Der Tod ist kein Tabu

Schüler-Projekt mit dem Johannes-Hospiz

Münster-Hiltrup. Über vieles wird heute offen gesprochen, nur nicht über das Thema „Sterben und Tod“. Der Tod, so scheint es oft, ist das letzte Tabu unserer Gesellschaft. Erst recht haben Kinder und Jugendliche - so lautet das Klischee - mit dem Thema „nichts am Hut“. Dass dieses Vorurteil nicht stimmt, hat das medienpädagogische Pilotprojekt „Zwischen Ende und Anfang“ des Johannes-Hospizes in Münster bewiesen, heißt es in einer Pressemitteilung.
Schülerinnen und Schüler der Marienschule (Klasse 12) und des Hiltruper Kardinal-von-Galen-Gymmasiums (Klasse 9) trugen jetzt bei einer Lesung im Cafe Weltbühne der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) eine Auswahl der besten eigenen Texte vor, die bei diesem Projekt entstanden waren.
Am Beginn der Lesung standen Artikel, die sich auf das Projekt selbst und das Johannes-Hospiz bezogen. Im Oktober und November hatten das ökumenische Hospiz und das Journalisten-Team „Zirkel“ mit sechs Gymnasien und Realschulen aus Münster sowie einem Gymnasium aus Wilhelmshaven zum Thema „Sterben und Tod“ zusammengearbeitet.
An dem bundesweit einmaligen Medien-Modellprojekt nahmen 13 Klassen mit mehr als 300 Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufen I und II teil.
Anschaulich und treffend geschriebene Porträts von Carsten Hohmann und Jan Philipp Wiebusch, Schülern der Klasse 9 des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums, beschäftigten sich mit dem Leiter des Johannes-Hospizes, Michael Roes; Interviews ihrer KvG-Mitschülerinnen Celine Krüger und Maike Tombrink beleuchteten die Motivation der ehrenamtlichen Hospiz-Mitarbeiterin Martha Kranz. Unter der Überschrift „Schüler im Dialog“ standen danach Interviews mit Betroffenen auf dem Programm, unter anderem mit der krebskranken Mutter eines Schülers. Der letzte Teil des Nachmittags war ganz den Kurzgeschichten vorbehalten, die zu den sprachlich besten Texten des Projekts zählten.
Die meisten der etwa 150 Schüler-Artikel, die im Laufe des Projekts entstanden sind, sollen Eingang in ein Buch finden, das unter dem Titel „Zwischen Ende und Anfang“ im Dialogverlag erscheinen wird.
Westfälische Nachrichten 22. 04. 2008
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Zwischen Ende und Anfang

