22. 10. 2006: Abreise


Der Tag ist erwacht. Alle haben sich auf die Abreise eingestellt, es beginnt mit einem großen Frühstück und mit der Reinigung der Wohnanlage. Für 10 Uhr ist die Abfahrt geplant. Pünktlich startet der große Konvoi in Richtung Heimat. Die Unterkünfte sind sauber, und alle sind zufrieden.
Die Heimreise verläuft einwandfrei. Nachdem die große Schulgemeinschaft während der Rückfahrt in Verona bei Romeo und Julia einen zweistündigen Stopp eingelegt hat, geht es problemlos in Richtung Heimat weiter.
Gerhard Doliesen, www.hoeffmann-reisen.de
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Der Abreisetag: Abschiedsstimmung
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Ernste und heitere Gesichter bei überwiegend liebevollem Umgang miteinander
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Bitte aufstellen zum...
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Gruppenfoto
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Bald danach rollen die Busse
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Zwischenstopp in Verona: Interessant sind das Amphitheater...
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ein Besuch bei
Romeo und Julia...
... und überhaupt die
schöne Innenstadt
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Fotos: Philipp Ennen, Dirk Tabbert, Ulrich Kaspar

Über uns


Klar lernten wir auf unserer Schul-Jubiläumsfahrt nicht nur etwas über die fremde Stadt und ihre Geschichte, die doch so untrennbar mit unserer eigenen verwoben ist, sondern auch etwas über uns. Über uns als Gemeinschaft und über uns als Individuen, über uns als Lehrer und Schüler und über uns als Menschen.
Bevor ich jedoch das Überraschendste über uns lernte, lernte ich zuerst etwas über die Italiener. Klar, in Rom gibt es viele Italiener, die ganze Stadt pulsiert vor Leben. Wie gut konnte man schließlich von der Kuppel des Petersdoms aus nicht nur die Vatikanischen Gärten sehen, die eine Insel der Ruhe bilden im scheinbar endlosen Rom, das sich zu allen Seiten bis zum Horizont erstreckt wie ein Ozean, sondern auch Ströme endlosen Verkehrs, der gemächlich durch die Straßen fließt, kaulquappengroße Lebewesen, die auch auf den abgelegensten Plätzen rumwuseln, scheinbar ungestört von ewig abbrandenden Touristenströmen, bestehend aus ebenfalls kaulquappengroßen Wesen, die allein oder in Schwärmen auf den großen Petersplatz strömen. Ein Dom als Leuchtturm? Herrn Stelzer würde das sicher gefallen. Und mitten dazwischen: besagte Italiener. Schon bewundernswert, in so einer Stadt nicht die Nerven zu verlieren.
Touristisch wunderschön, ist und bleibt sie doch eine Metropole, und ich wunderte mich, wie die Römer damit im Alltag nur fertig würden. Meine Verwunderung verlor jedoch alle Maße, als ich auch nur den Verkehr genauer beobachtete. Defensives Fahren, jeder Fahrschüler weiß: das verlangt Rücksicht und Aufmerksamkeit, wird hier nicht angewandt. Auch mit elementarsten Verkehrsregeln ist das hier so eine Sache. „Hier gibt es keine Linksabbiegerspur?“ - „Dann machen wir uns eben eine!“, „Das ist eine Einbahnstraße?“ - „Die halbe Fahrbahnbreite muss denen doch reichen!“, „Wenn ich mich jetzt vordrängle, stecken wir alle fest?“ - „Dann kommen die anderen wenigstens auch nicht mehr voran!“.
So oder so ähnlich könnte die Philosophie der italienischen Autofahrer lauten. Dazu kommen dann ja noch die ganzen Roller, am beliebtesten sind wohl die „Vespas“, kleine, z. T. gefährlich antik aussehende Roller, die erstaunliche Geschwindigkeiten zustande bringen. Das sei der vernünftige Bevölkerungsteil, könnte man sich ja denken, schließlich sind die wendigen Fortbewegungsmittel schon praktisch, bei dem Verkehr. Tatsächlich finden wir auch geschäftig aussehende Herren in Anzug und Krawatte auf den Rollern. Wer so skurril aussieht, kann jedoch nicht ganz normal sein, denkt man sich da, und tatsächlich sollte man hinter dem Steuer seines PKWs verdammt aufpassen, nicht eine von diesen frechen italienischen „Wespen“ platt zu machen, die dort überall herumschwirren. Gehupt wird hier, sobald der Vordermann die Kupplung zu langsam kommen lässt, geparkt und gehalten wird in der zweiten Reihe im Parkverbot, nur an Zebrastreifen prinzipiell nicht.
