Selbstbehauptung und Konflikttraining

für Mädchen und Jungen

02 03 01
Konflikttraining-Kurs für Jungen der Klasse 6

Koedukation als gemeinsame Erziehung von Jungen und Mädchen im Bildungswesen ist seit Beginn ihrer Einführung in deutschen Schulen vor gut 30 Jahren ständig Gegenstand pädagogischer und soziologischer Diskussionen gewesen, und sie ist es auch heute noch. Im Sinne einer Gleichberechtigung der Geschlechter sollten die Mädchen die gleiche schulische Bildung und Erziehung genießen können wie die Jungen.
Trotz einer inzwischen festzustellenden fast gleichrangigen Bildungsbeteiligung von Mädchen an Realschulen, Gymnasien und Hochschulen ist immer noch eine gewisse strukturelle Benachteiligung zu erkennen. Obgleich einerseits mehr Mädchen zu höherqualifizierten Abschlüssen gelangen als Jungen, sind andererseits 82% der Mädchen bzw. Frauen in nur 24 Berufsgruppen vertreten; ebenso ist der Frauenanteil an den Universitäten im mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereich sowohl unter den Studenten, als auch im Bereich der Lehre gering. (Weniger Frauen als Männer promovieren; es gab 1998 nur ca. 5,9% C4 - Professorinnen.)In der Wirtschaft sind Frauen in leitenden Positionen unterrepräsentiert (NRW: 3,4 %). So wird neuerdings vermutet, dass ein Teil dieser Benachteiligung und Unterrepräsentation in der Koedukation begründet sein könnte und sich Mädchen gerade in den „technischen“, vorurteilsbehaftet als „mädchenuntypisch“ bezeichneten Fächern in der direkten Konkurrenz mit Jungen nicht so gut behaupten und durchsetzen und damit entwickeln können.

Es geht aber nicht nur darum, Mädchen beim Erkennen ihrer Stärken und Fähigkeiten im naturwissenschaftlich-technischen Bereich zu unterstützen; darüber hinaus sollen sie möglichst frühzeitig in der Ausbildung ihres Selbstwertgefühls und ihres Selbstbewusstseins gestärkt werden. So wird seit 1998 am KvG das vom Land NRW geförderte, als Teil des Schulprogramms beschlossene Initiativprogramm „Selbstbehauptung für Mädchen an Schulen“ durchgeführt. Im Rahmen von Maßnahmen zur Gewaltprävention wurde 1999 das Programm auf die Teilnahme von Jungen ausgeweitet, so dass seit diesem Zeitpunkt regelmäßig Kurse zu „Selbstbehauptung und Konflikttraining für Mädchen und Jungen an Schulen“ stattfinden. Ziel des Konzeptes zur Mädchen- und Jungenförderung ist eine Förderung der allgemeine Persönlichkeitsentwicklung unter geschlechtsspezifischem Aspekt, wobei es um die Reflexion gesellschaftlich tradierten Rollenverhaltens, um Übungen zur Selbstbehauptung (vorrangiges Ziel der Mädchenkurse) und um die Stärkung von konfliktmindernden Verhaltensweisen sowie der Kommunikationsfähigkeit (vorrangiges Ziel der Jungenkurse) geht.

Das derzeitige Angebot am KvG umfasst Kurse in den Jahrgangsstufen 6, 8 und 9.
Schwerpunkte in den Kursen für Mädchen der Jahrgangsstufe 6 sind:
• gezielte Unterstützung bei der Findung der eigenen Identität
• Erkennen der eigenen Stärken, aber auch der Schwachstellen des eigenen Körpers
• Stärkung des Selbstbewusstseins
• Kommunikationsverhalten
• Körpersprache
• kritische Reflexion der Geschlechterrollen
• Umgang mit Gewaltsituationen

Schwerpunkte in den Kursen für Jungen der Jahrgangsstufe 6 sind:
• Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, d.h. sich selber wahrzunehmen, eigene Ängste anzuerkennen
• Reflexion der Geschlechterverhältnisse: männliche Identitätsfindung (Vorstellungen von Männlichkeit und Mann-Sein)
• Förderung der Kommunikations- und Konfliktfähigkeit - Erkennen von Gruppenhierarchien und Gruppendynamik - eigene Positionen beziehen; sich abgrenzen können
• Sensibilisierung für alltägliche Gewalt und die eigene Betroffenheit

Die Kurse werden von einer Trainerin bzw. einem Trainer und nicht von einem Lehrer geleitet, wodurch es den Schülerinnen und Schülern leichter fallen soll, gegenüber einer für sie fremden Person über eventuelle negative Erfahrungen mit Gewalt zu sprechen. Im Interesse einer nachhaltigen Wirkung der Ziele des Programms werden für die Mädchen und Jungen der Jahrgangsstufe 8 Auffrischungs- bzw. Vertiefungskurse angeboten.

Für die Schülerinnen der 9. Jahrgangsstufe besteht eine weitere Möglichkeit, sich mit dem Umgang mit Gewalt und Konflikten zu beschäftigen. Das Kommissariat Vorbeugung beim Polizeipräsidium Münster bietet Selbstbehauptungskurse für Mädchen an, in denen auf eine Verhaltensänderung im Alltag hingearbeitet wird. So sollen die Schülerinnen erfahren, wie man durch Körpersprache, auch in Stresssituationen, Signale aussenden kann, die dem Gegenüber vermitteln, dass man nicht als Opfer in Frage kommt. Neben einer solchen Stärkung selbstbewusster Verhaltensweisen werden auch Informationen über Gewaltdelikte im sexuellen Bereich, über bestehende Präventivprogramme bezüglich des Verhaltens gegenüber fremden und bekannten Personen sowie über rechtliche Möglichkeiten wie Anzeige, Nebenklage oder Gerichtsverfahren erteilt.

Gabriele Horstbrink, 2002