Projekt im Deutschunterricht der Klasse 9c


Ein Beruf zwischen Leben und Tod

Michael Roes leitet das Johannes-Hospiz in Münster

Es ist 15 Uhr. Gudrun Müller sitzt mit ihrer besten Freundin am Kaffeetisch und redet über Gott und die Welt. Wie jeden Montag. Michael Roes betritt den Raum, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Die Hospiz-Bewohnerin nickt, und er verlässt den Raum. Der Hospiz-Leiter hat ein Lächeln auf seinen Lippen. Er freut sich: Gudrun Müller hat Spaß, sie genießt derzeit ihr Leben, obwohl sie weiß, dass sie nur noch eine kurze Zeit zu leben hat. Denn sie leidet an einem bösartigen Tumor. Wie viele hier im Johannes-Hospiz Münster. Doch wie Gudrun Müller gehen viele sehr offen damit um. „Dennoch hat jeder andere Bedürfnisse. Es gibt Bewohner, die einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen. Andere dagegen brauchen die Zuwendung“, berichtet Michael Roes.
Seit mittlerweile fünf Jahren ist Roes nun schon Leiter des Johannes-Hospizes in Münster, das 1999 eröffnet wurde. Es war nie sein Berufsziel, Hospizleiter zu werden. Der gebürtige Anholter wurde erst durch eine Annonce in der Zeitung auf die Stelle aufmerksam. Er bewarb sich und wurde angestellt. Das war für seine Familie erst einmal mit erheblicher Verunsicherung verbunden. Auch für seine Frau, die persönlich schon belastende Erfahrungen mit dem Thema Tod gemacht hatte. „Doch inzwischen ist es für sie und meine zwei Kinder ein Beruf wie jeder andere auch“, meint der 44-jährige. „Denn schließlich hat mein Beruf nicht nur mit Sterben zu tun. Es geht darum, den Menschen, die hier sind, das zu geben, was sie brauchen, ihnen die letzten Wochen ihres Lebens so angenehm wie möglich zu gestalten.“
„Wir“ - damit meint Michael Roes 18 hauptamtliche sowie vierzig weitere ehrenamtliche Helfer im Johannes-Hospiz. In einem festen Dienstplan sind sie im Einsatz; mit den behandelnden Ärzten, die zusichern, zumindest telefonisch immer erreichbar zu sein, sind Notfallsituationen bzw. der Umgang damit eng abgestimmt. Oft ist es der Hausarzt der Bewohner, denn Hospize haben keinen eigenen Arzt. Für eine angemessene medizinische Versorgung steht ein überschaubares Spektrum an Medikamenten zur Verfügung - alles, was notwendig ist. „Allerdings gab es auch schon einmal einen älteren Mann, der die Einnahme wichtiger Medikamente verweigerte“, erinnert sich Roes. Damit mussten die Mitarbeiter auch erst einmal umzugehen lernen. Doch sie respektierten diese Bitte, und so starb er, wie er es sich vorgestellt hatte. Wie jeder verstorbene Bewohner wurde er in das „Erinnerungsbuch“ eingetragen. „Hier ist jeder verewigt, damit auch keiner vergessen wird“, berichtet der Hospiz-Leiter. Dort findet sich meist ein Foto des Verstorbenen, neben dem das Einzugs- und Sterbedatum notiert ist.
Der jüngste Verstorbene des Johannes-Hospizes ist ein Siebzehnjähriger. Doch die meisten Bewohner, die hier sterben, sind deutlich älter. „Die Statistik besagt, dass die Bewohner im Durchschnitt etwa 65 Jahre alt sind.“ Wenn ein Bewohner stirbt, wird im Eingangsbereich als besonderes Zeichen des Gedenkens eine Kerze entzündet. Innerhalb der nächsten ein bis zwei Stunden wird der Tote dann gewaschen und bleibt so lange in seinem Zimmer, wie die Angehörigen Zeit brauchen, sich zu verabschieden. Bei manchen dauert dies einige Stunden, bei anderen kann das aber durchaus bis zu zwei Tagen dauern.
Ebenso wird damit begonnen, die Abschiedsfeier vorzubereiten, die am darauf folgenden Tag stattfindet. Die Feier hat ein festes Ritual, bezieht aber immer die Wünsche des Verstorbenen und seiner Angehörigen mit ein. Es wird Musik gespielt - wenn bekannt, natürlich seine Lieblingsmusik. Nacheinander kommen die Anwesenden zu ihm ans Bett, zünden ein Teelicht an, können dort einen Moment verweilen und verabschieden sich dann. Im Hospiz wird eine neue Aufnahme geplant, und die Vorbereitungen dafür werden getroffen. So ist es im Hospiz: Die Menschen kommen und gehen. Den Umgang damit zu lernen war für Michael Roes eine große Herausforderung. Doch in dem Verständnis, dass der Tod Teil des Lebens ist, ist es inzwischen gut möglich, damit umzugehen - was nicht heißen soll, dass es ihm nichts ausmacht, wenn jemand stirbt. Doch dies ist sein Beruf. Sterben gehört zum Leben im Hospiz dazu und damit auch zum Beruf des Hospizleiters.
Maike Tombrink
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Klasse 9c zu Gast
im Johannes-Hospiz in Münster


