weg Innehalten in der St. Johann-Kirche
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In der Stadt

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Ankunft in Billerbeck: Blick auf St. Johann und den Dom   Reges Treiben in der Billerbecker Fußgängerzone: 2700 Schülerinnen und Schüler aus dem Bistum - vom Niederrhein bis zur Nordsee - sind gekommen Die Domtürme
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Vom Reden- und vom Schweigen-müssen

Beides tut nicht gut, ,Du musst!' tut nie gut. Wo es sich nicht vermeiden lässt, tut es weh. Wer sich gezwungen sieht, vor Menschen über eine Sache, Situation oder Frage etwas sagen zu müssen, dessen Atem wird schneller, die Gedanken schwirren durcheinander, die Stimme stottert, die Haut verfärbt sich, Finger und Hände finden keine Ruhe. Er braucht Unterstützung, Freiraum, Entlastung, damit er sprechen wollen kann.
Auch wer sprechen will, den Mund aufmachen will, fühlt sich oft beeinträchtigt durch Gedanken, dass er das eine sagen und anderes nicht sagen darf. Das ist so in der Schule, in der Clique, in der Familie. Manchmal ist dies Einbildung und entspricht nicht der Wirklichkeit. Aber es gibt die bittere Erfahrung, zu viel gesagt, zu offen gesprochen zu haben. - Deswegen braucht jeder Mensch ein Zuhause, einen Ort, wo er frei sprechen kann. Zu Hause kann es geheilt werden, wenn jemand verletzt wurde. Zu Hause gibt es Schutz für den, der zu viel gesagt hat.
Wer zum Schweigen verurteilt ist, droht zu platzen oder ganz zu verkümmern - und sucht andere Wege, das auszudrücken und auszuleben, was in ihm schwelt oder kocht. Auch das Verschwiegene will sprechen, ist wirksam und bestimmt das Zusammenleben auf versteckte, oft gefährliche Weise. Wer das Gefühl hat, schweigen zu müssen, braucht Menschen und Gelegenheiten, das Schweigen zu lösen. So kann er klären, wie und wo er schweigen will.
Von dem Konflikt, reden oder schweigen zu müssen, bleibt kein Mensch verschont. Deshalb braucht jeder ein Zuhause - oder Formen eines Zuhauses, wo er alles bereden und beschweigen kann.
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Eröffnung des Festes am Domplatz
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In und an der Realschule

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“Engel, unsere schweigenden Begleiter“:
Projekt der Liebfrauenschule Coesfeld
Indien-Projekt der Marienschule Münster Tansania-Projekt der Fürstenberg-Realschule Recke
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Präsentation: Religiöse Projektwoche des Gymnasiums Mariengarden, Borken-Burlo Theaterstück der Bischof-Ketteler-Schule Bocholt
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Angebot “Berufsberatung und Lebensplanung“: Franz-Josef Ruwe und Winfried Nießen vom Kardinal-von-Galen-Gymnasium Münster-Hiltrup
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O Glück des Mannes,
der nicht ging im Rat der Frevler,
den Weg der Sünder nicht beschritt,
am Sitz der Dreisten nicht saß,
sondern Lust hat an SEINER Weisung,
über seiner Weisung murmelt tages und nachts!
Der wird sein
wie ein Baum, an Wassergräben verpflanzt,
der zu seiner Zeit gibt seine Frucht
und sein Laub welkt nicht:
was alles er tut, es gelingt.
Nicht so sind die Frevler,
sondern wie Spreu, die ein Wind verweht.
Darum bestehen Frevler nicht im Gericht,
Sünder in der Gemeinde der Bewährten.
Denn ER kennt den Weg der Bewährten,
aber der Weg der Frevler verliert sich.

(Psalm 1, Übersetzung von Martin Buber)
...und zwischendurch Auflockerung durch Ballspiele; auch für das leibliche Wohl ist gesorgt!
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Auch das ist im Realschulgebäude zu finden:
Die Heilerziehungspfleger/innen der Liebfrauenschule Geldern bieten Wahrnehmungserfahrungen an:
Wasser erleben, ohne nass zu werden; spiegelverkehrtes Malen

 

In der St. Johann-Kirche

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Die Gruppe “Saitenwechsel“ (Monika und Rudolf Deneke, Ulrich Walters, Beatrix Nyga) präsentiert Gospels und sorgt für Stimmung in der St. Johann-Kirche

