Tag der Religion am 07. 02. 1996


01
Martin Luther King. Foto: Wikipedia

Martin Luther King - Projekt der Klassen 5 und 6


Er ist sehr zu unserer Zufriedenheit gelaufen, der Tag der Religion, was den Teil der Klassen 5 und 6 betrifft. Doch fangen wir da an, wo alles begann:
Nachdem die Fachschaft Religion beschlossen hatte, daß ein gemeinsames Projekt für die Klassen 5/6 stattfinden soll, wurden Ulrich Walters und ich mit der Aufgabe betraut, dieses zu gestalten. Nun blieben wir in unseren Vorbereitungen nicht allein, es gesellten sich die ebenfalls in der Fachschaft Religion anwesenden Schüler Oliver Cyrus und Ulrich Richter sowie Ralf Rüschhoff aus dem Ev. Jugendzentrum Hiltrup hinzu.
Bei der Frage nach einem Thema kamen wir bald auf den Baptisten-Pfarrer und Bürgerrechtler Dr. Martin Luther King jr. zu sprechen. Martin Luther King war von seiner Geschichte als Person gesehen ein sehr ergiebiges Thema, und ich könnte selbst jetzt noch lange begeistert von ihm erzählen.
Da wir nun aber den Tag der Religion möglichst bunt für die Kinder gestalten wollten, ließen wir die Kirchenband „The Churchrunners“ der ev. Kirchengemeinde Hiltrup antreten, die sogar noch von Ulrich Richter mit dem Saxophon unterstützt wurde. Und so ging es, nachdem sich Anfang der dritten Stunde alle Schüler der beiden Jahrgangstufen in der Aula des KvG versammelt hatten, mit einigen fetzigen Liedern zum Aufwärmen los.
Anschließend führten wir die Kinder anhand eines kurzen Theaterstücks in die Problematik der Rassentrennung ein: Auf der Bühne tat sich ein amerikanisches Lokal aus den 60er Jahren auf. Auf der rechten Seite befanden sich die schwarzen, auf der linken Seite die weißen Menschen. Die beiden Gruppen waren deutlich durch eine Absperrung („White only“) strikt voneinander getrennt. In dieser Situation entstand ein Konflikt zwischen den beiden Gruppen, wobei es auf jeder Seite radikal sowie gemäßigt Eingestellte gab.
Um diese Szene nicht einfach an den Kindern vorbeirauschen zu lassen, teilten wir die gut 200 Kinder in Kleingruppen auf, wo sie je nach Interesse sich in verschiedenen Projekten mit dem Thema „Martin Luther King“ bzw. „Rassentrennung“ befassen konnten. So erstellten einige Gruppen riesige Transparente für eine Friedensdemonstration, die heute vielleicht in Münster stattfinden könnte. Andere bastelten ein Mobile oder backten Friedensbrot. Aber auch die szenische Darstellung der Problematik in eine alltägliche Szene (Rassentrennung auf dem Schulhof etc.) fand großen Anklang.
Am Ende trafen sich noch einmal alle Kinder in der Aula, um zusammen für den Frieden zu demonstrieren. Nachdem alle Gruppen gezeigt hatten, was sie in den Projekten gestaltet hatten, stand mit Herrn Denekes Auftritt noch ein Glanzstück auf dem Programm. Mit seinem stimmgewaltigen „Peace to the world“ sorgte er in der Aula kräftig für Stimmung, bevor die Veranstaltung in der 6. Stunde endete.
Die abschließende Meinung im Team war eindeutig: Das Projekt ist erstaunlich gut über die Bühne gegangen. Und dazu haben sicherlich alle Beteiligten ein großes Stück beigetragen. Deshalb an dieser Stelle noch einmal meinen herzlichen Dank an die gut 50 Teamer, die erst das Projekt wirklich ermöglicht haben. Ohne euch hätte das nie geklappt.
Sebastian Siering
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Das Hungertuch: ein Aufruf für mehr Menschlichkeit

