Studienfahrten 1987


01 02 03
Berlin, Kurfürstendamm Berlin, Stadtautobahnring mit Funkturm Berlin-Spandau

Paris


Nach der halbwegs überstandenen 8-Stunden-Busfahrt - die meisten hingen scheintot in den Sesseln, da die Abfahrt um 6 Uhr sonntags morgens gewesen war - stolperten wir in den Innenhof unseres Hotels. Wenn einen sonst graue Häuserfassaden abstoßen, macht man hier eine interessante Erfahrung: der „viereckig“ geformte Blick in den Himmel, vorbei an kleinen Fensterlädchen, die Stille, die nur durch entferntes Autohupen und leise Musik untermalt wird, läßt eine Stimmung aufkommen, die sich kaum beschreiben läßt, weil sie weder eine Großstadtidylle noch Hinterhoffrieden ist. C’est Paris, ganz einfach.
Monsieur Agel und Père Sanders haben alles in Griff: vormittags Besichtigungsprogramm nach Wunsch in zwei Gruppen und nachmittags Freizeit: Dies ist ein Konzept, das sich bestens bewährt hat.
Nach drei Vormittagen Centre-Pompidou, Louvre, zahlreichen Kirchen, Notre Dame und Impressionisten-Museum haben wir soviel gesehen, daß wir es kaum verdauen können, obwohl wir erst einen kleinen Ausschnitt erfaßt haben. Aber ein kleiner Ausschnitt reicht, um zu ahnen, wie Paris lebt. Sei es der Saxophonspieler in der Metrostation oder der Portraitzeichner am Centre-Pompidou oder der Gitarrenspieler auf Montmartre oder…: Man ahnt es.
Wer in Paris nicht weiß, wonach er suchen muß, ist zum Scheitern verurteilt. Das stundenlange Latschen kann manchmal nervend sein, aber man kann auf Sachen stoßen, die man sonst nicht sehen würde. Da hilft einem zu Anfang auch nicht die Metro weiter. Erst wenn du nach 2 Stunden Metro hoffnungsvoll an der Ausgangsstation ankommst und verzweifelt wieder ans Tageslicht kriechst, weißt du spätestens, wie es gemacht wird.
Was dann schließlich tagsüber eine lärmende und hetzende Großstadt ist, erscheint abends in ein ruhiges Lichtermeer getaucht: die Bistros und Boulevards. Es gibt kaum ein wichtiges Bauwerk, das nicht angestrahlt wird. Da vergißt man sogar, daß es zwischendurch regnet. C’est la vie.
Gerrit Kranich, KvG-Infoheft 1987/88
04 05 06
Berlin, Gropiusstadt Berlin, Hansaviertel Berlin, Märkisches Viertel

