Ein Erzähler gibt vor dem geschlossenen Vorhang eine Einleitung:
Hochverehrtes Publikum!
Seit wann gehen Kinder in diesem Land in die Schule? Seit wann lernen sie zu lesen, zu schreiben, zu rechnen und auch all die vielen anderen Dinge, die sie meistens später gar nicht mehr brauchen? Was, das wissen Sie nicht?
Wir werden es Ihnen verraten. Wir zeigen Ihnen heute, wie der erste Lehrer nach Germanien, d. h. hier in unser Land kam, und wie sich die ersten germanischen Schüler freiwillig in seine Gewalt begaben. Vergessen Sie Zeit und Raum und folgen Sie uns viele Jahrhunderte zurück...
Wir befinden uns im 3. Jahrhundert nach Christi Geburt in Köln am Rhein, das damals „Colonia Agrippina“ hieß und zum römischen Reich gehörte. Einheimische und Römer leben hier friedlich nach römischer Sitte und Lebensart zusammen. Es gibt Schulen, in denen römische Schüler unterrichtet werden, deren Eltern in Köln leben. Sie lernen lesen, schreiben, rechnen, etwas über römische Geschichte, vor allem aber, daß die Römer die Herren der Welt sind.
Jenseits des Rheins leben die Barbaren. Es sind Germanen. Ihnen gefällt es aber in den dunklen und kalten Wäldern nicht mehr. Sie möchten in wärmeren Ländern bequemer leben. Also packen sie ihre Sachen und begeben sich auf Wanderschaft ins römische Reich. Durch diese „Völkerwanderung“ versetzen sie die Römer in Angst und Schrecken.
Langsam öffnet sich der Vorhang. Die Schulklasse mit dem Lehrer und den Schülern wird sichtbar: Noch aber ist in Köln alles ruhig. Die Schüler und Schülerinnen der römischen Schule lernen fleißig. Sie verehren ihren Lehrer und tun nichts, um ihn aufzuregen ...
Der Erzähler verschwindet von der Bühne. |
| Lehrer: |
Salvete discipuli discipulaeque! |
| alle: |
Salve magister! |
| L: |
Hodie me iuvat ludum habere! Caelum serenum est, aves cantant, cuncti adestis! |
| Schüler 1: |
Non cuncti adsumus! |
| L.: |
Quis abest? |
| S2: |
Titus abest. Aeger est. |
| L.: |
Saepe aeger est! Fortasse libenter abest. Sed nunc vos rogo: Quid heri egimus? |
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| S3: |
Heri tibi stomachum fecimus! |
| L.: |
Tace, Quinte! Asinus es! |
| Quintus weint. |
| L.: |
Quid ergo heri tractavimus? |
| S4: |
Fabulam miram narravisti, magister, de factis praeclaris Romanorum. |
| L.: |
Ita est! Narra nobis fabulam, Aule! |
| S5: |
Parvus numerus Romanorum Capitolium Romauum tenet. Nam Galli summo studio Capitolium expugnare student. Sed Romani fessi sunt. Subito Galli sub muro sunt. Iam murum superant... |
| L.: |
Perge narrare, Sexte! |
| S6: |
Subito anseres deae clamant et Romanos fessos excitant. Statim Romani advolant et multos Gallos necant. Barbari fugae se dant. |
| L.: |
Boni estis, Aule et Sexte! |
| Publius murmelt gelangweilt: |
| S2: |
Nunc nihil iam expecto nisi illud „Romani domini mundi sunt“... |
| L.: |
Clamate cuncti: Romani domini mundi sunt! |
| Die Schüler rufen im Chor: |
| alle: |
Romani domini mundi sunt! |
| Der Lehrer dreht eine kleine Statue zur Klasse, die den Gott Saturn zeigt. Auf der Statue ist aber in großen Buchstaben zu lesen: |
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Delirant magistri, plane delirant! |
| L.: |
Quis hoc fecit? |
| Die Schüler schweigen und kichern. |
| L.: |
Nemo hoc fecit! Male morati estis! Itaque cuncti decies scribere debetis: Magistro parere debemus. Nam magister nos docet et nos sapientia superat! |
| Die Schüler schreiben. Es tritt Ruhe ein. |
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