Friedrich Dürrenmatt: Der Besuch der alten Dame

präsentiert vom Literaturkurs 12 (Rüs) am 04. 06. 2008, 19 Uhr in der Aula des KvG

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Die Milliardärin Claire Zachanassian, die „alte Dame“ aus dem Titel, besucht die verarmte Kleinstadt Güllen, in der sie ihre Jugendzeit als Klara („Kläri“) Wäscher verbracht hat. Während die Einwohner auf finanzielle Zuwendungen hoffen, sucht Claire Rache für ein altes Unrecht. Als sie in ihrer Jugend von dem Güllener Alfred Ill ein Kind erwartete, bestritt dieser die Vaterschaft und gewann mit Hilfe bestochener Zeugen den von Klara gegen ihn angestrengten Prozess. Klara Wäscher musste ihre Heimat arm, wehrlos und entehrt verlassen, gelangte jedoch danach durch Heirat mit einem Ölquellenbesitzer, der noch zahlreiche weitere Ehen folgten, zu riesigem Vermögen.
Die nun hochangesehene „alte Dame“ unterbreitet den Güllenern ein unmoralisches Angebot: Sie würde ihnen eine Milliarde schenken, wenn sie Ill umbrächten. Diese Forderung lehnen die Bewohner zunächst entrüstet ab, doch seltsamerweise beginnen sie, Geld auszugeben, die Kaufleute gewähren Kredite, so als ob alle mit einem größeren Vermögenszuwachs rechnen könnten. Als Ill sich schließlich von Schuld und Angst zermürbt seinen Mitbürgern ausliefern will, lässt der Bürgermeister in der Presse verkünden, dass Frau Zachanassian durch Vermittlung ihres Jugendfreundes Ill eine Milliardenstiftung gewähre. Die Bürger bilden eine Gasse und Ill geht auf sie zu. Als die Bürger den Blick freigeben, liegt Ill tot am Boden. „Herzschlag“ und „aus Freude“ sind die Kommentare von Stadtarzt und Presse. Claire lässt den Toten in einen mitgebrachten Sarg legen („Ich habe meinen Geliebten gefunden“). Der Bürgermeister bekommt den Milliardenscheck.
Das Stück ist mit seinem Thema der Käuflichkeit einer ganzen Stadt eine „lächerliche Groteske“. Die Bürger werden zunächst als „ehrliche Bürger“ gezeigt, dann jedoch bald als lächerliche Figuren vorgeführt, indem sie der Verführung des Geldes unterliegen. Lügner, geldgierige Betrüger und hohle Phrasendrescher gehören zum klassischen Personal einer Komödie. Demgegenüber steht – wie oben bereits beschrieben – das Schicksal des Einzelnen, der seine Schuld erkennt und in der Lage ist, ernsthaft mit ihr umzugehen. Alfred Ill erweist sich im Kontrast zur geistlosen Masse als der einzige ernst zu nehmende moralische Mensch der Stadt. - Nicht umsonst heißt die Stadt „Güllen“ (vgl. Gülle), denn sie erweist sich als ein Sumpf der Unmenschlichkeit, ein Morast voll Unmoral. Auch in anderen Worten sind versteckte Querverweise zu finden. So etwa der Name Zachanassian, der sich aus den Namen der zur Zeit Dürrenmatts sehr bekannten Milliardäre Zaharoff, Onassis und Gulbenkian zusammensetzt.
Text: Wikipedia