Da war die Sportwelt in allerbester Ordnung: 2001 feierte der Rinkeroder David Hemkemeyer [KvG-Abitur 2005] seine erste deutsche Kart-Meisterschaft. 2002 wurde er sogar Europameister.

Talent allein reicht nicht

Rinkeroder David Hemkemeyer im Uni-Hörsaal statt auf der Formel-l-Piste

Rinkerode/Rio de Janeiro. Als im letzten Saisonrennen der Formel 1 beim Großen Preis von Brasilien mit Lewis Hamilton der Sieger fest stand, war nicht der beste Fahrer der Welt auch Weltmeister. Das Talent zum Fahren ist in der Formel 1 längst nicht mehr entscheidend. Wer am Ende vorne liegt und wer überhaupt starten darf, das bestimmen jede Menge Geld und die richtigen Kontakte.
Ab und zu, sagt David Hemkemeyer, schaue er sich ein Rennen an. Dann sieht der 22-Jährige, wie Niko Rosberg oder Sebastian Vettel bejubelt werden. Und sieht, was aus ihm hätte werden können. David Hemkemeyer ist der erfolgreichste deutsche Kartfahrer, den es jemals gab. Er war zweifacher deutscher Meister und Europameister. So gut war keiner, nicht einmal Michael Schumacher.
Hört man David und seinen Vater Theo Hemkemeyer über die Formel 1 reden, könnte man denken, die beiden sind frustriert. Frustriert, weil andere geschafft haben, was ihnen nicht gelang. Nach dem Gewinn der Kart-EM im Jahr 2002 wollte der damals 18jährige David Hemkemeyer, dessen Vater einen Kart-Service besitzt und früher selbst deutscher Meister war, mit einem Schweizer Team die Kart-WM fahren. Die Schweizer zogen Familie Hemkemeyer über den Tisch, die Saison war gelaufen. David fuhr mit Unterstützung des deutschen Motorsport-Bundes drei Formel-3-Rennen. 20000 Euro zahlten die Hemkemeyers, ein Sonderpreis. Zunächst fehlten David - ohne einen einzigen Test - fünf Sekunden pro Runde auf die Spitze, im dritten Rennen nur noch eine halbe.
„Es wäre kein Problem gewesen, in der Formel 3 ganz vorne mitzufahren“, sagt David deshalb. Dennoch fand sich kein Sponsor. Zwei Kart-Saisons später beendete Hemkemeyer seine Karriere. „Im Motorsport geht es am wenigsten ums Fahren, sagt Hemkemeyer senior.“ Und David ergänzt: „Es macht längst nicht alles Spaß, was da drumherum passiert.“ Der Rinkeroder war bei den wichtigen Leuten nicht beliebt genug. Jetzt studiert er in Aachen Maschinenbau.
Besser hat es Sebastian Vettel gemacht, seit dem Triumph von Monza der jüngste Formel-l-Sieger. Als David Hemkemeyer 2002 neben der Kart-EM auch seinen zweiten nationalen Titel gewann, landete Vettel im selben Wettbewerb neun Plätze hinter ihm. Den Unterschied zu Hemkemeyer machte Vettels Berater: Gerhard Noack. Der Kerpener hat nach eigener Aussage die meisten Fahrer vom Kartsport in die Formel 1 gebracht. Er förderte neben Vettel auch Michael und Ralf Schumacher mit privatem Geld.
Um nach ganz oben zu kommen, muss ein Motorsportler alles opfern. Und selbst das reicht nicht aus. Bei Sebastian Vettel hat sogar der Großvater seine Brieftauben verkauft. Mit drei Jahren raste Vettel im selbstgebauten Vehikel erstmals über das bucklige Pflaster des elterlichen Hofs. Rechtskurve, wenden, Linkskurve, wenden. Immer und immer wieder. Im Alter von zehn Jahren übernahm ihn Gerhard Noack. Der richtige Kontakt zur richtigen Zeit bedeutet im Motorsport die Karriere. Wer im Kart Erfolg hat, braucht laut Schumacher-Entdecker Noack im Schnitt noch etwa 2,5 Millionen Euro bis in die Formel 1. Dabei zerbrechen schon im Kartsport, wo eine Saison fünfstellige Summen verschlingt, viele an den psychischen Belastungen.
David Hemkemeyer ist ohne Formel 1 glücklich. Die Wochenenden verbringt er mit der Freundin in seiner kleinen Studentenwohnung in der Aachener Innenstadt statt an der Rennstrecke. Obwohl er sich bei Fahrfehlern von Niko Rosberg oder Adrian Sutil immer noch die Haare rauft, hat er Abstand gewonnen zum Formel-Zirkus. Immerhin: Das Studium ist finanziert, die Siegprämien aus dem Kartsport reichen noch einige Jahre.
Daniel Drepper, Westfälische Nachrichten 20. 11. 2008