Sextaner auf den Spuren von Martin Luther King


Am „Tag der Religion“ leiteten wir bei dem Bibelprojekt für die Jahrgangsstufen 5 und 6 eine Gruppe, die zum Thema Martin Luther King ein Hungertuch gestalten sollte. Nach einer kurzen Vorstellung des schwarzen Baptistenpfarrers, der in seinem Kampf gegen den Rassismus ermordet wurde, diskutierten wir mit unserer kleinen und dabei sehr kreativen Gruppe von fünf Sextanern über die Gestaltung des Hungertuches. Dabei kamen wir darauf, daß M. L. King sich nicht nur gegen den Rassenhaß, sondern auch für ein Miteinander aller Menschen und Völker, für Frieden, Chancengleichheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit eingesetzt hat.
Es wurde beschlossen, die Realität und das Ideal Kings im Kontrast darzustellen. Die Felder des Hintergrundes zeigen das heutige Verhalten des Menschen, die Gedankenblase des gefangenen Pfarrers in der Mitte dagegen seinen Traum. Die Darstellung des im Kerker gefangenen Kämpfers symbolisiert, daß Ideen in ihrer Verwirklichung zwar gebremst werden können; doch solange man von ihnen träumt und sich für sie einsetzt, hat man immer eine Chance, sein Ziel zu erreichen.
Nachdem jedes Kind sein Feld eingeteilt bekommen hatte, ging es nun mit Eifer ans Werk. Mit kleinen praktischen Tips zum Zeichnen und unwahrscheinlich viel Ideenreichtum wurde aus dem schneeweißen ehemaligen Tischtuch ein Dokument zum Aufruf für mehr Menschlichkeit! Da wir in der eher knapp bemessenen Zeit bis zur Abschlußveranstaltung des Projekttages noch nicht ganz fertig geworden waren, wurde unser Vorschlag zu einem weiteren Treffen zur Ergänzung unseres Werkes von den fünf Fünftklässlerinnen sofort bereitwillig angenommen. Und es blieb nicht nur bei einem Treffen: Wir nutzten sogar dreimal die siebte Stunde zum Weiterarbeiten.
Wir merkten, daß es allen sichtlich Spaß machte: Anfänglich eher „Zweckgemeinschaft“, da viele andere Gruppen zu überlaufen waren, entwickelten sich die Mitglieder unserer Gruppe zu ehrgeizigen und begeisterten Künstlern. Nun, wo unser Tuch auch mit der letzten genähten Umrandung fertig ist, soll es auch in einem der nächsten Unterstufengottesdienste vorgestellt werden und bekommt selbstverständlich einen Ehrenplatz in der Pausenhalle. Dort - sichtbar für jeden - könnte es vielleicht den einen oder anderen zum Nachdenken und/oder Handeln anregen: Vielleicht führt es dazu, erste Schritte zu tun auf eher abseits stehende Mitschüler/innen zu?!?! ...
Sicherlich aber war auch unsere Gruppe schon ein kleiner Schritt zur Verwirklichung der Träume Martin Luther Kings, denn mit Gemeinschaft, Toleranz, Spaß und selbstlosem Einsatz arbeiteten wir mit den fünf Unterstufenschülern auf ein Ziel zu: „I had a dream that one day..!“ Sind es nicht schon die kleinsten Symbole der Menschlichkeit, die uns den Traum dieses schwarzen Märtyrers, sein so wünschenswertes Ideal einer besseren, solidarischeren Welt ein Stück näher bringen?
Sonja Lücke, Sonja Isermann
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Norbert Kleyboldt, seit 1999 Generalvikar des Bistums Münster.
Foto: Kathpedia

„Was macht die Kirche mit dem Geld?“


fragte eines der Projekte, das Lehrer und Schüler am KvG beschäftigte. [...] Zu letzterem Projekt war Domkapitular Norbert Kleyboldt, der „Finanzchef“ des Bistums Münster, eingeladen worden. Er erklärte einer großen Schülergruppe detailliert die Finanzlage der Kirche. Wie und von wem bekommt die Kirche ihr Geld, wie erfüllt sie damit ihre grundlegenden Aufgaben der Verkündigung, der Liturgie und der Caritas?
Genau erklärte Kleyboldt auch die Geschichte, Funktion und die Notwendigkeit der verschiedenen „Einnahmequellen“ der Kirche, von dem Spenden- und Kollektensystem bis zu den staatlichen Dotationen. Die Kirchensteuer nahm dabei ein besonderes Kapitel ein, da auch die Fragen der Schüler in diese Richtung zielten. So wurde der Domkapitular auch von schwierigen Fragen nicht verschont: Was sei z. B. mit den Menschen, die zwar aus der Kirchensteuergemeinschaft, nicht aber aus der Gemeinschaft der Christen austreten wollen, also Christen seien? Herr Kleyboldt blieb auch diese Antwort nicht schuldig und fragte, ob nicht zu der Solidarität des einzelnen Christen mit dieser christlichen Gemeinschaft, der Kirche, eine finanzielle Abgabe dazugehöre, stellte aber klar, daß mit einem Austritt aus der Kirche keine Entscheidung über das Seelenheil des einzelnen getroffen sei.
Einen Einblick in christliche Arbeit ganz anderer Art bot rund 40 Schülern das Projekt: „Betreuung von Obdachlosen in Münster“. Schwester Evelyne, die seit zwanzig Jahren den Treffpunkt für Obdachlose an der Clemenskirche leitet, erzählte von ihrer Arbeit, ihrem Alltag und auch von ihren Problemen und Erfolgen. Die Ordensschwester freute sich über das Interesse der jungen Leute an den Randgruppen der Gesellschaft. Sie wies auf Probleme, wie die der Straßenkinder, Obdachlosen und Prostituierten hin. Begeistern konnte sie die Schüler durch ihre lebendigen Erzählungen über Bibelgespräche mit Obdachlosen oder über Rosenkränze, die von ihren „Kindern“ für sie gebetet wurden, daß sie sich „auch mal einen Film anschauen kann“.
„Ausgerechnet Bananen“ hieß ein weiteres Projekt, das in Form eines entwicklungspolitischen Planspiels den Weg der Banane von ihrem Anbaugebiet bis in deutsche Supermärkte verfolgte. Spielerisch in die Rollen der bananenproduzierenden Landarbeiterinnen, Plantagenbesitzer, Import-Export-Gesellschafter und Supermarktkettenbesitzer geschlüpft, lernten die Schüler die ökonomische Ungleichheit zwischen diesen kennen. Besonders das Aufzeigen der wirtschaftlichen Risiken der Landarbeiterinnen und deren monopolartige Abhängigkeit von den Plantagenbesitzern war ein Ziel des Spieles. Die Schüler, die an den verschiedensten Projekten teilgenommen hatten, waren meist rundherum zufrieden mit dem „Tag der Religion“ am KvG. „Abwechslungsreich“ sei er gewesen, „mal etwas anderes als der Unterricht!“
Hildegard Rickert

