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Friedrich-Schiller-Schule und Kardinal-von-Galen-Gymnasium 1991
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Schüleraustausch mit Leipzig

1991-2004

„Hier Bahnhof Hiltrup. Wir begrüßen herzlich die Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 6 der Polytechnischen Oberschule aus Leipzig“, hieß es erstmals am 26. Mai 1991 aus dem Bahnhofslautsprecher. Inzwischen wiederholen sich ähnliche Begrüßungen am Leipziger Hauptbahnhof bzw. am Bahnhof Hiltrup im jährlichen Wechsel. SchülerInnen der Stufe 5 des KvG sind Gastgeber für Sextaner aus Leipzig und gehen im folgenden Jahr für eine Woche auf Reise an die Friedrich-Schiller-Schule in Leipzig-Gohlis.

Die Initiative für diesen Schüleraustausch erwuchs aus Kontakten im Frühjahr 1990 zwischen Kollegen des Friedrich-Schiller-Gymnasiums (damals noch: „Polytechnische Oberschule Friedrich Schiller“) in Leipzig und Lehrern unserer Schule. Dieses etwa gleichgroße Gymnasium im Stadtteil Leipzig-Gohlis blickt auf eine lange Tradition zurück, der denkmalgeschützte Schulbau stammt aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts. Den Kollegen beider Seiten war bewusst, dass gerade wir Lehrer nach dem Motto „Kennenlernen verbindet“ etwas für die deutsch-deutsche Wiedervereinigung beitragen konnten und sollten. Uns war wichtig, nach über 40 Jahren getrennter Entwicklung der politischen Systeme, aufeinander zuzugehen und Trennendes abzubauen. Die Schüler sollten durch direkte Kontakte mit Gleichaltrigen eigene Erfahrungen sammeln und zumindest einen Teil des für sie jeweils “neuen Deutschlands“ kennen lernen.

In intensiven Gesprächen wurde ein gemeinsames Austauschprogramm für Schüler der Jahrgangsstufen 5 und 6 konzipiert, das den Bedürfnissen beider Seiten Rechnung trägt. Bei der ersten Vorstellung dieses Konzeptes fand es bei Eltern und Schülern unserer damaligen Stufe 6 große Zustimmung. Es zeigte sich große Bereitschaft zu einer ersten Einladung einer Klasse 6 aus Leipzig. Im Mai 91 besuchten uns dann erstmals 22 Schülerinnen und Schüler, und erste Strukturen des Besuchsprogramms entstehen: Die Gäste sind so auf unsere Klassen 6a, 6b und 6c verteilt, dass sich die Leipziger problemlos für die ersten 3 Tage in den Unterricht integrieren lassen. Nachmittags Münsterprogramm, wo wir mit Pater Trilling einen kompetenten Führer durch Altstadt und Domgelände haben. So ein traditionell kirchlich geprägtes Umfeld ist unseren Gästen unvertraut fremd, und viele überraschende Fragen kommen. Mitte der Besuchswoche dürfen wir mit Gästen und Gastfamilien in das Klostergelände. Der anschließende Feiertag (die bisherigen Besuchstermine haben immer einen Feiertag eingeschlossen) gilt als Familientag: Spätere Nachfragen zeigen, dass dieser Tag für unsere Gäste immer das Highlight war. Den Abschluss bildet ein ganztägiger Ausflug über den Aasee in das Gelände von Zoo, Naturkundemuseum und Planetarium.

Über Himmelfahrt 92 reisen dann die Gastgeber vom Vorjahr nach Leipzig, der Unterricht für die nicht beteiligten SchülerInnen läuft wie gewohnt weiter. Die Kollegen der Friedrich-Schiller-Schule haben zum Teil ihr Unterrichtsprogramm auf die Besucher eingestellt: Wir hören viel über Bach, Gustav Adolf und Napoleon, die "Wende" wird zum Stundenthema. Und dann der Nachmittag: der historische Rathausplatz, der Thomanerchor, das Völkerschlachtdenkmal, die Nikolaikirche, die Stasizentrale...: Leipzig ist voll mit deutscher Geschichte. Am 3. Besuchstag zu den Kulturschätzen nach Dresden und eine Schiffsfahrt auf der Elbe. Dann ein Tag in den Familien und ein Abschlusswandertag um den Kulkwitzer See mit allen Gastfamilien.

Auch heute noch läuft die Organisation nach dem gleichen Prinzip wie zu Anfang des Austauschprogramms ab. Am KvG fragen wir zunächst in den Klassen 5, wer als Gastgeber einem Besucher für eine Woche Kost und Unterkunft bieten kann und im Folgejahr dann nach Leipzig reisen möchte. Aus dem Angebot wählen sich die Leipziger Schüler individuell ihre Gastgeber in Hiltrup. Wir beschränken die Teilnehmerzahl auf etwa 30, um die Schüler an den Tagen, an denen sie am regulären Schulunterricht teilnehmen, relativ problemlos in die Klassen integrieren zu können. Neben den oft auf die Besucher abgestimmten Unterrichtsstunden lernen die Gäste einiges zur Geschichte unserer Schule und der Bischofsstadt Münster und erleben Planetarium, Naturkundemuseum und Zoo. Das abschließende Wochenende in den Familien ist hier - wie auch in Leipzig - oft das Highlight des Aufenthalts. Bei unserem Gegenbesuch bietet Leipzig soviel Kultur und Geschichte, dass wir unsere Auswahl stets ein bisschen variieren können: Bach, Gustav Adolf, Napoleon, die Spuren der „Wende“, eine Fahrt nach Dresden usw.

Joachim Paesler, Schulprogramm-Dokumentation 2002

Mit der Pensionierung Joachim Paeslers 2004 endete dieser Schüleraustausch, mit dem unsere Schule in den Jahren nach der Wiedervereinigung einen wichtigen Beitrag zum Zusammenwachsen unseres Landes geleistet hat.