Mit gemischten Gefühlen, auch leichten Beklemmungen steht man zusammen, bevor einer den Klingelknopf am Johannes-Hospiz drückt: Was erwartet die Schüler der 9c in der alten Villa mit dem Säuleneingang neben dem Franziskushospital? Es ist ein Haus, in dem Menschen aufgenommen werden, die zum Sterben krank sind – austherapiert, wie es im Krankenhausdeutsch heißt – und die hier ihrem Tod entgegen gehen. Man sieht in gespannte, aber auch unsichere junge Gesichter.
In dem einladend wirkenden Eingangsbereich wird die Gruppe freundlich willkommen geheißen. Überraschenderweise übernimmt die Begrüßung nicht nur eine ehrenamtliche Mitarbeiterin, sondern auch ein sehr zutraulicher dunkelbrauner großer Labrador freut sich sichtlich über den ungewohnt zahlreichen Besuch. Im Begegnungsraum erfahren die Jugendlichen von Michael Roes Grundsätzliches zur Entwicklung von Hospizen, aber auch viele Dinge, die seine Arbeit mit den Bewohnern in ihrer letzten Lebensphase bestimmen. „Jeder Mensch bestimmt hier selbst, was für ihn gut ist, und danach richten wir uns!“, erklärt er eines seiner wichtigen Prinzipien.
Am 12. und 13. 11. besuchte die Klasse 9c, in zwei Kleingruppen aufgeteilt, im Rahmen des bis Ende November laufenden medienpädagogischen Projektes „Zwischen Ende und Anfang“ nachmittags das Johannes-Hospiz in Münster. Wie drei weitere KvG-Kurse, die sich im Fach Religion bei Udo Hühn (ev. Rel.), Kathrin Nacke und Hildegard Rickert (beide kath. Rel.) an dem Projekt beteiligen, setzen sich die Schülerinnen und Schüler der 9c im Rahmen des Deutschunterrichtes über die Zeit von zwei Monaten mit der Thematik um „Tod und Sterben“ auseinander. Verschiedene Zeitungen werden im Blick auf diesen Themenschwerpunkt hin analysiert, und schließlich werden die Jugendlichen selbst schreibend als Journalisten aktiv.
So verschafft das Johannes-Hospiz unter der Leitung von Michael Roes mit der Unterstützung des Journalistenteams „Zirkel“ und der unterrichtenden Kollegen den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, eine ganz andere Form von Unterricht zu erleben. Dazu gehört auch, dass in Kürze eine ehrenamtliche Mitarbeiterin als Gesprächsgast am Deutschunterricht der 9c teilnehmen wird.
Christa Chrobak
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Der Tod zieht durch Münsters Innenstadt

