Das Fach Informatik an unserer Schule


In den letzten Jahren haben, bedingt durch die Entwicklung der Mikrocomputer, moderne Informationstechniken in Wissenschaft, Arbeitswelt und Alltagsleben immer mehr Fuß gefaßt. In Teilbereichen sind sie selbstverständlich geworden, und eine schnelle Weiterentwicklung ist zu erwarten. Viele Schulen haben, diesen Tatsachen Rechnung tragend, das Fach Informatik in ihren Kanon aufgenommen, um die Schüler nicht unvorbereitet in die von neuen Techniken geprägte Umwelt zu entlassen.

Chronik
Auch an unserer Schule werden seit Jahren moderne Informationstechniken eingesetzt. Die erste Berührung erfolgte 1972, als die Firma Olivetti der Schule ein noch maschinensprachen-orientiertes Gerät für einige Wochen zur Verfügung stellte. Dem Förderverein unserer Schule war es schließlich zu verdanken, daß 1978 ein programmierbarer Kleinrechner (TI 59) mit Thermodrucker und zwei Jahre später ein Klassensatz Kleinrechner (TI 58) für die Schule angeschafft werden konnten. Damit wurde der Einsatz programmierbarer Rechner, vor allem für den Mathematikunterricht in der Oberstufe und im Differenzierungsbereich der Mittelstufe, auf Dauer möglich.
Ein großer Schritt konnte dann 1983 getan werden, als die Einrichtung eines eigenständigen Faches Informatik für die Oberstufe unserer Schule durch Schulträger und Schulkollegium genehmigt wurde. In mühsamer Vorarbeit hatten personelle, materielle und räumliche Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Bereits im März 1983 hatte die Fachkonferenz Mathematik die Vorbereitung des neuen Faches beschlossen; 4 Lehrer hatten sich zunächst zur Übernahme des Unterrichts bereiterklärt. Die dann notwendige Anschaffung der EDV-Ausrüstung (4 Geräte Apple IIe mit je 1 Monitor und 2 Laufwerken, 1 Nadeldrucker, Software) war kostspielig, konnte aber dank großzügiger Unterstützung durch den Schulträger (DM 11.500,-) und den Förderverein (DM 8.000,-) sowie dank des Entgegenkommens der anderen Fachschaften (DM 4.000,- aus dem Schulhaushalt) im Mai verwirklicht werden. Bis heute ist die Zahl der Rechner auf 7 angewachsen, wozu wieder überwiegend der Förderverein beigetragen hat.
Schließlich mußte in einer günstigen, von störenden Einflüssen (vor allem in den Pausen) abgeschirmten Lage ein Informatikraum eingerichtet und ausgebaut werden.
Im Schuljahr 1983/84 nahmen 4 Lehrer den Informatikunterricht zunächst in jahrgangsübergreifenden Arbeitsgemeinschaften auf. Gleichzeitig wurde eine zunächst wöchentlich stattfindende Lehrer-AG (die bis heute besteht) eingerichtet, in der inhaltliche und didaktische Probleme des neuen Faches behandelt werden. In der Anfangszeit stand das gemeinsame Erlernen der Programmiersprache Pascal im Vordergrund, ein Angebot, das auch von Kolleg(inn)en anderer Fachrichtungen genutzt wurde.
Der Andrang der Schüler zu den Arbeitsgemeinschaften war so stark, daß viele auf das 2. Halbjahr vertröstet werden mußten, in dem, da zwei weitere Kollegen je eine AG übernahmen, die Zahl der AGs auf sechs anwuchs.
Im Schuljahr 1984/85 wurde außerdem der Informatikunterricht in zwei Grundkursen der 11.1 aufgenommen.
01
Das Orakel von Delphi, verlegt auf den Olymp
(neudeutsch: Input - Output im 3. Stock)