“Die können stundenlang telefonieren...“


“Ich möchte wissen, was ihr euch immer stundenlang zu erzählen habt“, sagt die Mutter - und weiß, dass sie es nicht erfahren wird. Eben gerade haben die 15-jährige Tochter und ihre Freundin auf der Straße gestanden und geredet und erzählt, gelacht und erregt diskutiert - eine halbe Stunde lang. Dann folgte zu Hause ein eher brummiger Kurzaufenthalt in der Küche, Rückfragen seitens der Mutter gab es Gott sei Dank nicht, das Essen schmeckte mittelmäßig, der Rucksack war in einer Ecke, allerdings noch nicht an dem dafür vorgesehenen Platz gelandet - und nach kurzem Durchatmen folgte der Griff zum Telefon. “Ich muss noch mal eben mit...“
Ja, was haben die beiden Wichtiges zu erzählen. Natürlich nur Wichtiges, vielleicht heute nichts über die Zensuren, sondern über die Lehrer, die Clique, den Freund, über das wichtige Drumherum. Die Sprache ist ein Geschenk, eine wunderbare Möglichkeit, das, was in einem ist, herauszulassen und das, was sich rundherum abspielt, zu verarbeiten. Was es zu erzählen gibt, ist von außen betrachtet vielleicht nicht wichtig, sinnvoll, nützlich, angemessen. Aber das Leben umfasst nicht nur Sinnvolles...!
Bis sich herausstellt, was für das Leben wirklich wichtig ist, braucht es noch viel Zeit - viele Gespräche zu Hause, auf der Straße ... und viele Telefonate. Dafür hat der liebe Gott die Sprache erfunden.
“Gott sei Dank!“
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Gospels bei Kerzenschein Durchblick zum Dom Ausstellung “Durchkreuztes Leben“ (Kunstkurs 13 des KvG)


Im und am Pfarrheim

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Streitschlichterprojekt im Pfarrheim Kleine Pause Schüler- und Lehrercafé im Pfarrheim

Eucharistie-
feier
im Dom

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Ein Wort aus purem Gold

Es gibt Worte, die sind mit Gold nicht aufzuwiegen und mit Geld nicht zu bezahlen, - die kann man sich nicht erarbeiten oder erbetteln. Da sagt einer, dass ich wirklich etwas kann,... dass ich ihm gefalle,... dass wieder alles in Ordnung ist... Da sagt einer „Danke“. Er sagt es und ich lebe wieder auf und ernähre mich davon. Mein Gesicht hellt sich auf - dass jeder es sehen kann, mein Rücken richtet sich auf, ich spüre mich selbst und meine Kräfte, mein Atem wird ruhig, tief und stark.
Das goldene Wort kann ich mir nicht selber ausdenken oder sagen. Ich bin angewiesen auf das Wunder, dass ein anderer es mir schenkt. Dieser weiß selbst nicht, was sein Wort bedeutet und auslöst, er fühlt sich auch nicht wie ein großzügiger Geber. Er spürte etwas, wollte das ausdrücken und suchte nach Worten ... und wurde fündig. Vielleicht ist er erstaunt und beglückt, wenn er nach Jahren hört: „Was du mir damals gesagt hast, das hat mir gut getan“.
  Vom „Ich“ und „Nein“ zum „Du“, „Ihr“, „Wir“
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Goldene Worte kann man nicht verordnen, produzieren oder benutzen. Sie können sich ereignen in einem Klima der Aufmerksamkeit und Freiheit - keiner hat sie in der Hand, keiner kann sie erzwingen. Aber jeder braucht, damit er leben kann, auch Worte aus purem Gold. 56 57

Der Abschluss

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Begeisterte Zuhörerinnen
Auf dem Domplatz noch einmal: “Saitenwechsel“
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Ich rede...

weil ich Kontakt suche...
weil ich eigentlich immer rede...
weil ich das Heft in die Hand nehmen will...
weil ich mich damit gut durchsetzen kann...
weil ich zeigen will, dass ich „was drauf“ habe...
weil ich immer etwas dagegen sagen muss...
weil ich Judith unterstützen will...
weil ich mir nichts gefallen lasse...
weil ich Bianca toll finde und obwohl mir nur blöde und komische Worte einfallen...
weil ich mir alles von der Seele reden muss...
obwohl ich damit immer wieder etwas kaputt mache...
obwohl ich oft nichts damit erreiche...
obwohl ich weiß, dass ich mir damit Ärger einhandle...
weil es wunderbar ist, miteinander zu reden.

Ich schweige...

weil mir nichts einfällt...
weil ich wütend bin...
weil wir uns auch ohne viele Worte verstehen...
weil ich mit dem Typen nicht reden will...
weil ich Angst habe, mich zu blamieren...
weil ich diese Gemeinheit nicht weitererzählen will...
weil ich in Ruhe staunen will...
obwohl ich etwas hätte sagen müssen, um Judith zu unterstützen...
obwohl ich gute Einfälle habe...
obwohl ich mindestens so viel weiß wie manche Dauerredner...
obwohl ich Thorsten mit einem Satz fertig machen könnte...
obwohl ich Bianca etwas total Liebes sagen möchte...
obwohl ich laut schreien möchte...
weil es mir so gut tut...
obwohl ich das Schweigen furchtbar finde.
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Auf dem Heimweg
nach einem schönen Tag