Abiturfeier 1993


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Abiturreden
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Aus der Abiturrede des Elternvertreters


[…] In den Jahren Ihrer Schulzeit, liebe Abiturientia - das sind die Jahre etwa von 1980 bis heute - hat sich unsere Gesellschaft, wie immer innerhalb eines solchen Zeitraumes, im Großen, Übergreifenden, wie auch im Kleinen, Überschaubaren, verändert:
• Auflösung des Ost-West-Gegensatzes; Ende des Sozialismus; deutsche Einigung;
• damit teilweise einhergehend aber auch: Aufbrechen von Hass und Gewalt und Intoleranz gegen alles Fremde; und zwar oft bei denen, die wir kennen als Nachbarn, Mitbürger, Schulkameraden
Wir können heute, am 12. Juni 1993, nicht feiern, ohne uns die bedrückende Tatsache bewusst zu machen, dass in deutschen Städten und Gemeinden ausländische Mitmenschen lebensgefährlich bedroht werden - auch gestern und heute -, und dass diese Bedrohung auch in Hiltrup gegenwärtig ist.
Gerade diese Jahrgangsstufe hat mitbekommen, dass ihre Altersgenossen aktiv waren: in Rostock, Mölln, Solingen - und bei den vielen unseligen Nachahmern.
Und wir, die Eltern, wir müssen uns fragen lassen und uns wohl auch selbst fragen: Was haben wir falsch gemacht? Welche Ursachen hat unsere Generation gesetzt für Intoleranz und Rücksichtslosigkeit, für Menschenverachtung und Selbstüberschätzung bei denen, die wir doch zu „anständigen Menschen“ erziehen wollten? Haben nicht schon wir, die Älteren, die Balance verloren zwischen den immer hektischer aufeinander folgenden Neuerungen des High-Tech-Zeitalters, besonders im Bereich der Medien, und dem, was wir selbst für bewahrenswert halten in Religion, Moral, Lebensgestaltung? - Wie können wir da von Ihnen, den Jüngeren, Souveränität in der Gestaltung Ihres Lebensentwurfes erwarten?
Über all die verständlichen Versuche, der eigenen Krisen durch „In-sich-hinein-horchen, Sich-einlassen, durch „Selbst-Erfahrung“ Herr zu werden, haben wir wohl die Fremd-Erfahrung - das Erleben des Fremden - vernachlässigt.
Und jetzt komme ich doch zu einer Art Lebensweisheit: Wir müssen uns und die anderen annehmen, wie wir und wie sie sind - und nicht so, wie wir uns selbst oder sie gerne hätten. Toleranz ist nämlich nicht unterschiedsloses „Hübsch-finden“ von allem und jedem - wohl aber Achtung dessen, was anders ist, als wir es für richtig halten.
Wenn die Schulzeit am KvG Sie, liebe Abiturientia, zu einer solchen Haltung befähigt hat, dann sollten Sie dankbar sein.
Und an dieser Stelle darf ich wohl auch ein persönliches Wort des Dankes an Sie, Herr Direktor Brinkbäumer, und an die Damen und Herren des Kollegiums sagen; und ich bin sicher, dass ich das auch in Ihrem Namen, verehrte Eltern, tun kann. Ich hatte jetzt fünfzehn Jahre Gelegenheit, in Klassen- und Jahrgangsstufenpflegschaft, in Schulpflegschaft und Schulkonferenz mitzuarbeiten. Dabei habe ich natürlich nicht nur Freude und Erfolg, sondern auch Missverständnisse und Ärger erlebt. - Eines war aber immer gewährleistet: Ein offenes Ohr auch für uns Eltern und die Bereitschaft, unsere Sorgen, Wünsche und Kritik aufzugreifen. Für diese gute Atmosphäre am KvG war auch die nach wie vor enge Verbindung zum benachbarten Missionshaus der Hiltruper Patres von Bedeutung, die nicht nur in der Person des Schulseelsorgers Pater Norbert Becker - und nicht nur in der Musik - ihren Ausdruck findet. Zumindest davon aber konnten wir uns vorhin im Abschlussgottesdienst überzeugen.
Diese Schule trägt den Namen des Kardinals von Galen, der, wie wir alle wissen, ein aufrechter, mutiger Mann in schwieriger Zeit war. Ich denke auch an ihn und wünsche Ihnen für Ihre Zukunft in Ausbildung, Studium, Beruf und Familie mit Gottes Hilfe den Mut, Stellung zu beziehen, die Toleranz, den Anderen anzunehmen, wie er ist, und die Kraft, das auch durchzuhalten!
Jürgen Schulenkorf
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