Schüler befragen Passanten zu einem ernsten Thema

Münster. Der Tod zieht über den Prinzipalmarkt, die Ludgeristraße und über den Domplatz in Münster. Der Tod ist natürlich nicht persönlich vor Ort. Es sind Schülerinnen und Schüler des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums und der Friedensschule, die Passanten zum Thema Tod befragen. Bei Nieselregen und kühlen Temperaturen ziehen die Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen los, um die Vorbeihastenden zu interviewen. Drei Fragen sollen sie beantworten: Wie stehen sie zum Thema Tod? Wie begehen sie Allerheiligen? Was wissen sie über Hospize?
Timo Frohne und Karsten Wieschmann werden am Domplatz das erste Mal „fündig”. Sie befragen eine Nonne aus Bremerhaven: „Wenn ich Zeit habe, dann gehe ich zum Friedhof, ansonsten denke ich im Stillen an die Toten”, sagt sie zum Thema Allerheiligen. Über Hospize weiß sie: „Das sind Sterbehäuser, in denen der letzte Abschnitt des Lebens verbracht werden kann.” Zum Tod selbst lässt sie die Jugendlichen an ihren persönlichen Erfahrungen teilnehmen: „Durch meine Tätigkeit im Krankenhaus habe ich sehr viel mit Toten zu tun und denke, dass es zum Leben dazu gehört.”
Ein weiterer Interviewpartner findet sich auf dem Prinzipalmarkt: Ein älterer Mann erklärt sich bereit, Rede und Antwort zu stehen. Die Allerheiligentradition gehört auch zu seinem Leben dazu: „Ich gehe zum Friedhof und bringe Blumen oder neue Kerzen zu dem Grab meiner Eltern.” Wie schon die Nonne aus Bremerhaven ist er gut über Hospize informiert: „Das sind Häuser, in denen das Sterben erleichtert wird.” Abschließend sagt auch er, dass der Tod ein Bestandteil des Lebens sei. „Er ist nicht tragisch. Er ist nur dann tragisch, wenn man seine eigenen Enkelkinder, die zum Beispiel durch einen Autounfall gestorben sind, zum Friedhof begleiten muss.”
Nachdenklich über das Gehörte schlendern die beiden Schüler zum Treffpunkt mit den anderen. Nach einer Stunde klingt der Deutschunterricht der etwas anderen Art noch bei dem einen oder anderen Burger im Fast-Food-Restaurant aus, denn Laufen und Fragen macht hungrig.
Das Interview war eine Veranstaltung des Johannes-Hospizes im Rahmen des medienpädagogischen Pilotprojektes zum Thema „Sterben und Tod”, an dem sechs münsterische Schulen und eine Schule aus Wilhelmshaven teilnehmen. Dieses Projekt prägt über acht Wochen den Deutsch- und Religionsunterricht und dauert bis Ende November.
Timo Frohne

Der Tod in Münster

Umfrage zu Allerheiligen in der Innenstadt der Uni-Metropole

Münster. Vor dem Friedenssaal in Münster herrscht ordentlich Betrieb. „Alle hierhin gucken!” ruft Gerd Felder vom „Team Zirkel”, und über 50 Schülerinnen und Schüler des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums und der Friedensschule lachen in seine Kamera. Alle sind sie gekommen, um ahnungslose Passanten zum Thema Tod zu befragen.
Die Schüler sind im Rahmen des Deutschunterrichts Teilnehmer des Projektes „Zwischen Ende und Anfang” des Johannes-Hospizes, und ihre Aufgabe scheint recht simpel: „Befragt Passanten, wie sie zum Tod stehen, wie sie Allerheiligen verbringen und was sie über Hospize wissen!” Für einige Schüler gestaltet sich die Umsetzung allerdings nicht ganz so einfach. „Ich finde es nicht so leicht, wildfremde Menschen auf der Straße anzusprechen, vor allem wenn es um Tod und Sterben geht”, meint Sina Pankok (15). „Aber da wir zu zweit sind, überlasse ich meiner Partnerin das Fragen, und ich schreibe alles mit.” Die beiden Mädchen sind trotz der Hektik in der Stadt von der Befragung begeistert. Um Schutz vor dem Regen zu finden, laufen sie unter den Bogengängen des Prinzipalmarktes auf und ab und suchen freundliche Passanten für ihre Frageaktion.
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Klasse 9c vor dem Schulgebäude und vor dem Rathaus
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Die enthusiastische Schwester Reingard vom Mutterhaus der Franziskanerinnen ist eine Gesprächspartnerin. Sie erzählt bereitwillig, dass das Franziskus-Hospital einen Palliativanbau plant. Dort müssen die Patienten dann keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr über sich ergehen lassen, sondern werden nur noch mit Mitteln gegen Schmerzen versorgt. „So wird ihnen der Übergang zwischen Leben und Tod erleichtert”, urteilt die Schwester. Die gläubige Frau fügt hinzu, dass für sie persönlich nach dem Tod erst das ewige Leben beginnt.
Andere denken anders. Manche haben noch nicht darüber nachgedacht. Auch bei dem Thema Allerheiligen und Allerseelen gibt es große Unterschiede. Familie Ebert gedenkt an diesem Tag zwar an verstorbene Angehörige, unternimmt aber sonst nichts Besonderes. Ganz anders sieht das jedoch bei einer freundlichen Frau im besten Alter aus. Sie geht an Allerheiligen zunächst auf den Friedhof und danach zu einer Andacht in die Kirche.
In einer Sache sind sich aber alle Befragten einig: „In Hospizen findet man beeindruckende Fürsorge vor, und die Kranken dort können in Würde sterben.” Im Ergebnis hat die Befragung den beiden Jugendlichen und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern interessante Einblicke in die unterschiedlichen Gedanken fremder Menschen zum Thema Tod ermöglicht und war eine sehr positive Erfahrung. So dürfte Unterricht öfter sein.
Lena Schemmelmann und Jasmin Richter