Berlin


08
Frau Richter und Herr Lütke Schelhowe an der Ostseite des Brandenburger Tores.
Das zum Ostsektor gehörende Tor war nicht erreichbar: Der Aufenthalt zwischen Absperrgitter (Vordergrund) und Mauer (weiß, im Hintergrund) war verboten.
Die Kursfahrten der Jahrgangsstufe 12 konnten in diesem Jahr unter günstigeren Bedingungen erfolgen (Inanspruchnahme zweier Feiertage in der Fahrtenwoche). So war es möglich, ein Berlin-Seminar, das vier volle Tage Aufenthalt in Berlin voraussetzt, durchzuführen. Da sich zwei Kurse (LK Deutsch/LS und LK Mathematik/Hi) an den Unternehmen beteiligten, verringerten sich die Fahrtkosten erheblich.
Nachdem wir am Anreisetag einige Sunden Unterricht bewältigt hatten (es waren uns nur zwei frei Schultage zugestanden worden), konnte die Fahrt beginnen.
Hinter Helmstedt erreichten wir die DDR-Grenzanlagen - ein schockierender Anblick. Die Wartezeit wurde damit ausgefüllt, mögliche „Fluchtwege“ zu erkunden. Dann ging es weiter auf der Transit-Strecke, der DDR-“Autobahn“, durch menschenleeres Gebiet. In Berlin angekommen inspizierten wir unsere Unterkünfte. Der Deutsch-LK erhielt ein preisgünstiges, aber sehr einfaches Quartier im Zentrum Berlins. Unter der Regie von Frau Richter versuchten wir zunächst die Bestuhlung des kleinen Aufenthaltsraumes unter „kommunikativen Gesichtspunkten“ optimal auszurichten, während auf dem Flur eine Betreuerin der Senioren des Altersheimes mit Gitarrenbegleitung pietistische Lieder sang. Für die Verpflegung sorgten wir in den nächsten Tagen selbst und sparten so viel Geld, das wir aber leider nicht nach Mitternacht ausgeben konnten. Schließlich brauchten wir - nach Meinung der Lehrer - ausreichende Nachtruhe, um für das Pflichtprogramm fit zu sein.
Am ersten Abend wurde natürlich der Kurfürstendamm erkundet, der nachts wohl am eindrucksvollsten ist (z. B. die Lichtsäulen am EuroCenter). Die Gedächtniskirche sieht eher befremdlich aus, aber sie soll ja auch an die Kriegsschäden Berlins erinnern. Der Ku-Damm erscheint unheimlich lang, ein Geschäft neben dem anderen, aufgelokkert durch Restaurants, Kinos, Banken und Cafés. Die Auswahl ist gewaltig, schrumpft für einen Schüler jedoch schnell zusammen, weil Berlin einfach zu teuer ist und der richtige Laden mit den angemessenen Preisen Seltenheitswert hat. Das hochgelobte KaDeWe enttäuschte (unübersichtlich, pomphaft, kostspielig ...).
Bei der obligatorischen Stadtrundfahrt betreute uns eine Dame vom Informationszentrum, deren Redefluß nicht zu bremsen war. In gut drei Stunden lernten wir das Vorzeige-Berlin (West) kennen, z. B. die endlose Mittelachse Berlins mit der Siegessäule und der „Straße des 17. Juni“, die auf das Brandenburger Tor zuführt. Dort konnte man von den Tribünen aus die Vopos auf der anderen Seite beobachten (ähnlich wie im Zoo). Während der Blick hinüber eher bedrückend ist (besonders am früher sehr belebtem, heute aber toten Potsdamer Platz in der Mitte Berlins), kann man die Westseite der Mauer schon als Freiluft-Kunstgalerie (mit zahlreichen Graffitis) betrachten.
Am „Tag der deutschen Einheit“ * besuchten wir Ostberlin, die „Hauptstadt der DDR“. Der Grenzübergang von West nach Ost und zurück war wieder zutiefst bedrückend (Mauer, Schalter, zahlreiche Vopos, Scheinwerfer, lange Wartezeiten, Gesichts- und Gepäckkontrolle ...). In Ost-Berlin beeindruckt der alte Kern der Reichshauptstadt. Die pompösen Neubauten, die den neuen sozialistischen Staat repräsentieren, hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Im übrigen beherrschen Touristen, Uniformierte und Bürokraten mit Parteiabzeichen die Szene. Die Ost-Berliner merken schnell, ob man ein „Wessi“ oder ein Einheimischer ist. Einzelne „giftige Reaktionen“ sind verständlich: wer möchte sich schon wie im Käfig begafft fühlen.
Hinzuweisen wäre noch auf die zwei „Pflichtvorträge“ über Berlin und die DDR. Leider gingen die Referenten kaum auf die Themen ein, die wir im Literaturunterricht intensiv vorbereitet hatten.
Zu berichten wäre noch vom vielen Einzelheiten, zumal auch individuelle und Gruppen-Exkursionen am Nachmittagen und Abenden möglich waren und genutzt wurden. Hierbei konnten wir auch das „alternative Berlin“ kennenlernen.
Unterm Strich können wir sagen, daß Berlin eine beeindruckende Stadt ist; zudem hatten wir auch gute Gelegenheiten, uns persönlich näher kennenzulernen. So können wir auch anderen Kursen empfehlen, die aufwendige Vorbereitung bzw. mögliche Tücken des Berlin-Aufenthaltes nicht zu scheuen und sich auf ein „Berlin-Seminar“ einzulassen.
RM/MS/LS, KvG-Infoheft 1987/88

* Vor 1990 wurde der 17. Juni, Gedenktag des Aufstandes von 1953, als „Tag der deutschen Einheit“ begangen.
07 08 09
Berlin, Charlottenburger Schloss Berlin-Museum Berlin, Villa am Wannsee

Fotos: aus einem Prospekt des Senators für Bau- und Wohnungswesen, Berlin (West), ca. 1980