FSJ in Rumänien

Veronika Pöpping (Abitur 2001 am KvG)

Gemeinsam

Vergesset nicht
Freunde
wir reisen gemeinsam

Besteigen Berge
pflücken Himbeeren
lassen uns tragen
von den vier Winden

Vergesset nicht
es ist die unsre
gemeinsame Welt
die ungeteilte
ach die geteilte

Die uns aufblühen lässt
die uns vernichtet
diese zerrissene
ungeteilte Erde
auf der wir
gemeinsam reisen

Rose Ausländer, 1976

Schon ist mein Jahr in Lipova zu Ende, für mich ein wertvolles Jahr
mit vielen intensiven Erfahrungen, Eindrücken und Begegnungen.
Multumesc foarte mult
(ich danke sehr) für die Begleitung und Unterstützung in dieser Zeit!
Veronika Pöpping


Trotz aller Armut hat Tante Gisi manchmal auch den Schalk im Nacken. Im Rahmen ihres freiwilligen sozialen Jahres kümmert sich die Hiltruperin Veronika Pöpping um die alte Dame.
MZ-Foto: Herbers

Die Angst vorm Alleinsein

Hiltruperin Veronika Pöpping hilft in Rumänien den Ärmsten der Armen

HILTRUP/LIPOVA. Vor etwa acht Monaten war in unserer Zeitung von der 20jährigen Veronika Pöpping zu lesen, der ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Lipova (Rumänien) bevorstand. Doch wie ist es ihr bis jetzt ergangen in einem der ärmsten Länder Europas? Drei Freundinnen aus der Heimat besuchten sie jetzt, um zu sehen: Was macht Veronika eigentlich genau, was ist das für ein Land?
Nach 26 Stunden Zugfahrt Ankunft in Arad, Empfang von Veronika, dann Warten in der Bahnhofshalle auf den Zug nach Lipova: Ein Mann mit nur einem Bein kriecht auf dem Boden, eine regennasse Spur hinter sich lassend. Wir sind die einzigen jungen Mädchen. Ein freundlicher Rumäne unterhält sich mit uns, hilft uns beim Taschentragen. Lipova am Abend kommt einer Geisterstadt gleich - von den rund 14000 Einwohnern ist keiner auf der Straße, die Häuser und kopfsteingepflasterten Straßen scheinen die Zeit um 50 Jahre zurückzudrehen. Der Putz blättert von den Häusern, viele wurden nicht fertig gebaut; und die Luft ist voller Rauch von den Öfen und vom Müllverbrennen.
Veronika wohnt mit Samuel, Martin und Sophie zusammen in dem Haus, das ihnen ihre Organisation Jesuit Europeen Volunteers (JEV) zur Verfügung stellt. Die vier JEVs leben dort nach den Grundsätzen gelebter Glaube, Leben in Gemeinschaft, Einsatz für Gerechtigkeit und einfacher Lebensstil. Das heißt, Ofen heizen, um nicht zu frieren, keine Wurst und kein Schnittkäse (zu teuer); gemeinsam essen, singen, beten und den Menschen in Lipova helfen.
Wie in einer anderen Welt: In Rumänien scheinen die Uhren vor 50 Jahren stehengeblieben zu sein. MZ-Foto: Herbers
Zu den Aufgaben Veronikas gehört die Arbeit in der Caritas-Suppenküche, wo sich die alten Leute das Essen abholen und wo auch die JEVs sowie die rund 20 Mitarbeiter der Caritas zu Mittag essen. Wichtiger aber sind ihr die Besuchsdienste und das Kinderhaus. Einmal in der Woche kümmert sie sich um die 79-jährige Anita Bedelen, mit ihrem kleinen Häuschen, ihren Hühnern auf dem Hof und 12 Euro Rente eine „typische“ Rumänin. Ebenfalls einmal wöchentlich geht es zur etwa 70-jährigen, depressiven Frau Bickel und der gleich alten Maria Aliosan, der es gesundheitlich im Vergleich zu den übrigen Besuchten recht gut geht. Sie braucht am dringendsten ein offenes Ohr.
Und dann ist da noch die „alte Tante Gisi“, zu der Veronika bis auf ihre freien Tage täglich kommt. Die 89-Jährige lebt in einem etwa zwei mal drei Meter großen Verschlag, wird von ihrer Nachbarin Gina versorgt und ist wie auch Frau Bickel und Anita nicht gesund. Herzprobleme, Wasser in den Beinen, Asthma - die Liste ist lang. Und auch wenn Gisi viel zu klagen und Angst vorm Alleinsein hat, so sitzt ihr auch der Schalk im Nacken, sie lacht verschmitzt, und. ihre Augen strahlen, wenn ihre Katze Romica erscheint oder sie Schokolade aus Deutschland geschenkt bekommt.
Im Kinderhaus sind zwölf Kinder von zwei bis 15 Jahren, mit denen Veronika dreimal in der Woche spielt, ihnen bei den Hausaufgaben hilft und jetzt auch mit ihnen ein Theaterstück einübt. Die Kinder, für die ihren eigenen Eltern nicht sorgen können, werden von einem Ehepaar und einer Erzieherin betreut und versorgt. Die jungen Rumänen dürsten förmlich nach Aufmerksamkeit, so dass etwa der 13-jährige Nico die Hand Veronikas ergreift und für zwei Stunden nicht mehr loslässt. Wie auch die Eindrücke dieses armen, aber ungemein gastfreundlichen Landes einen so schnell nicht loslassen, wenn man das vom Rauch verhangene Städtchen verlässt.
Daniela Herbers, Münstersche Zeitung 19. 03. 2002