„Ich habe überhaupt keine Zeit”

Schüler befragen Münsteraner zum Thema Tod

Münster. Schüler beschäftigen sich mit dem Tod? Ungewöhnlich ist das schon, doch im Unterricht kann man sich das sogar noch vorstellen. Aber wildfremde Menschen zum Thema Tod zum Reden zu bringen, das ist schon eine Herausforderung! Die Schüler und Schülerinnen der Klasse 9c des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums schwärmen in die Innenstadt von Münster aus und sind frohen Mutes: „Hätten Sie vielleicht einen Moment Zeit für uns?”
Die Klasse 9c nimmt teil an dem Hospiz Projekt „Zwischen Ende und Anfang”. Bis Ende November arbeiten 300 Schülerinnen und Schüler aus Münster und Wilhelmshaven zum Thema „Tod und Sterben”. Acht Wochen lang setzen sie sich mit verschiedenen Zeitungen auseinander und untersuchen die unterschiedliche Art der Darstellung dieses Themas. Im Rahmen des Projektes werden die Jugendlichen aber auch selbst zu Journalisten und beschäftigen sich auf ganz unterschiedliche Weise mit dem vermeintlichen Tabu-Thema „Tod”. Am Ende des Projekts werden alle Artikel in einem Buch zusammengefasst und veröffentlicht.
Mit gezückten Notizblöcken, gespitzten Bleistiften und Kameras ausgerüstet, bitten die Schülerinnen und Schüler bei der Passantenbefragung auf dem Prinzipalmarkt freundlich um ein Interview. Wie stehen die Vorbeigehenden zum Tod? Wie begehen sie Allerheiligen und Allerseelen, und was wissen sie über Hospize?
„Ich habe es total eilig und überhaupt keine Zeit!”, winken manche ab, ohne überhaupt zu wissen, worum es geht. Bevor sich die Enttäuschung breit machen kann, bleibt bei den Hobby-Journalisten doch ein älteres Ehepaar stehen. „Der Tod gehört zum Leben. Man geht zum Friedhof und macht sich einen gemütlichen Tag mit der Familie an Allerheiligen. Hospize sind gute Einrichtungen”, erklären sie den Schülern auf ihre Fragen. Eine 40-jährige Dame meint, dass der Tod etwas Negatives sei. Auch sie verbringt Allerheiligen und Allerseelen im Familienkreis. „Im Hospiz werden Sterbende bis zum Tod begleitet”, weiß sie. Eine andere Frau um die 28 Jahre wehrt die Frager ab: „Fragt mal lieber jemanden anders. Ich will damit nichts zu tun haben.” Ein 75-jähriger Mann antwortet sofort bereitwillig. Seiner Meinung nach lebt der Mensch nach dem Tod als Geist weiter. Auch er verbringt die Feiertage zu Hause, hält allerdings von einem Hospiz nicht viel.
In der Kleimann-Passage schlägt den Interviewern der Duft von Frischgebackenem entgegen. In dem kleinen Krawattenladen der Passage arbeitet Inge Niehues (63). Sie hat Zeit für die jungen Journalisten und erzählt von ihren eigenen, sehr persönlichen Erfahrungen. Eine Kapelle oder eine Kirche an Allerheiligen und Allerseelen zu besuchen ist für die Frau selbstverständlich. „Nur weil Allerheiligen ist, muss man allerdings nicht gleich auf den Friedhof gehen. Es gibt schließlich 364 andere Tage im Jahr, wo man die Möglichkeit dazu hat.“ Von Hospizen hat sie einen guten Eindruck. Es fällt ihr jedoch nicht leicht, darüber zu reden. Mehrmals versagt ihr die Stimme. Die 63-jährige fährt jeden Mittag zu ihrem kranken Bruder ins Hospiz, um ihn zu füttern. Für sich selber möchte Inge Niehues eine Patientenverfügung haben, da sie ohne Schläuche sterben will. „Je älter man wird, desto besser geht man mit dem Tod um.”
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Befragung von Passanten und Anwohnern
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Tatsächlich ist es auffällig, dass junge Passanten so wenig wie möglich über das Thema „Tod” sprechen wollen. Die jüngste Befragte, die die Schüler zum Stehenbleiben bewegen können, ist eine 33-jährige Postbotin. Sie meint wie viele Passanten auch, der Tod sei der Anfang zum Weiterleben. Die Postbotin verbringt den Allerheiligentag in der Familie. Über Hospize weiß sie jedoch nichts.
Die Hobbyjournalisten machen eine solche Umfrage zum ersten Mal, doch sie schlagen sich gut und auch die Deutschlehrerin Christa Chrobak, die die Klasse in diesem medienpädagogischen Projekt betreut, ist mit den Schülern zufrieden und gespannt auf die schriftlichen Ergebnisse der Umfrage.
Emma Schönfeld