„Tag der Religion“ am KvG

Klassen 5 und 6: Bibelprojekt
Jahrgangsstufe 7: Stationenspiel: Kirchliches Leben in Hiltrup
Angebote und Aktivitäten für die Jahrgangsstufen 8-13:
1
Situation von Kirche heute / Diözesanforum / Kirchenvolksbegehren
2
Was macht die Kirche mit dem Geld?
Gespräch mit Herrn Domkapitular Norbert Kleyboldt
3
Soziale Arbeit der Kirchen: Caritas/Diakonie (mit Exkursion)
4
Meditativer Tanz
5
Asylproblematik. Kurzfilm, Begegnung mit Betroffenen
6
Gegen Fremdenhaß - Für Frieden, Toleranz und Humanität - Lyrik, Musik, Fotos
7
Bibliodrama
8
Kerzen dekorieren mit österlichen Symbolen
9
„Ausgerechnet Bananen!“ - Ein entwicklungspolitisches Planspiel
10
Eine jüdische Zeitzeugin erzählt aus ihrem Leben
11
Rundgang zu den Stätten jüdischen Lebens in Münster
12
Besuch der Bildhauerin Frau Schürk-Frisch in ihrem Atelier
13
Betreuung von Obdachlosen in Münster - Gespräch mit Schwester Evelyne
14
Umgang mit Krankheit, Alter, Sterben und Tod. Diskussion mit dem Krankenhausseelsorger im Hiltruper Herz-Jesu-Krankenhaus
15
Leben, Arbeit und Freizeit mit Behinderten im Alexianer-Krankenhaus
16
Missionsarbeit in der Südsee und in Peru. Bilder und Gespräche im Missionshaus
17
„Nächstenliebe konkret“ - Schnupperkurs in „Erster Hilfe“
18
Zum Bund oder Zivi? Begegnung mit Wehr- und Zivildienstleistenden im Altenheim Marienheim in Hiltrup
19
„Freiwilliges soziales Jahr“ für junge Frauen. Erfahrungen aus der Praxis
20
Zen-Meditation. Einführung in Stille-Übungen
21
Film „Jesus von Montreal“ - Einführung, Vorführung und Gespräch