Lipova

Mein Jahr in Lipova / Rumänien


Liebe Freunde, Verwandte und Bekannte!
Wie die meisten von Euch wissen, habe ich im Juni dieses Jahres am Kardinal-von-Galen-Gymnasium mein Abitur gemacht.
Abitur - und was nun?
Für mich steht nun schon etwas länger fest, dass ich ein Freiwilliges Soziales Jahr machen will - wenn möglich im Ausland. Als Träger dieses Unternehmens suchte ich mir die Jesuit European Volunteers aus. JEV ist eine Einrichtung innerhalb des Jesuitenordens. JEV bietet jungen Leuten die Möglichkeit, einen 1-2jährigen Einsatz zu leisten, z. B. in Deutschland, Österreich, Mexiko, Bosnien und Rumänien. Neben der Motivation, sich sozial zu engagieren und eine neue Kultur kennen zu lernen, ist das Jahr bei JEV außerdem nach vier Grundprinzipien ausgerichtet:

1. Einsatz für Gerechtigkeit
2. Gelebter Glaube
3. Einfacher Lebensstil
4. Leben in Gemeinschaft.

Wir werden in einer kleinen Gemeinschaft leben und in den Projekten für benachteiligte Gruppen der Gesellschaft arbeiten. Während des Jahres werden wir durch die JEV-Zentrale und Kontaktpersonen vor Ort begleitet. In Besinnungstagen und Treffen haben wir die Möglichkeit, unseren Glauben zu reflektieren und uns mit anderen JEVs über unsere Erfahrungen auszutauschen.
Lipova ist eine Kleinstadt nahe der rumänisch-ungarischen Grenze und hat ca. 14.000 Einwohner. Die wirtschaftliche und soziale Lage hat sich nach der Öffnung Osteuropas und dem Sturz von Ceausescu keineswegs gebessert. Es herrscht immer noch große Armut; soziale Einrichtungen sind oft nicht vorhanden oder nur notdürftig ausgestattet.
Zusammen mit drei weiteren JEVs (Sophia, Martin, Samuel) werde ich über die Caritas in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Das ist z.B. ein Altenheim mit alten und auch behinderten Menschen; Besuchsdienste alter und kranker Menschen zu Hause oder Arbeit in einem SOS-Familienhaus.
All diese Projekte kosten Geld und auch wir JEVs kosten Geld. Durch den Förderkreis soll der Einsatz der JEVs mitfinanziert werden, um so die sozialen Projekte aufrecht zu erhalten. Durch regelmäßige oder einmalige Spenden unterstützt Ihr die Unterhalts- und Versicherungskosten eines JEVs und so das Projekt, in dem wir arbeiten. Wer Mitglied in meinem Förderkreis werden möchte, ist jedoch nicht zu einer Spende verpflichtet. Mit Rundbriefen, die ich ca. alle 6-8 Wochen schreibe, werdet Ihr ständig über mein Projekt und meine Arbeit auf dem Laufenden gehalten. Auch für mich persönlich ist es sicherlich eine Bereicherung, durch die Rundbriefe an Freunde und Verwandte meine Erfahrungen reflektieren zu können.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr mich in diesem Jahr begleitet und unterstützt.
Vielen, lieben Dank, Cu drag
Veronika