Gegenwart
Mittlerweile sind insgesamt 7 Informatiklehrer in AGS und Grundkursen an unserer Schule tätig. Sie alle haben sich die Voraussetzungen für dieses Fach unter zeitlichen und finanziellen Opfern selbst erarbeitet. Dies muß umso mehr betont werden, als dringend notwendige Fortbildungsmaßnahmen auf Landesebene erst im laufenden Schuljahr in sehr beschränktem Umfang eingesetzt haben. Durch Eigeninitiative bzw. unter Leitung des Schulträgers wurden Fortbildungsveranstaltungen und Arbeitskreise auf Bistumsebene ins Leben gerufen, die einen Erfahrungsaustausch mit anderen Schulen ermöglichen.
Der Andrang auf die Informatik-AGs unserer Schule ist - trotz Abbau des anfänglichen Nachholbedarfs - recht hoch geblieben: z. Zt. nehmen ca. 50 Schüler an AGs für Anfänger bzw. Fortgeschrittene teil. Hinzu kommt die oben erwähnte Lehrerfortbildungs-AG.
Grundkursunterricht findet z. Zt. in den Jahrgangsstufen 11 und 12 statt. Damit kommt unserer Schule auf Bistumsebene eine Vorreiterrolle zu; sie wird die ersten Informatik-Abiturienten „produzieren”. Informatik kann als 3. oder 4. Abiturfach gewählt werden.
Erfreulich ist, daß die Vielzahl der Aktivitäten, die einen großen Teil der Schüler erfaßt, auch zu einer optimalen AusIastung der Geräte führt - sowohl durch den eigentlichen Unterricht als auch durch individuelles Arbeiten der Schüler, vor allem nachmittags und zeitweise sogar in den Ferien. So läßt sich jetzt schon sagen, daß die Anschaffung der Geräte sich auch im ökonomischen Sinn durchaus gelohnt hat.
Als Programmiersprache wird Pascal verwendet, eine Sprache, die erstens universell anwendbar ist (z.B. sowohl für die Verwaltung großer Datenmengen als auch für die Berechnung mathematischer Funktionen), zweitens als höhere Programmiersprache (für die Oberstufe vorgeschrieben) sehr gut die Aufgliederung komplexer Zusammenhänge in Einzelprobleme fördert und drittens als weitest verbreitete Sprache einen intensiven Kontakt und Austausch mit anderen Schulen ermöglicht.

Ausblick
Wo liegen die Chancen des Faches Informatik in der Zukunft? Handelt es sich nur um einen „Versuchsballon” oder tragen wir einer grundlegenden technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung?
Die neuen Kommunikationstechniken werden in unserer Gesellschaft sehr uneinheitlich beurteilt: auf der einen Seite der euphorische Glaube, auf Knopfdruck sei alles machbar, auf der anderen Seite ein tiefverwurzeltes Mißtrauen gegen Computer, die als Wesen mit eigener Intelligenz dämonisiert werden. Beide Positionen beruhen auf einer Unkenntnis, die man auch schlagwortartig als „Computer-Analphabetismus“ bezeichnet. Sie abzubauen muß aus mehreren Gründen Anliegen der Schule sein:
1. Im Berufsleben, wo in den nächsten Jahren immer mehr Menschen mit Computern in Berührung kommen werden, wäre ein Computer-Analphabetismus, der den Programmierer hinter dem Programm nicht mehr sähe, besonders gefährlich. Von EDV getroffene Entscheidungen würden nicht mehr angezweifelt; ein Verlust an Verantwortung und undemokratische Entscheidungen wären die Folge.
2. Auch allgemeingesellschaftliche Probleme wie Fragen des Datenschutzes kann man nur dann fundiert diskutieren und in den Griff bekommen, wenn Grundkenntnisse über Computer vorhanden sind.
3. Schließlich muß der allgemeinbildenden Schule die „formale Bildung” besonders am Herzen liegen. Häufig wird verkannt, daß Programmieren ein hohes Maß an Kreativität, Ausdauer und Disziplin erfordert; für die Fähigkeit, ein komplexes Problem aufzugliedern und in einen Algorithmus umzusetzen, gibt es keine Patentrezepte. Himmelweit ist der Unterschied zum bloßen „Bedienen“ eines Programms, z.B. fertiger Spielsoftware, wie sie in immer raffinierterer Form auf den Markt kommt. Einseitigkeit, Introvertiertheit, ja Suchterscheinungen können die Folge sein, ganz zu schweigen davon, daß das Bildungsziel der Kreativität ins Gegenteil verkehrt wird. Da Schüler, die sich Selbständigkeit im Programmieren erworben haben, vor solch unreflektierter Programmbedienung besser geschützt sind, liegt hier eine wichtige erzieherische Aufgabe des Faches Informatik.
So läßt sich sowohl die oben gestellte Frage nach dem „Versuchsballon“ mit nein beantworten. Im Gegenteil: eine Ausweitung des Informatik-Unterrichtsangebotes erscheint notwendig und sinnvoll. Daß Informatikkurse im Differenzierungsbereich der Mittelstufe eingerichtet werden könnten, ist schon jetzt abzusehen. Auch an der Erwachsenenbildung hat unsere Schule Anteil, da sie Raum und Geräte für einen – von Lehrern unserer Schule durchgeführten - Informatikkurs des „Hauses der Familie“ zur Verfügung stellt. Und denkbar sind - nach entsprechenden curricularen Vorbereitungen - Informatik-Leistungskurse, für die unsere Schule schon jetzt materiell und personell ausgestattet ist.
Schließlich könnte über kurz oder lang die EDV in immer mehr Arbeitsgänge der Schulverwaltung Eingang finden.
So hoffe ich, daß das Fach Informatik an unserer Schule - durch Erschließung des Computers als Arbeitsgerät, das durch menschliche Intelligenz programmiert wird - zum Abbau des „Computer-Analphabetismus“ beitragen kann.
Ulrich Kaspar in: Kardinal-von-Galen-Schule 1986-1986. Festschrift zum 40jährigen Jubiläum des Gymnasiums, Münster 1986