Praktikumsbericht
Ich habe mein Praktikum im Rechenzentrum der Universität Münster
(Einsteinstraße 60) gemacht. Die Aufgabe dieses Computerbetriebes,
der modernste Maschinen in einem viel zu engen und alten Gebäude
beherbergt, ist es, Programme der Studenten zu bearbeiten und Texte,
die in unverständlichem Kauderwelsch aus Latein und Amtsdeutsch
geschrieben sind, auszudrucken.
Mein Job war es, auf Wunsch Magnetbänder, die als externe Speichermedien
dienen, aufzulegen und die Computerausdrucke in die einzelnen Fächer
der Studenten zu verteilen. Dabei mußte ich darauf achten, daß
die Ausdrucke der Verwaltung, die zu schützende Daten enthalten,
in spezielle, abschließbare Schränke kamen und daß
die Studenten dieses Angebot zur Unterstützung ihrer wissenschaftlichen
Arbeiten weder für kommerzielle noch für private Zwecke ausnutzten.
Diese Regelung gilt sogar auch für die Professoren. Übrigens:
Löblicherweise wird im Rechenzentrum schon Recyclingpapier benutzt!
Hier lernte ich beide Seiten des Berufslebens kennen: Die stressige
(z. B. wenn zu den Stoßzeiten nicht wenige lange, sondern viele
kurze Ausdrucke angefertigt wurden), in der Hast und Gereiztheit einander
abwechseln, und die langweilige (z. B. wenn morgens um acht Uhr alle
Studenten noch schlafen), in der den Arbeitssuchenden glücklicherweise
ein Aufenthaltsraum zur Verfügung steht, der allerdings von Zigarettenqualm
und Mitarbeitern voll ist.
In der mir noch verbliebenen Freizeit, die im Vergleich zu normalen
Tagen stark reduziert war, stellte ich fest, daß die Schule wesentlich
angenehmer ist als die körperliche Arbeit. Denn im Rechenzentrum
mußte ich, wenn es einmal etwas zu tun gab, ununterbrochen arbeiten,
während ich in der Schule zwischendurch mal eine „Pause“
von 45 Minuten einlegen kann.
Neben der Erkenntnis, was Arbeit eigentlich ist, habe ich im Rechenzentrum
auch einige interessante Erfahrungen über die Organisation eines
modernen Verwaltungsbetriebes gemacht: Die Herstellung von Systemsoftware,
die Vernetzung der Rechner untereinander und die Außenschnittstellen
sind aus technischer Sicht „hochinteressant“.
Insgesamt finde ich, daß das Praktikum eine interessante und
sinnvolle Einrichtung ist, die den Erfahrungshorizont erheblich vergrößert.
Dadurch wird das Gegenargument, der Schulstundenausfall, entkräftet.
Ich hoffe, daß das Praktikum auch in Zukunft durchgeführt
werden kann, auch wenn für die Organisatoren ein erheblicher Aufwand
entsteht. Christian Kloth (Abitur 1990), KvG-Infoheft 1987/88
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Schülerbetriebspraktikum 1987
16. - 27. 03.
Tagebuchnotizen
Montag, 16. 03. 1987
Nach einer kleinen Irrfahrt durch Wolbeck habe ich die Stätte meines Praktikums
[…] doch noch entdeckt. Unsicher, optimistisch und skeptisch betrete ich
das Geschäft. Niemand ist da. Nach kurzer Suche habe ich den Chef […]
entdeckt, der mich auf meine Beteuerung, ich sei der neue Praktikant, erst etwas
verwirrt anguckt, mir dann jedoch mitteilt, daß ich gleich mit Gabi die
Tiere füttern kann. Daraufhin stellt er mich dann der leitenden Verkäuferin
[…] vor, die auf meine Aufforderung, mich doch zu duzen, erwidert: „Wenn
Sie mir bitte folgen, Heiko!“ Dann eben nicht. Nach kurzer Zeit kommt
Gabi denn auch tatsächlich, und ich beginne mein Praktikum mit dem Füttern
und Reinigen der Vögel, wobei Gabi interessanterweise wohl davon ausgeht,
daß ich das alles schon kann. Nach einigem Nachfragen erklärt sie
mir dann aber doch, was ich hätte machen sollen. Ob ich den Anfang gut
oder schlecht fand, weiß ich auch nicht. Anschließend sollte ich
saugen. Den antiken Staubsauger erkenne ich sofort als meinen persönlichen
Feind. Nach zehn Minuten des verzweifelten Saugens wage ich es dann doch, Frau
[…] davon zu unterrichten, daß der Sauger genau genommen überhaupt
nicht saugt. Das sei gar nicht verwunderlich, erklärt sie, der Sauger sei
nämlich verstopft. Dann ging es so eben (dennoch kein Vergleich mit dem
Sauger des zivilisierten Haushaltes).