Religiöse Erziehung - Probleme und Chancen. Diskussionsforum am KvG


Als Abschluß des von den Fachschaften evangelische und katholische Religion organisierten „Tages der Religion“ im Jubiläumsjahr des KvG ging es in der KvG-Aula um die Frage: „Werden unsere Kinder morgen noch Christen sein?“ Die Bereiche Familie, Schule und Gesellschaft bildeten die drei Schwerpunkte der Diskussion.
Helga Reimann, Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands und Schulpflegschaftsvorsitzende des KvG, wies zunächst auf das Problem der Vermittlung religiöser Grunderfahrungen an die Kinder hin, das in der heutigen Gesellschaft nur durch ein Zusammenwirken von Familie, Schule und Kirche zu lösen sei. Sie stellte besonders die Rolle der Eltern in den Vordergrund, die bei der Beantwortung religiöser Fragen und der Lösung von Konflikten nicht mehr allein auf ihre Erfahrungen und auf Traditionen zurückgreifen könnten. Vielmehr müßten sie mit den Kindern zusammen „durch Reflexion und stetigen Dialog neue Wege suchen und ihnen Halt geben“.
Herr Prof. Böhm, Dezernent für die Fächer Ev. Religionslehre und Erziehungswissenschaft bei der Bezirksregierung Münster, fragte daraufhin, ob denn die Eltern mit den Fragen der Kinder, z. B. nach dem Sinn des Lebens und nach Sterben und Tod nicht oft überfordert seien. Aus seiner Sicht lasse die „Erosion der Volkskirche in den letzten Jahrzehnten“ Familie und Gemeinde als Orte der Vermittlung christlicher Tradition immer stärker zurücktreten.
In diesem Zusammenhang sah er eine wachsende Bedeutung im schulischen Religionsunterricht und religiösen Leben im Rahmen der Schule. Schule werde für eine steigende Anzahl von Schülern der erste und vielfach auch der einzige Ort, an dem sie mit christlicher Tradition und christlich geprägter Lebenswirklichkeit in Kontakt kommen. Schule müsse daher zunächst und vor allem junge Menschen „religiös sprachfähig machen“. Es gelte, „die Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz, nach Ursprung und Ziel der Welt, nach Begründung für Vertrauen und Lebenszuversicht und nach den Wegmarken für gelingendes Leben zunächst einmal zu wecken, danach diese Fragen aufzunehmen und Schülerinnen und Schüler bei ihrem Nachdenken darüber zu begleiten.“ Bei der heutigen Vielzahl von nichtkirchlich gebundenen Schülern sei die Schule jedoch überfordert. Sie bedürfe daher der Unterstützung von den Amtskirchen und Gemeinden, z. B. durch die Förderung von echter Jugendarbeit.
Eine weitere wichtige Aufgabe des schulischen Religionsunterrichts sah Prof. Böhm in der Weitergabe und Erklärung der Grundlagen unserer Kultur in der jüdischchristlichen Überlieferung. In einer „Phase rasanten kirchlichen Geltungsverlustes in der Gesellschaft“ biete das religiöse Leben in der Schule eine Möglichkeit zur Sicherung des „kulturellen Gedächtnisses“. Eine neue Sicht von Schule, eine humane Schule, beginne sich zu entwickeln, die nicht nur Lernstätte sein, sondern als Lern- und Lebensort zur Personwerdung junger Menschen beitragen wolle. Menschliche Gespräche zwischen Lehrern und Schülern müßten den jungen Menschen helfen, sich in der Welt pluraler Sinnangebote zurechtfinden zu können und tragfähigen Lebenssinn zu finden. In einem Appell an die kirchlichen Gemeinden forderte Prof. Böhm diese auf, sich stärker als bisher für die Schulen zu öffnen.
Prof. Dr. Norbert Mette bezog sich zunächst auf die Titelfrage „Werden unsere Kinder morgen noch Christen sein?“. Die nominelle Zugehörigkeit zu den Amtskirchen werde sinken, sagte er und begründete seine Prognose mit drei Thesen von Franz Xaver Kaufmann, nach denen es in der modernen Kultur schwer sei, Christ zu werden, Christ zu sein, und „wenn denn einer versucht, sein Christ-sein tatsächlich zur Geltung zu bringen“, werde „er selbst schwierig für seine Umwelt“.
Mit Prof. Böhm war Prof. Dr. Mette der Meinung, daß Eltern angesichts der religiösen Fragen der Kinder und Jugendlichen oft sprachlos seien. Die Sprache der kirchlichen Verkündigung sei ihnen oft unverständlich, so daß der Religionsunterricht eine Möglichkeit biete, den jungen Menschen religiöse Themen nahezubringen. Sie dürften nicht alleine gelassen werden beispielsweise mit der Frage nach der Zukunft, dem Leben nach dem Tod, dem Problem der Theodizee oder anderen existentiellen Fragen, die die Jugendlichen durchaus hätten. Grundlegende Aufgabe müsse jedoch die „Vermittlung der Erfahrung des unbedingten Erwünschtseins“ sein. Gerade in unserer heutigen Gesellschaft, die sich wesentlich über Leistung definiere, solle die grundlose Rechtfertigung erfahrbar werden können.
In den Diskussionsrunden zwischen den Statements der Podiumsmitglieder, moderiert durch Udo Hühn, evangelischer Religionslehrer am KvG, wurde deutlich, daß es gar nicht immer so einfach ist, einfach von Gott zu reden. Die offenen und engagierten Beiträge der Eltern und Lehrer ließen aber erkennen, daß sich in erstaunlich vielen Bereichen von Familie, Schule und Gemeinde auf der Suche nach gelingendem Leben Erfahrungs- und Gestaltungsräume des Christlichen finden lassen.
Hildegard Rickert
Alle Beiträge aus: Kardinal-von-Galen-Schule 1946-1996, Münster 1996