Unser Weg nach Rom

Die Studienfahrt 2008

Alle Wege führen nach Rom, heißt es immer, aber solch einen Weg zu finden, zumal im schulischen Umfeld, ist nicht ganz einfach.
Es bedurfte da schon eines mehr als glücklichen Zufalls, dass aus einer solchen Wunschvorstellung Realität werden konnte. Unser ehemaliger Schulseelsorger Marius Stelzer wurde angesprochen, in Rom eine Ausstellung zu machen mit Arbeiten aus der Jahrgangsstufe 12 unserer Schule. (Dass es dann zu dieser Ausstellung vor Ort nicht so wie besprochen kam, lag an der sehr schweren Erkrankung der vermittelnden Person.)
Marius Stelzer sprach mich an, ob ich mir nicht vorstellen könnte, mit meinem Leistungskurs 13 seine Gruppe zu begleiten. Ich konnte, und meine Schülerinnen und Schüler waren begeistert. Und das, obwohl unsere Fahrt, die eine Woche umfasste, zu größten Teilen in den Ferien lag. Auch die Aussicht, dass diese Fahrt als Studienfahrt zu sehen sei, wurde akzeptiert, denn „Studienfahrt“ heißt: Integration in den Unterricht, Verfassen von Referaten, die dann auch noch coram publico, d.h. vor Ort in der Öffentlichkeit zu halten waren, Nachbereitung im Unterricht nach Rückkehr. Alles in allem also Arbeit!
Wir flogen nach Rom mit der Air Berlin, trotz des fortgeschrittenen Oktobers empfing uns bereits in Fiumicino, einem der Flughäfen Roms, eine sommerliche Hitze, die bis zu unserem Abflug anhielt. Mit dem Zug gelangten wir bis ins Zentrum, nach wenigen Minuten erreichten wir per pedes unser Quartier: ein Haus - hotelähnlich, mit Frühstück! - konzipiert für Pilger, und damit die es nicht so weit zur größten Kirche der Christenheit haben, mit direktem Blick auf die Gemächer des Papstes an den Kolonnaden des Petersplatzes! Welch ein Vorzug!
Bis auf wenige Fahrten mit der U-Bahn wurden alle unsere Aktionen nun mit besagtem „per pedes“ als Gestaltungsmittel angegangen, im wahrsten Sinne des Wortes! Denn Rom war nicht nur in der Antike eine Millionenstadt, sie ist es heute auch noch, und das heißt dann unter solch einem Aspekt „Kulturreise“: laufen, laufen, laufen!
Der Begriff „beiläufig“ ist einer, der sich in Rom permanent neu erschließt: Das Ziel ist z. B. der Aventin, und dann liegt da am Wegesrand quasi der „Katzentempel“, ein in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ausgegrabener großer Saturntempel mitten im belebten Zentrum in einem bemerkenswert gutem Bauzustand. Er hat eine Besonderheit, die ihn aus der enormen Vielzahl antiker Monumente Roms heraushebt: Er ist über und über bevölkert von Katzen, so bunt und unterschiedlich wie die Menschen, die in dieser Weltstadt uns Provinzler begeisterten.
Ein Blick zurück auf die Fahrt macht deutlich, dass wir nicht alles gesehen haben - das ist angesichts dieser Ballung von Kunst und Kultur vielleicht in einem mehrjährigem Aufenthalt möglich, nicht aber in einer Woche - das Wichtige aber haben wir nicht nur gesehen, sondern über die fundierten Referate vor Ort im Zusammenhang erkennen können.
Wenn denn bis jetzt so viel von der Antike und deren Kultur die Rede war, so war dies dennoch nicht der ausschlaggebende Aspekt unserer Fahrt. Es war vielmehr unsere Absicht, uns einen Zusammenhang von Kultur und Religion zu erschließen, denn es gibt keinen Ort auf dieser Welt, wo dieser Zusammenhang deutlicher hervortritt.
Zu dem vielen Glück, was sich uns im Kontext dieser Fahrt ergab, gehört sicherlich an vorderster Stelle, dass Frank Bennemann als Begleitlehrer vor Ort mit seiner wunderbaren Fächerkombination Musik und Religion den Zusammenhang erweitern half.
So wurden selbst die ja eigentlich nicht primär und unmittelbar als „Highlights“ verschrieenen Basiliken, die wir systematisch untersuchten unter Aspekten wie z.B. dem Gesamtkunstwerk, zu vertieften Kulturerlebnissen.
Dazu ein Beispiel: Unter uns wird es wohl kaum jemanden geben, der unseren Aufenthalt in der wohl ursprünglichsten Basilika Roms, Sta. Maria Trastevere aus dem 4. Jahrhundert, vergessen wird. Umtost von vielen Menschen, die wie wir anschließend in dem gleichnamigen Stadtteil den Abend verbringen wollten, überraschte die Kirche nach unserem Betreten im Inneren mit ihrer kühlen Stille.
Viele Besucher füllten die Kirche. Vorn am Altar waren mehrere Priester zu sehen, die dann einen Gottesdienst einleiteten, so fremd und so anders als alles, was wir bislang mit dem Begriff Gottesdienst verbunden hatten. Es war ein katholisch-orthodoxer Ritus, eine Form, die so seit mehr als 1500 Jahren praktiziert wird. Die Priester waren in herrliche,
golddurchwirkte Gewänder gekleidet, umgeben von einer Vielzahl von ebenfalls prächtig gekleideten Ministranten umzogen sie in Prozessionen das gewaltige Kirchenschiff, das zunehmend mehr durch die einsetzende Dämmerung und eine große Vielzahl von Kerzen in ein mystisches Licht getaucht wurde.