Jetzt heißt es für die Hiltruperin Veronika Pöpping fleißig Rumänisch pauken! Im September beginnt ihr FSJ.
Foto: Herbers

Raus aus dem Alltagstrott

Veronika Pöpping zieht es im FSJ nach Rumänien

Hiltrup. Hiltrups Gymnasiasten haben es endlich geschafft: Seit Mittwoch sind auch die lästigen Nachprüfungen vorbei, nur Entlassfeier und Abiball stehen noch vor der Tür, und dann? Ja, und was dann?
Was fängt ein frischgebackener Abiturient mit sich an? Studieren, Ausbildung, viel Geld verdienen, Urlaub - die Ziele variieren. Für Veronika Pöpping steht schon seit längerem der Entschluss fest: Sie macht ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ): „Mir war es wichtig, anderen Menschen zu helfen. Auch wollte ich einfach mal aus dem Hiltruper Alltagstrott raus und mich vielleicht in einer ganz anderen Umgebung auch selber neu kennenlernen."
Also bewarb sie sich im Dezember letzten Jahres bei verschiedenen Organisationen, die ein FSJ anbieten, und landete schließlich bei den Jesuit European Volunteers (JEV). Bei einem Wochenende im März, an dem auch andere Anwärter auf ein Soziales Jahr teilnahmen, erhielt sie einen ersten Überblick über die Organisation, und die gefiel ihr auf Anhieb. „Besonders die vier Grundprinzipien der JEV haben mich gereizt: einfacher Lebensstil, gelebter Glaube, Einsatz für die Gerechtigkeit und vor allem Leben in der Gemeinschaft“, erzählt die Abiturientin.
Doch wohin die Reise gehen sollte, war bis dahin noch nicht klar. Veronikas Wunschland war Rumänien, unter anderem weil es kein typisches Urlaubsland sei und sie so auch einen Bezug zu einem Oststaat bekommen könne, den man sonst nicht so schnell kennen lernt. Am 20. März kam dann der Bescheid von JEV: „Wir haben noch einen Platz für Dich frei,“ Von nun an hieß es zunächst so nebenbei eine neue Sprache lernen. Bei Schwestern des Herz-Jesu-Ordens, die in Rumänien ihren Einsatz hatten, fand sie erfahrene Gesprächspartnerinnen. In einer „Inkulturationswoche“ zusammen mit den anderen Freiwilligen wird im Juli für die 19-Jährige schwerpunktmäßig Landeskunde auf dem Programm stehen.
Am 1. September ist es dann endlich soweit. Was die Hiltruperin genau in Rumänien erwartet, weiß Veronika noch nicht. Es gibt mehrere Projekte, an denen sie mitarbeiten kann. Möglicherweise wird sie in einem Altenheim oder bei einem Altenbesuchsdienst eingesetzt werden. Ebenso gut kann sie in einer Suppenküche landen und Essen auf Rädern liefern. Am liebsten würde sie bei Adoptivfamilien mit den Jugendlichen Freizeitaktivitäten unternehmen. Ein bisschen mulmig - auch aufgrund dieser Ungewissheit - ist ihr momentan schon zumute: „Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge, doch glaube ich, dass ich viele Erfahrungen sammeln werde und ich freue mich besonders, ein anderes Land mit seinen Menschen und seiner Kultur kennen zu lernen." Gute Reise!
Daniela Herbers, Münstersche Zeitung 09. 06. 2001