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Frau Richter und Herr Lütke Schelhowe an der Ostseite des Brandenburger
Tores.
Das zum Ostsektor gehörende Tor war nicht erreichbar: Der Aufenthalt
zwischen Absperrgitter (Vordergrund) und Mauer (weiß, im Hintergrund)
war verboten. |
Die Kursfahrten der Jahrgangsstufe 12 konnten in diesem Jahr unter günstigeren
Bedingungen erfolgen (Inanspruchnahme zweier Feiertage in der Fahrtenwoche).
So war es möglich, ein Berlin-Seminar, das vier volle Tage Aufenthalt
in Berlin voraussetzt, durchzuführen. Da sich zwei Kurse (LK Deutsch/LS
und LK Mathematik/Hi) an den Unternehmen beteiligten, verringerten sich die
Fahrtkosten erheblich.
Nachdem wir am Anreisetag einige Sunden Unterricht bewältigt hatten (es
waren uns nur zwei frei Schultage zugestanden worden), konnte die Fahrt beginnen.
Hinter Helmstedt erreichten wir die DDR-Grenzanlagen - ein schockierender
Anblick. Die Wartezeit wurde damit ausgefüllt, mögliche „Fluchtwege“
zu erkunden. Dann ging es weiter auf der Transit-Strecke, der DDR-“Autobahn“,
durch menschenleeres Gebiet. In Berlin angekommen inspizierten wir unsere
Unterkünfte. Der Deutsch-LK erhielt ein preisgünstiges, aber sehr
einfaches Quartier im Zentrum Berlins. Unter der Regie von Frau Richter versuchten
wir zunächst die Bestuhlung des kleinen Aufenthaltsraumes unter „kommunikativen
Gesichtspunkten“ optimal auszurichten, während auf dem Flur eine
Betreuerin der Senioren des Altersheimes mit Gitarrenbegleitung pietistische
Lieder sang. Für die Verpflegung sorgten wir in den nächsten Tagen
selbst und sparten so viel Geld, das wir aber leider nicht nach Mitternacht
ausgeben konnten. Schließlich brauchten wir - nach Meinung der Lehrer
- ausreichende Nachtruhe, um für das Pflichtprogramm fit zu sein.
Am ersten Abend wurde natürlich der Kurfürstendamm erkundet, der
nachts wohl am eindrucksvollsten ist (z. B. die Lichtsäulen am EuroCenter).
Die Gedächtniskirche sieht eher befremdlich aus, aber sie soll ja auch
an die Kriegsschäden Berlins erinnern. Der Ku-Damm erscheint unheimlich
lang, ein Geschäft neben dem anderen, aufgelokkert durch Restaurants,
Kinos, Banken und Cafés. Die Auswahl ist gewaltig, schrumpft für
einen Schüler jedoch schnell zusammen, weil Berlin einfach zu teuer ist
und der richtige Laden mit den angemessenen Preisen Seltenheitswert hat. Das
hochgelobte KaDeWe enttäuschte (unübersichtlich, pomphaft, kostspielig
...).
Bei der obligatorischen Stadtrundfahrt betreute uns eine Dame vom Informationszentrum,
deren Redefluß nicht zu bremsen war. In gut drei Stunden lernten wir
das Vorzeige-Berlin (West) kennen, z. B. die endlose Mittelachse Berlins mit
der Siegessäule und der „Straße des 17. Juni“, die
auf das Brandenburger Tor zuführt. Dort konnte man von den Tribünen
aus die Vopos auf der anderen Seite beobachten (ähnlich wie im Zoo).
Während der Blick hinüber eher bedrückend ist (besonders am
früher sehr belebtem, heute aber toten Potsdamer Platz in der Mitte Berlins),
kann man die Westseite der Mauer schon als Freiluft-Kunstgalerie (mit zahlreichen
Graffitis) betrachten.
Am „Tag der deutschen Einheit“ * besuchten wir Ostberlin, die
„Hauptstadt der DDR“. Der Grenzübergang von West nach Ost
und zurück war wieder zutiefst bedrückend (Mauer, Schalter, zahlreiche
Vopos, Scheinwerfer, lange Wartezeiten, Gesichts- und Gepäckkontrolle
...). In Ost-Berlin beeindruckt der alte Kern der Reichshauptstadt. Die pompösen
Neubauten, die den neuen sozialistischen Staat repräsentieren, hinterlassen
einen zwiespältigen Eindruck. Im übrigen beherrschen Touristen,
Uniformierte und Bürokraten mit Parteiabzeichen die Szene. Die Ost-Berliner
merken schnell, ob man ein „Wessi“ oder ein Einheimischer ist.
Einzelne „giftige Reaktionen“ sind verständlich: wer möchte
sich schon wie im Käfig begafft fühlen.
Hinzuweisen wäre noch auf die zwei „Pflichtvorträge“
über Berlin und die DDR. Leider gingen die Referenten kaum auf die Themen
ein, die wir im Literaturunterricht intensiv vorbereitet hatten.
Zu berichten wäre noch vom vielen Einzelheiten, zumal auch individuelle
und Gruppen-Exkursionen am Nachmittagen und Abenden möglich waren und
genutzt wurden. Hierbei konnten wir auch das „alternative Berlin“
kennenlernen.
Unterm Strich können wir sagen, daß Berlin eine beeindruckende
Stadt ist; zudem hatten wir auch gute Gelegenheiten, uns persönlich näher
kennenzulernen. So können wir auch anderen Kursen empfehlen, die aufwendige
Vorbereitung bzw. mögliche Tücken des Berlin-Aufenthaltes nicht
zu scheuen und sich auf ein „Berlin-Seminar“ einzulassen.