Gelegentlich wird auch bei uns Weihrauch in Messen eingesetzt, in keiner Weise aber vergleichbar zu den exorbitanten Mengen dort, so dass zunehmend alles in die Kirche durchziehende, wohlriechende Rauchschwaden gehüllt wurde. Zunächst leise, dann immer bestimmter erklang eine Musik. Sie stammte von einer vierköpfigen Schola, die, wie wir hinterher von Herrn Bennemann erfahren konnten, eine Musik sang, die etwa 700 Jahre alt ist: sehr fremd, aber auch seltsam geläufig, unter die Haut gehend. Heterogener können Besucher eines Gottesdienstes nicht sein: Kinder und sehr alte Leute, Bettler und hochelegante Männer und Frauen (wie nur Rom sie kennt!), viele Koloraturen von Hautfarben. Einer aber wird wohl allen von uns im Gedächtnis zurückbleiben. Er hatte seinen großen, weißen Kakadu mitgebracht und saß wie selbstverständlich mit ihm auf der Schulter unter den anderen.
Wenn denn jetzt beim Lesen der Eindruck entstanden sein sollte, dass die Fahrt nichts anderes gewesen sei als Kultur, Arbeit und Stress, dann ist dieser Eindruck wohl richtig.
Denn es gibt nichts Schöneres als nach einem so vollen Augen- und Ohrentag sich in der Gruppe in einem der wunderschönen Altstadt-Lokale z. B. in Trastevere niederzulassen, zu günstigsten Bedingungen dort prima zu essen und ordentlich Frascati zu trinken. Und auch das war unsere Arbeit an der Kultur - im ureigentlich-römischen Sinne!
Es gäbe Vieles noch zu berichten, z. B. unsere kunstpraktischen Aktionen, die dann z. T. in Ausstellungen flossen, aber dies würde den Rahmen sprengen, wie man so sagt. Eines aber erscheint mir am Schluss doch sehr wichtig, nicht unerwähnt zu bleiben.
Am Tag unserer Abreise haben wir der Schwester, die unser Pilgerhaus verantwortlich leitet, die Frage gestellt, ob wir denn bei entsprechender Gelegenheit die Frage an sie richten dürften, ob das Haus für uns noch offen stehe. Sie hat die Frage bejaht und unser Verhalten ausdrücklich gelobt.
Ich kann dies eigentlich nur unterstreichen: Alle mitreisenden Schülerinnen und Schüler sowohl aus der 12. Stufe wie auch des LK Kunst 13 haben sich tadellos verhalten - ohne dass sie irgendwie Spaß und Freizeit und selbst bestimmte Aktivitäten hätten vermissen müssen.
Auch für uns Verantwortlichen war diese Fahrt ein Genuss - roma aeterna!
Michael Rickert