Da war ich froh, im Großstadtdschungel von Rom in unserem Bus zu sitzen und mich nicht in einschüchternde Schlangen vor Ampeln einreihen zu müssen, von exotischen Wespen die Fersen abgefahren zu bekommen oder mich gar auf die Streifen eines Zebras verlassen zu müssen. Unter den Eindrücken dieser Stadtsafari wurde ich aber die Idee nicht los, irgendetwas an den Italienern entdecken zu können. Irgendetwas, das sie davor schützt, bei diesem Stress zu nervösen Nervenbündeln zu werden...
Und ich sollte fündig werden! Es gab eine Erklärung, auf die ich gar nicht gekommen war, und endgültig überzeugt wurde ich, als ich im nahe gelegenen Supermarkt „mal eben“ etwas einkaufen wollte. Um schneller dranzukommen, stellten meine Freundin und ich uns extra an die Kasse mit „bis zu 10 Teilen“, wo man also keinen Großeinkauf vor sich haben und deshalb schnell zahlen sollte.
Wir luden also unsere Sachen auf das Band und ich, die ich weiter vorne stand, grüßte sogar den netten Herrn vor uns in der Schlange mit einem stolzen „Buongiorno!“. Daraufhin wurde ich sofort zugetextet mit immer schneller werdendem Italienisch, das ich als Anfängerin entsprechend schnell nicht mehr verstand. Aus lauter Verzweiflung beachtete ich also den Rat, der mir von hinten ins Ohr geflüstert wurde, und begann, immer brav zu nicken und mit „Si!“ zu antworten. Muss ich eine komische Figur abgegeben haben! Nicht genug aber, dass ich mich zum Deppen machte, der nette italienische Herr wandte sich auch noch an die nette italienische Kassiererin und erklärte ihr, das konnte ich so gerade noch nachvollziehen, ich würde ja kein Wort verstehen. Er hatte ins Schwarze getroffen und ganz hemmungslos fingen sie daraufhin an, zu lachen und in unsere Richtung zu gucken - sehr unauffällig! - und als wir ihnen wohl zu langweilig wurden, sich über andere Dinge zu unterhalten.
Während sie dann dem netten italienischen Herrn auch noch schöne Augen machte, dachte die Kassiererin wohl an alles Mögliche - nur nicht ans Kassieren, sie schien wohl auf irgendetwas zu warten, oder es gab ein Problem. Und so standen wir also an der „Extra-schnell“-Kasse und äfften italienische Wörter nach, die wir aufschnappten, sehr zur Belustigung der beiden Turteltauben. Ans Zahlen war nicht zu denken, und darüber schien sich auch niemand zu ärgern. Sicher, wir hätten es gekonnt, aber hier... die Situation war einfach zu ungewohnt, sich aufzuregen wäre unangemessen gewesen.
Und irgendwann dann muss es gewesen sein, als ich fand, wonach ich gesucht hatte. Ich merkte, was das Verhalten der Italiener ausmachte, nur es in Worte zu fassen, fällt mir schwer. Es ist ein Eindruck. Ein Eindruck von, sagen wir, Gelassenheit Wer in aller Seelenruhe Tag für Tag die Vekehrsregeln bricht, wer ein Problem auf der Arbeit zum Pläuschchen nutzt und wer bei alledem nicht aus der Haut fährt, der muss gelassen sein.
Die zwei Erlebnisse führten natürlich nicht allein zu diesem Eindruck, sondern es waren die Italiener, wie man sie den ganzen Tag sah, die ihn vermittelten. War ich einmal dafür sensibilisiert, fiel es mir immer wieder auf, und in solchen Momenten musste ich unwillkürlich lächeln.
Belächelte ich die Italiener? Das könnte ich mir selbst aus meinem persönlichen Blickwinkel nicht erlauben. Vielmehr stellte ich fest: Ich lächelte über mich selbst. Denn wieso sage ich denn, die Italiener seien gelassen? Ist es nicht vielmehr so, dass ich selbst eher hektisch bin, keine Zeit habe für chaotischen Verkehr und kein Auge für die nette Kassiererin? Denn eigentlich haben diese Menschen doch Recht in dem, was sie tun. So habe ich durch die Italiener über uns gelernt, über mich als Individuum, aber auch über uns als Gesellschaft. Das kann einen zum Nachdenken bringen, mich hat es hauptsächlich amüsiert. Und wie heißt es doch auch so schön: „Andere Länder - andere Sitten!“
Daniela Pöhler (12), KvG-Jahrbuch 2006/07