Hospiz-Projekt im Unterricht

Schüler befragen Passanten zum Thema Tod

Münster. Fremden Leuten Fragen über den Tod stellen? Für die Schüler und Schülerinnen des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums (KvG) in Münster-Hiltrup kein Problem. Noch ein kurzer Blick auf die Fragen, und schon geht es los. Mit Zettel und Stift machen sie sich in Dreiergruppen auf den Weg, um wie echte Journalisten die Münsteraner und Münsteranerinnen zu interviewen.
Die Schüler des 9. Jahrgangs nehmen im Rahmen des Deutschunterrichtes an dem Hospiz Projekt „Zwischen Ende und Anfang” teil. Hierbei arbeitet das Johannes-Hospiz unter seinem Leiter Michael Roes mit den beiden Journalisten Gerd Felder und Markus Breuer vom „Team Zirkel” zusammen. Drei Tage vor Allerheiligen befragen 31 KvG-Schüler und 26 Schüler der Friedensschule in Münsters Innenstadt Passanten zum Thema „Tod”.
„Durch meinen Beruf habe ich öfters etwas mit dem Thema Tod zu tun”, sagt der freundliche und gesprächsbereite Polizist Jürgen Karrmann (32). Als Anne Brandenburg (14), Carolin Foerster (14) und Kira Gunsthövel (14) ihn fragen, was er über Hospize wisse, bekommen sie eine klare Antwort. „Mein Neffe ist gestorben. Darüber bin ich sehr traurig. Nun spende ich auch, da Hospize echt eine tolle Sache sind, wie ich finde.”
Die Antworten, wie die Leute zum Thema Tod stehen, fallen je nach Alter sehr unterschiedlich aus. Zwei Frauen von etwa 70 Jahren beantworten die Frage etwas schüchterner als jüngere Passanten. „Manchmal denken wir schon darüber nach, doch oft vergisst man es schnell wieder. Eigentlich denke ich nicht gerne daran”, sagen Anne Weimar und Luise Bröker. Die beiden Frauen begehen Allerheiligen und Allerseelen eher ruhig auf dem Friedhof. „Hospize finden wir sehr gut. Davon sollte es mehr geben!”, erklären die beiden noch. Eine 32-jährige bezeichnet sich als „christlich” und glaubt an das Leben nach dem Tod. „Allerheiligen werde ich auf dem Friedhof sein, am Grab meines Vaters”.
Die 52-jährige Holländerin Kergaard ist der Meinung, dass der Tod eine ganz natürliche Sache sei und einfach zum Leben dazu gehöre. An Allerheiligen wird sie wie viele andere befragte Passanten auf den Friedhof gehen. „Hospize finde ich ganz toll!”
Die Schülerinnen treffen noch einen älteren Mann im Alter von ungefähr 70 Jahren: „Ich habe meine Jenseitsvorsorge schon getroffen. Damit meine ich, dass ich mein Testament schon geschrieben habe. Und die Hospizbewegung ist in Ordnung!”
Auf dem Rückweg zum Treffpunkt befragen die Schüler noch einen 53-jährigen, der sich mit der Frage zum Thema Tod etwas schwerer tut. „Ich denke nicht gerne über den Tod nach”, gibt er zu. Allerheiligen wird er ausschlafen und seinen arbeitsfreien Tag genießen. Hospize empfindet er als eine sinnvolle Sache.
Nach ungefähr 90 Minuten Passantenbefragung stärken sich die Schüler in einem Fast-Food-Restaurant und fahren als stolze Journalisten nach Hause. Insgesamt haben die Schülerinnen und Schüler gelernt, dass es viele verschiedene Meinungen zum Thema Tod gibt. Sie sind jetzt um einige Erfahrungen als Hobby-Journalisten reicher und hatten viel Spaß beim Befragen der Münsteraner.
Kira Gunsthövel

