Hinter den Kulissen

Dem Publikumsblick entzogene Aktivitäten vor und während der Premiere

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Der Spiegel - ein wichtiges Utensil
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Unsere Maskenbildner leisten ganze Arbeit

Aus der Korrespondenz

mit Meinhard Saremba, Musikwissenschafller und Sullivan-Experte, Verfasser der ersten deutschsprachigen Sullivan-Biografie („Arthur Sullivan: Ein Komponistenleben im viktorianischen England“, Wilhelmshaven 1993)
12.12.06           Lieber Herr Dolezich,
Ich finde es immer wieder erfreulich, wenn sich Schulen an Musical/Opern-Projekte wagen. Das Label „Operette“ behagt mir indes bei Sullivan gar nicht; falls es also Ihr Publikum nicht vergrault, fände ich es wünschenswert, dass Sie Sullivan unter dem Label „Komische Oper“ ankündigen.
Großes Lob an Ihre Schülerinnen und Schüler, dass sie Kürzungen „vehement bekämpfen“. Sullivans Werke verdienen den gleichen Respekt wie die anderer Künstler, denke ich. Grausig fand ich vor über zehn Jahren eine „Piraten“-Musical-Version in Dortmund. Dort hatte man den Affen entschieden zu viel Zucker gegeben, alles war völlig überdreht und überkandidelt, und letzten Endes wurde noch das „Patter-Trio“ gesungen, das aus einer anderen Sullivan-Oper stammt und in den „Pirates“ nichts zu suchen hat. Falls Sie Ähnliches vorhaben, wäre meine Bitte: Weglassen.
Vorerst herzliche Grüße an Sie und Ihr Ensemble! Ich drücke Ihnen die Daumen, dass alles gut läuft!
Meinhard Saremba
16.12.06           Lieber Herr Saremba,
gestatten Sie mir einige Worte zu den von uns vorgenommenen „Kürzungen“: Unsere beiden letzten Musiktheater-Produktionen waren Inszenierungen zweier Werke von Jacques Offenbach („Häuptling Abendwind“ mit einem Literaturkurs der Jahrgangsstufe 12 und „Die Banditen“ als Inszenierung für die ganze Schule). In beiden haben wir stark gekürzt. „Häuptling Abendwind“ wurde beispielsweise mit einem kleinen Ensemble musikalisch unterstützt, das neben Keyboard, Bass, Gitarre auch eine Harfe und eine Tuba enthielt. Der Grund für diese ungewöhnliche Besetzung war einfach: Die Musik wurde für Instrumente arrangiert, die Schüler des Kurses spielen konnten. Für „Die Banditen“ wurde eine schlagkräftige kleine Combo zusammengestellt und die musikalische Vorlage von Offenbach entsprechend umgestrickt. Ob die Qualität der Arrangements gelungen ist, mögen andere beurteilen. Ich weiß, dass eine solche Besetzung der Musik vieler Komponisten manchmal nicht gut tut, glaube aber, dass die Musik von Offenbach und auch von Sullivan genügend Kraft hat, auch in Arrangements ohne üppige Streichersätze zu bestehen.
Ein weiterer Grund für die Bearbeitung der Vorlage liegt in den gesanglichen Fähigkeiten der Schüler. Wir haben uns vorgenommen, jeden Schüler mitmachen zu lassen, der bereit ist, über ein ganzes Jahr wöchentlich mehrere Stunden Zeit zu investieren und mehrere Wochenenden mitzumachen. Der Andrang ist mittlerweile so hoch, dass wir zwei Besetzungen parallel haben proben lassen. Die große Anzahl vorwiegend ungeübter Stimmen führte aber automatisch zur Frage: Was können die über 30 Schüler/innen gesanglich leisten? Die Koloraturpartie etwa des Songs „Pool wand'ring one“ („Ruh' loser Mann“) und eine Reihe anderer Ensemblesätze gehen über die Fähigkeiten einer noch ungeübten Stimme hinaus.
