Die Unterweltrocker


Münster-Hiltrup.
Wohl jeder, der im Lateinunterricht aufgepasst hat, kennt die Tragödie des Orpheus. Der antike Harfenspieler möchte seine verstorbene Geliebte Eurydike aus der Unterwelt retten, doch er schafft es nicht. So bleibt das berühmte Liebespaar der griechischen Mythologie für immer getrennt.
Wie man diese Tragödie in ein modernes Musical verwandelt, zeigen Schüler des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums (KvG). Im Juni führen sie das Musiktheater „Orpheus in der Unterwelt” auf. Rund 50 Schüler der Stufen 10, 11 und 12 arbeiten seit dem vergangenen Sommer an dieser Produktion. Die Vorbereitungen für das fünfte KvG-Musical laufen auf Hochtouren. Und zum fünften Mal zeigen die mitwirkenden Tänzer, Schauspieler, Bühnenbildner und Sänger großes Engagement. Die Liebesgeschichte von Orpheus und Eurydike hingegen hat sich seit der Antike etwas verändert.
Dem Orpheus, um den es sich aktuell bei den Theaterproben dreht, wäre es sicherlich sehr gelegen gekommen, seine Freundin Eurydike nie wieder sehen zu müssen. Denn das einst so liebestrunkene Paar hat sich auseinandergelebt. Von der mythischen Unterwelt und dem Reich der Toten bleibt ein Haufen versoffener Rocker. Die Götter des Olymps unter Göttervater Jupiter sind heute Angestellte des Plattenlabels „Jupiter Records”, in dem auch das naive Popmusiksternchen Eurydike ihre Chance sieht. Der Unterweltrocker Pluto will die Frau des Luftgitarristen Orpheus groß herausbringen. Ihr Musikergatte, der sich laut Eurydike „längst der Oldie-Szene anschließen kann“, ist ihr dabei etwas im Wege. „Ich bin auf dem Karrieresprung, du rennst einer anderen hinterher, trennen wir uns also,” schlägt sie pragmatisch vor. Orpheus wäre es ebenfalls am liebsten, „diese Zicke endlich loszuwerden”. Aber was wäre die Geschichte, wenn nicht auch die Presse noch ordentlich mitmischen würde? Als Vertreter der öffentliche Meinung reißen sich Reporter um Informationen über die Entwicklung des Musikerpaares. Dass im Blick der Öffentlichkeit eine Trennung nicht so ohne Weiteres möglich ist, muss Orpheus feststellen, als er sich schließlich in der Unterwelt wiederfindet.
Auf der Bühne wechselt die Kulisse von einer bonbonfarbenen Götterwelt zum dunkel-gruftigen Rockerquartier. Für das Bühnenbild hat sich eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Kunstlehrers Carsten Goerke zusammengefunden und ein sehr detaillierten und aufwendigen Hintergrund gemeistert. Die Leitung der Proben liegt in den Händen des Regisseurs Bart Hogenboom. Ob düstere Untergrundgestalten, hysterische Schönheitsgöttin, der selbstverliebte Göttervater oder die naive Nymphe - für Bart Hogenboom ist es das Wichtigste, sich erstmal richtig in die Rolle einzufühlen. „Bei der Fülle der verrückten Charaktere hat es immer lustige Proben ergeben”, erzählt Jupiter-Darsteller Markus Niemann. Die Musik stammt von Jacques Offenbach. Musiklehrer Johannes Dolezich, der mit dem Musical-Orchester probt, hat die Stücke so umschrieben, dass sie die Tonlage der Schüler treffen.
Maike Niemann, Westfälische Nachrichten 27. 5. 2010
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Probenarbeit in der Schule

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Orpheus an der Luftgitarre


HILTRUP. Jacques Offenbachs größter Hit "Orpheus in der Unterwelt" ist im Allgemeinen nicht auf einer Schulbühne zu sehen. Das Kardinal-von-Galen-Gymnasium hat sich dennoch an den Klassiker gewagt und präsentiert ihn in der nächsten Woche auf der Aulabühne der Schule in Hiltrup.
Offenbach-Fans seien gewarnt, schreibt die Schule: Die Geschichte aus der griechischen Mythologie entfaltet sich nicht im allseits bekannten Operettenmilieu, sondern wird in ein kräftigeres Licht getaucht. Orpheus und Eurydike bewegen sich in der Jetztzeit. Erzählt wird - passend zum gegenwärtigen Hype des Eurovision-Song-Contest - die Geschichte des Popsternchens Eurydike, die den Luftgitarristen Orpheus satt hat und Pluto, dem Punker aus der Unterwelt, folgt. Dieser hat ihr eine glänzende Karriere in einer Gothic-Show versprochen. Das lässt Plutos Konkurrent Jupiter, Chef des Plattenlabels Jupiter-Records, nicht auf sich sitzen und so begibt er sich mit seiner gesamten Belegschaft in die Unterwelt, um Eurydike wieder zurückzuholen.
Musikalisch angefeuert werden alle Darsteller, Sänger und Tänzer auf der Bühne von einem zehnköpfigen Rockjazz-Ensemble. Selbstverständlich wird auch Can-Can getanzt, auch die musikalischen Highlights sind zu hören, etwa das skurrile Fliegenduett oder das tragisch-komische Lied des Hans Styx.
Das Kardinal-von-Galen-Gymnasium hat mehr als ein Jahr lang an der Inszenierung gearbeitet und lässt auf der Bühne alle Mitglieder der Schulgemeinschaft aufmarschieren. Nicht nur über sechzig Schüler in zwei Besetzungen, sondern auch Eltern, Lehrer, den Schuldirektor, seinen Stellvertreter, die Schulsekretärin und die Frau des Hausmeisters. Hinzu kommen die vielen anderen Kräfte, die neben und hinter der Bühne tätig waren: die schon seit vielen Jahren eingespielte Kostüm-AG, die ein prächtig aufgeputztes Kostümfest vorbereitet hat, die unermüdliche Bühnenbild-AG, die Programmheft-Redaktion und viele andere dienstbare Geister, die alle der Premiere in der nächsten Woche entgegenfiebern.
pd, Münstersche Zeitung 2. 6. 2010