„Was wird aus meinen Kindern, wenn ich nicht mehr da bin?“

Beate Wiebusch hat eine Selbsthilfegruppe für an Brustkrebs erkrankte Frauen gegründet

Beate Wiebusch lebt als pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte in Münster. Kürzlich hat die an Brustkrebs erkrankte Frau die Selbsthilfegruppe „TRAM-Ladies“ gegründet. Im folgenden Interview nimmt die 44-jährige Stellung zum Thema Tod.
Inwiefern ist der Tod für Sie ein Thema?
Ich bin selbst von Brustkrebs betroffen und habe eine Selbsthilfegruppe für an Brustkrebs erkrankte Frauen gegründet. Wir sprechen in dieser Gruppe über die Ängste der Frauen und über den Tod, denn viele von dieser Krankheit betroffene Frauen, die Kinder haben, fragen sich: „Was wird aus meinen Kindern, wenn ich nicht mehr da bin?“
Was kann die Selbsthilfegruppe leisten?
Die Gruppe heißt nicht von ungefähr „TRAM-Ladies“. „Treffen, Reden, Austauschen, Miteinander“ ist das Motto. Der Name bezieht sich auf eine bestimmte Operationstechnik, die Tram-Methode, die die Brust mit Bauchmuskeln wieder aufbaut. Man muss lernen, mit dieser Krankheit umzugehen und sich selber die Angst vor dem Tod nehmen. Immerhin werden 80 Prozent aller brustkrebs-erkrankten Frauen geheilt, aber als selbst Erkrankte stellt man sich die Frage, ob man unter den Prozent ist, die sterben müssen. In dieser Situation braucht man nicht nur die medizinische, sondern erst recht die seelische Begleitung. Durch die Gemeinschaft von Betroffenen in dieser Selbsthilfegruppe wird der mögliche endgültige Abschied akzeptabel.
Haben Sie selber Angst vor dem Tod?
Ja, natürlich. Ich versuche das aber weit hinauszuschieben, da ich finde, dass ich mit 44 Jahren eine jüngere Frau bin, bei der die Heilungschancen doch sehr groß sind. Der Tod rückt immer dann in den Vordergrund, wenn die Heilung im Anfangsstadium ist und die Ungewissheit herrscht. Sobald man sich in guten Händen weiß, rückt das Thema aus dem Blickwinkel.
Wie schafft es die Gruppe, die Angst zu nehmen?
Wir beraten uns in Einzel- aber auch Gruppengesprächen. Wir stärken uns gegenseitig, motivieren uns, nicht aufzugeben. Das ist das Wichtigste. Die Medizin forscht immer weiter, und somit werden auch die Heilungschancen höher. Doch wenn man weiß, dass unter uns eine Frau ist, die nicht geheilt werden kann, dann ist es wichtig, diese Person nicht nur zu trösten, sondern sie zu unterstützen, einfach da zu sein und zuzuhören. Wir versuchen, ihr die Angst vor dem Tod zu nehmen.
Welche Ängste beschäftigen Sie selbst am meisten?
Bei mir ist die Sorge sehr groß, was aus meinen Kindern wird, sobald ich nicht mehr da bin. Ich habe selbst drei Kinder, die ich aufwachsen und leben sehen will. Sie sollen nicht ihre Mutter verlieren. Lebt man in einer Partnerschaft ohne Kinder, so wünscht man dem oder der anderen einen neuen Partner. Ein Erwachsener kommt immer klar; für ihn ist es leichter, einen neuen Lebensgefährten zu finden. Bei Kindern ist das etwas anderes: Eltern sind unersetzbar.
Interview: Carsten Hohmann und Jan Philipp Wiebusch