Natürlich war und ist es unser aller Ziel, szenisch und musikalisch auf einem möglichst hohen Niveau zu arbeiten und das Ganze nicht zu einer didaktisch abgesicherten Beschäftigungstherapie verkommen zu lassen. Das fordern auch die Schüler zu Recht. Daher haben wir in der letzten Produktion von den Städtischen Bühnen Münster eine Kostümbildnerin für die Kostüm-AG und diesmal eine Opern-Sängerin für den Solo-Gesang engagiert, um den Schülern einen Einblick in die klassische Stimm-Schulung zu geben, mit wie ich finde einem beachtlichen Erfolg.
Hinzu kommt weiter, dass wir das Konzept haben, einen Schwerpunkt der Inszenierung auf das szenische Geschehen zu legen und die Dialoge des vorliegenden Plots während der Proben teilweise neu zu gestalten. Daher habe ich z. B. alle Rezitative gestrichen und vor allem die beiden Finalsätze erheblich gekürzt. Ich finde, Schüler sollte man auf der Bühne eine Geschichte erzählen lassen, in die die Musik integriert ist und zwar so, dass keiner der zu einem großen Teil ebenfalls jungen Zuschauer sich während der Vorführungen fragt: „Warum singen die da jetzt eigentlich?“ Dass dabei manches vom Witz und der Schlagkraft das Original verloren geht, ist uns dabei durchaus bewusst. Es wird aber wettgemacht durch die Spielfreude und den Enthusiasmus der Mitwirkenden, selbst etwas Neues entstehen zu lassen.
Rezeption und Aufführungspraxis des traditionellen Musiktheaters spielen bei unserer Inszenierung also eine untergeordnete Rolle. Natürlich nimmt die Musik nach wie vor eine entscheidende Position ein, aber sie ist eben nicht der alles beherrschende Faktor - auch allein aus dem Grund heraus, dass eine für eine Schule so aufwändige Produktion nur dann funktioniert, wenn man alle Beteiligten (den Kollegen, der das Libretto neu übersetzt hat, die Kostümeltern, die Bühnenbild-AG, Tanz-AG, Schulverwaltung, alle mitspielenden Lehrer und Lehrerinnen, die Schulleitung und nicht zuletzt die mit großem Engagement ein Jahr lang mitwirkenden Schüler und Schülerinnen), wenn man also möglichst viele zu gleichen Teilen in die Durchführung mit einbezieht, um dem manchmal bürokratisch organisierten Schulalltag etwas anders Gestricktes entgegenzusetzen.
So wird das Ganze zwar manchmal anstrengend, zumal alles außerhalb des täglichen Unterrichts stattfindet, aber der große Publikumserfolg unserer letzten beiden Inszenierungen und vor allem das Erlebnis, mit allen Teilen der Schulgemeinschaft etwas Neues aufzubauen, gibt uns die erforderliche Energie. Wenn also ein Kollege die Originalvorlage durch die Rolle erweitert, zu Beginn der Oper als Butler den Eröffnungschor der Piraten mit den Worten „It’s tea time!“ zu unterbrechen, dann hoffe ich, dass das vielleicht auch Sullivan und Gilbert gefallen hätte.
Wir können also eine unbedingte Werktreue leider nicht bieten, dem Publikum aber eine große Spielfreude der Darsteller und Musiker versprechen.
Herzliche Grüße
Johannes Dolezich
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Rosa oder braune Färbung - je nach Bedarf
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So wird aus einer KvG-Schülerin eine höhere Generalstochter