Anschließend lehrt der Chef mich, Fische in Plastiktüten zu packen,
was ich anschließend eine Stunde üben muß - ohne Fische natürlich.
Nach einigen anderen Tätigkeiten naht der Abend, und das Geschäft
füllt sich. Mein großer Wunsch, mit bedienen zu dürfen, geht
sofort in Erfüllung, der Chef hat mich sogar dazu ermuntert. So fange ich
meine ersten Fische, verpacke sie selber und transportiere sie voll Stolz zur
Kasse. Um 18.00 Uhr bin ich, milde genagt, recht erschöpft und werde gnädig
entlassen. Ein toller erster Tag.
Dienstag, 17. 03. 1987
Der völlige Frust. Nachdem der Tag wie der vorherige begonnen hat, abgesehen
von Claudia, einer weiteren Angestellten, die vorher Urlaub hatte, mußte
ich schon bald neue Arbeiten machen. Ich selektiere immer, ob sie sinnvoll oder
nur Beschäftigungstherapie sind, bei letzterer reagiere ich mit entsprechenden
Kommentaren. Leider müssen mir bei der Selektion Fehler unterlaufen sein.
Nach Mittag dann ist Schluß. Und zwar völlig, nichts geht mehr. Die
Tiere sind restlos glücklich und versorgt, der Laden ist sauber, das Lager,
ein einziges Chaos, angeblich leer (Lüge! Man findet nur nichts), kein
Kunde in Sicht. So sitzen wir zu viert und langweilen uns gemeinsam. Hier beschließe
ich, das Praktikum zu hassen. Zu Hause überdenke ich die Situation noch
einmal. Vielleicht war der Tag doch gar nicht so schlecht.
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Christian Kloth |
Heiko Werning |
Donnerstag, 19. 03. 1987
Inzwischen macht alles wieder Spaß, aber Gabi ist ein Monster. Heute beschließt
sie, daß es an der Zeit ist, einen Wasserwechsel bei der Kaltwasseranlage
durchzuführen, und daß ich wie geboren dazu bin, ihn durchzuführen.
Dazu muß man wissen, daß die Kaltwasseranlage bereits im hinteren
Teil des riesigen Geschäftes (650 m
2) ist. Das bedeutet, Hunderte (na ja...)
von schweren Eimern durchs ganze Geschäft zu tragen und die Aquarien anschließend
mit dem Gartenschlauch wieder aufzufüllen. Das wahre Monster, das erkenne
ich schnell, ist der Gartenschlauch! Völlig verknotet nimmt er mir eine
halbe Stunde, um ihn bis zur Anlage zu befördern. Jetzt beginne ich, Gabi
zu verstehen. Ich will saugen!
Montag, 23. 03. 1987
Mein innigster Wunsch ist es, den Kongo-Graupapagei zu töten. Jedesmal,
wenn man ihm zu nahe kommt, beginnt er, mit unglaublicher Lautstärke zu
schreien. Gabi erklärt mir, daß er Psychopath sei, da man ihn mit
zwei Wochen aus dem Nest geholt hat. Ich lasse Gnade walten. Ich bin vollauf
zufrieden. Im übrigen ist dann und wann noch die Freundin vom Chef im Laden
– sehr nett. Immer, wenn ich nichts zu tun habe, darf ich die Fische für
ihre Kunden fangen!
Heute morgen war außerdem noch Herr Gerwing, mein Betreuungslehrer, da.
Nach einer Woche Arbeit kam er mir vor wie ein freundliches, altes Fossil aus
längst vergangenen Tagen...
Mittwoch, 25. 03. 1987
Gabi und ich prüfen heute, welche Fische noch da sind und welche neu bestellt
werden müssen. Hierbei wird mir natürlich wieder deutlich, welch unglaubliches
Fachwissen die Verkäuferinnen haben müssen, obwohl sie auf der Berufsschule
nichts Fachspezifisches gelernt haben. Und so lernen sie privat alles über
die vorhandenen Tiere. Die Fischbestandsaufnahme gerät zur Vokabelabfrage.
Ich nenne den deutschen, Gabi den lateinischen Namen des Fisches.
Samstag, 28.03.1987
Das war's schon. Die zwei Wochen Praktikum sind schnell verflogen, zurück
bleibt Begeisterung. Ich habe nicht nur einen Einblick in den Betrieb erhalten,
ich war voll „mit drin“. Meine Aufgabenfelder - Tierpflege, Warenarbeiten
und Bedienen - ließen eine ausgesprochen abwechslungsreiche Arbeit zu.
Merkwürdig. Plötzlich wieder Schule, als wäre nichts gewesen.
Heiko Werning (Abitur 1990), KvG-Infoheft 1987/88