Der Tod gehört nicht in die Tabu-Ecke

Schüler befragen Passanten

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Münster. Nichts in dieser Welt ist sicher außer dem Tod und den Steuern, sagte einst Benjamin Franklin. Während sich jeder täglich mit Steuern beschäftigt, steht der Tod eher selten auf der Tagesordnung. Beim medienpädagogischen Pilotprojekt „Zwischen Ende und Anfang“ des Johannes-Hospizes setzen sich Schüler mit diesem Thema auseinander.
Das Hospiz und das Journalisten-Team „Zirkel“ arbeiten bis zum 30. November zusammen mit sechs Gymnasien und Realschulen in Münster sowie einem Gymnasium aus Wilhelmshaven zum Thema „Sterben und Tod“. Jetzt befragten 57 Schüler der Friedensschule und des Kardinal-von-Galen- Gymnasiums Passanten in der Innenstadt. [...]
Familie Fischer machte Station bei den Schülerinnen. Nele Fischer beantwortete die Frage nach dem Tod so: „Ich würde es vielleicht nicht als Glauben bezeichnen, aber ich finde die Hoffnung, dass der Tod nicht endgültig ist, tröstlich.“
„Wir wollen das Thema wieder in die Mitte der Gesellschaft holen. Man muss sich dem Thema stellen“, machten Michael Roes, Leiter des Johannes-Hospizes, und Gerd Felder vom Team Zirkel deutlich. Die Botschaft ihres Pilotprojektes laute: Sterben und Tod gehören zum Leben und nicht in eine Tabu-Ecke. „Auf die Frage nach nach den Hospizen bekommt man oft die Antwort, dass das Orte sind, wo gestorben wird. Hospize sind aber auch Orte, wo gelebt wird“, meinte Roes.
Das Projekt ist bundesweit einmalig, heißt es. Insgesamt nehmen 13 Klassen mit über 300 Schülern der Sekundarstufe I und II teil. Abgesehen von der Mitarbeit bei der Umfrage besuchen die Schüler das Hospiz, setzen sich mit der Berichterstattung unterschiedlicher Zeitungen wie den Westfälischen Nachrichten zum Thema „Sterben und Tod“ auseinander und schreiben an einem Hospiz-Buch, das im Dialogverlag Münster erscheinen soll.
Nina Holdijk, Westfälische Nachrichten 7.11.2007