Der Text


Liebes Publikum,

man tut gut daran, den Veranstaltern, die den Mut haben, die „Pirates of Penzance“, eine komische Oper von Gilbert und Sullivan, auf die Bühne eines deutschen Gymnasiums zu bringen, aufs Heftigste die Daumen zu drücken. An sich sind diese Leute (die Veranstalter) mittlerweile schon geradezu verwöhnt vom Erfolg ihrer Inszenierungen in Münster-Hiltrup. Auch die Oper erfreut sich, trotz ihres würdigen Alters, immer noch höchster Beliebtheit - sie ist geradezu ein Renner.
So stünde also einer hochgestimmten Siegeszuversicht nichts mehr im Wege, wenn nicht - ja, wenn nicht die beiden letzten Aussagen, die über die Popularität und die über den anhaltenden Erfolg des Werks, Gültigkeit nur für den angelsächsischen Raum hätten. Gültigkeit vielleicht auch für China z. B., aber das weiß ich nicht, da bin ich völlig ahnungslos, wie bei allem, was sich in China tut. Eins jedenfalls steht fest: Auf deutschen Bühnen tut sich diese Oper recht schwer, und man kann nicht recht Fuß fassen. Woran das liegen mag? - Man kann nur raten. Vielleicht an dem angelsächsischem Humor, der den Text kennzeichnet, jener spezifisch britischen Mischung aus das Tragische streifendem Ernst und grotesker Komik oder, um es weniger hochstapelnd auszudrücken, an jener Mischung aus Melodram und Nonsense, die die Engländer so lieben. Aber diese Vermutung kann nicht mehr stimmen. Vielleicht war es früher so. Inzwischen lieben die Deutschen doch auch Monty Pythons skurrile Bearbeitungen der Romane um die Ritter der Tafelrunde des Königs Artus; sie lieben Kenneth Branaghs Shakespeare-Verfilmungen, die Mixturen aus Blut, Liebe, Schmerz und kräftiger Burleske sind; auch Hollywood mischt seit längerem schon in seinen großen Melodramen tränennasses Gefühl mit dem Gelächter derbster Komik, und die Deutschen lieben auch das. Daran kann es also nicht liegen. Also woran?
Vielleicht, aber das ist eine höchstpersönliche Vermutung, gab es bisher keine geeignete Übersetzung der „Pirates of Penzance“ ins Deutsche. Aber die liegt jetzt vor. - Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich von Natur aus bescheiden bin. Dennoch muss ich gestehen, dass im Vergleich mit den Übersetzungsversuchen, die mein Freund und Kollege Johannes Dolezich aus dem Internet besorgt hat, mir meine Übertragung am besten gefällt. Ich weiß, dass Sie jetzt über mich lachen werden. Ich bleibe dennoch dabei. Auch auf die Gefahr hin, für einen hochneurotischen Narziss gehalten zu werden. Denn ich habe mich darum bemüht, dem Werk (in diesem Falle natürlich besonders Gilberts Text) die Treue zu halten. Bei einem Libretto - das muss ich wohl denen, die mit der Übersetzungsproblematik nicht so vertraut sind, erklären - bei einem Libretto also für Kunstwerk aus Sprache und Musik ist wegen der Bindung der Sprache durch Metren und Reime sowohl als auch durch die Vorgaben, die Takt, Rhythmus und Melodienfolge machen, die Übertragung des angegebenen Textes in eine andere Sprache dann besonders schwer, wenn der Übersetzer sich gleichzeitig einer genauen Wiedergabe von Inhalt und Wortsinn verpflichtet fühlt. Mancher mag oder kann diesen Spagat, der von ihm verlangt wird, nicht leisten, resigniert vorschnell und erfindet lieber neu, wenn Metrik und Reim sich partout nicht anpassen lassen wollen. Geringfügige Abweichungen vom Original sind überhaupt unmöglich. Deswegen gibt es in diesem Zusammenhang auch das italienische Sprichwort: Traduttore traditone, was soviel heißt wie: Der Übersetzer ist (zwangsläufig immer) ein Verräter. Aber zwischen Verrat und Verrat gibt es große Unterschiede, und ich glaube von mir sagen zu können, dass ich mich redlich bemüht habe [...]

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Noch Regieprobleme? - Nein, alles im Griff!
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Jetzt ist unsere Polizeitruppe noch mutig - gleich auf der Bühne wird sie sich verstecken

Ich wünsche allen an der Inszenierung Beteiligten, dass das Publikum sich ebenso in das Stück verliebt, wie ich mich mehr und mehr darin verliebt habe, als ich es ins Deutsche übertrug. Ich liebe die verrückten Personen der Handlung: die Unreife, die einige von ihnen charakterisiert, und die rigorosen Verstiegenheiten anderer, ihre Selbstverliebtheit und sogar ihre konventionelle Banalität. Jawohl, auch ihre Konventionalität! Denn ohne die Möglichkeit einer Regelung ihrer Konflikte auf dem Boden der Konvention hätten sich die vielen sympathischen Verrückten auf der Bühne wohl am Ende die Schädel eingeschlagen, ohne zureichenden Grund, wie ich finde. Und dann wäre die Oper keine Komödie geblieben, sondern eine Tragödie geworden.
Und geht es im Leben, das viele das wahre Leben nennen, ohne zureichenden Grund, wie ich finde - geht es da nicht jenauso zu? Viele (nicht immer so sympathische) Verrückte, die sich die Schädel einschlagen wollen, ohne zureichenden Grund, wie ich finde! Da einigt man sich doch besser auf dem Boden - sei es auch noch so abgestandener - Konventionen, damit das Leben eine Komödie bleibt. Aus zureichendem Grund, finde ich. Denn im Leben, gerade im Leben, ist eine Komödie allemal besser als eine Tragödie. Finden Sie nicht auch?
Ich liebe den trockenen Humor des Textes und ich liebe vor allem die wundervolle Musik Sullivans, die übrigens die Personen viel ernster nimmt, als Gilberts eher satirischer Text es tut, vielleicht oder wahrscheinlich deshalb, weil hinter der komischsten Verkleidung und in der lächerlichsten Figur verborgene echte menschliche Wünsche und Gefühle leben, die unsere echte und ernste Anteilnahme verdienen.
Aber ich habe, merke ich, schon zuviel geschrieben, was mir nicht zum ersten Mal passiert. Deshalb zum Schluss nun noch, kurz und bündig:
Ich drücke den Veranstaltern aufs Heftigste die Daumen.
Alfred Vollmer
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Unterschiedliche Charaktere - die Utensilien müssen hier noch nicht passend sein
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Pärchen, wie sie auf der Bühne nicht unbedingt zu sehen sind
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Noch einmal durchatmen... ... und konzentrieren! Schon starten die Friesen zum 2. Akt... ... und bald wird der Vorhang hochgehen!